Patriarchat beinhart
Während im letzten Sonntagsfilm bei „Barbie“ sogar das aussterbende Patriarchat rosa war, ist diesmal in „Holy Spider“ die Kombi Patriarchat und Religion kohlschwarz.
von Renate Mumelter
Im Vorspann von Ali Abbasis Film sehen wir eine Frau mit blauen Flecken, die sich schminkt, um auf die Straße zu gehen, während ihre Tochter schläft. Wir sehen die Zwillingstürme, die in Rauch aufgehen, und wir müssen dabei zusehen wie die Frau ums Leben gebracht wird. Die heilige Spinne schlägt zu. Dass es sich dabei um einen Mann handelt, ist am Ring mit dem roten Stein zu erkennen, den viele Männer im Iran tragen. Schon vor dem Filmtitel stecken wir mitten in einem realen Thriller. In den Jahren 2000 und 2001 wurden in einer Pilgerstadt im Iran wirklich 16 Prostituierte von einem Familienvater ermordet. Der Glaube hatte dazu angeregt.
Die Recherche
Gemeinsam mit Rahimi kommen wir in der Pilgerstadt Mashhad an und dürfen uns gleich freuen, weil es die alleinreisende Journalistin doch noch schafft an das von ihr gebuchte Hotelzimmer zu kommen. Später trifft sie sich mit einem aufgeschlossenen Kollegen. Sie wollen über den Fall des Spinnenmörders berichten und ihm das „Handwerk“ legen wenn’s geht.
Rashimi verschleiert ich nach Vorschrift und versucht so devot wie möglich zu sein. Trotzdem erweist sich die hochpatriarchale Gesellschaft als Festung, die fast nicht zu knacken ist. Im Vergleich dazu ist Barbies frischgebackener Patriarch Ken sanft und leicht zu knacken. Die Patriarchen hier sind hart und gefährlich, und das ist wohl eher nah an der Realität.
Der Mörder
Bald schon läßt sich ahnen, wer der Mörder ist, denn es geht nicht so sehr um ihn sondern um ein System mit System, das er repräsentiert. Liebevoller Familienvater, kriegstraumatisiert, tief religiös, eine fatale Mischung in einer stark von religiöser Pseudomoral geprägten Gesellschaft. Diese religiöse Pseudomoral äußert sich in einer Verteufelung der Prostitution, deren Dienste allerdings gerne von denen in Anspruch genommen werden, die sie verteufeln. Das ist auch aus christlichen Gesellschaften bestens bekannt, wie wir alle wissen.
Der Spoiler
Ohne zu viel vorwegzunehmen kann hier nicht nur gesagt werden, dass der Mörder relativ schnell bekannt ist, es kann auch erzählt werden, dass er schlussendlich gefasst wird. Was mit ihm passiert, kann nicht erzählt werden, sehr wohl aber, dass die patriarchale Botschaft kein Ende nimmt, auch dann nicht, wenn er hinter Schloss und Riegel ist. Sie lebt weiter. Und sie macht nachdenklich, auch bei uns.
Ali Abbasi
Der Regisseur ist im Iran geboren, studierte an der Teheraner Polytechnischen Universität, ging 2002 nach Stockholm, studierte an der Nationalen Filmschule Dänemarks Regie. „Holy Spider“ wurde in Cannes gezeigt und als Dänemarks Beitrag für den Oscar nominiert. Hauptdarstellerin Zar Amir Ebrahimi bekam in Cannes den Preis als beste Hauptdarstellerin.
„Holy Spider“ ist ein Film mit einer klaren Botschaft, mit einer Warnung fast. Er zeigt, was die Synergie von Patriarchat und Religion anrichten kann.
Filmtipp
Am Donnerstag, 10. August kommt das „Kino unter freiem Himmel“ von Filmclub und Teßmann in den Innenhof der Ex-Pascoli-Schule, dorthin, wo das Bibliothekenzentrum gebaut wird. Zu sehen Maria Schraders Reflexion über die Liebe mit „Ich bin dein Mensch“ (21h), Eintritt 20h
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