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Würdiger Abschied

Es gibt laut Gesetz ein Recht auf Beerdigung – auch bei Fehlgeburten vor der 20. Schwangerschaftswoche. Was kaum jemand weiß: Dafür muss ein Antrag an den Sanitätsbetrieb gestellt werden.

von Sylvie Debelyak

Fast jede sechste Schwangerschaft endet mit einem Kindsverlust. Für die Eltern bedeutet das meist eine große emotionale Belastung. „Es ist ein unfassbar schwerer Rückschlag, sein eigenes Kind zu verlieren – gerade, wenn es noch nicht das Licht der Welt erblickt hat“, sagt Südtirols Familienseelsorger Toni Fiung.

Hinzu kommt, dass vielen Eltern ein Ort zum Trauern fehlt – manche wissen gar nicht, was mit dem Fötus passiert.

Ein Recht auf Beerdigung bei einer Fehlgeburt gäbe es sehr wohl, weiß die Ex-Volksanwältin und SVP-Kandidatin Gabriele Morandell. „Das italienische Recht schützt Frauen, die von einer Fehlgeburt betroffen sind, bereits zu Beginn der Schwangerschaft und sieht die Möglichkeit vor, den Fötus in jedem Schwangerschaftsalter zu bestatten.“

Die Schwangerschaftswoche ist also nicht ausschlaggebend dafür, ob ein Fötus beerdigt werden kann oder nicht. Jedoch gibt es unterschiedliche Regelungen, die beachtet werden sollten. Eine Fehlgeburt ab der 28. Schwangerschaftswoche gilt laut italienischem Gesetz nämlich als Totgeburt oder – wie man heute sagt – eine Stille Geburt.

Das bedeutet, dass diese Geburten offiziell im Standesamt eingetragen werden, das Kind einen Namen sowie sein eigenes Grab zugewiesen bekommt. Zwischen der 20. und 28. Schwangerschaftswoche ist es hingegen üblich, den Fötus auf einer speziellen Gemeinschaftsgrabanlage für Sternenkinder anonym zu bestatten. Allerdings sei auch für eine Fehlgeburt vor der 20. Schwangerschaftswoche eine Möglichkeit vorgesehen, sich entsprechend zu verabschieden, erklärt Morandell: „Für die Bestattung des Fötus, der die 20. Schwangerschaftswoche noch nicht erreicht hat, muss innerhalb von 24 Stunden nach der Fehlgeburt von Seiten der Eltern ein Antrag beim Sanitätsbetrieb gestellt werden, der diesen direkt an das Friedhofamt der Gemeinde weiterleitet“.

Jedoch wissen nur die wenigsten Frauen über diese Möglichkeit Bescheid, wodurch ihnen die bewusste Entscheidung, ihr ungeborenes Kind zu bestatten, genommen wird. Es mangle an der Aufklärung von Seiten des Sanitätsbetriebes, zumal der Antrag für eine Bestattung innerhalb eines Tages eingereicht werden müsse, kritisiert Morandell: „Auch ich war vor einiger Zeit davon betroffen und hätte gerne gewusst, wie ich mein Kind bestatten kann und für mich selbst einen Ort zum Trauern habe.“

Die Ex-Volksanwältin spricht also aus eigener Erfahrung, das Thema ist für sie deshalb ein „Herzensanliegen“, wie sie betont.

Solche Engelsgräber scheinen eine gute Lösung bei Fehl- und Stillgeburten – in Südtirol sind aber kaum vorhanden. Lediglich jene Gemeinden, die auch über ein Krankenhaus verfügen, haben Gemeinschaftsgrabanlagen für Sternenkinder angelegt, etwa in Bozen und Brixen.

Morandell setzt sich für eine stärkere Verbreitung von Engelsgräbern auf Friedhöfen ein: „Dieses Thema soll nicht länger verschwiegen werden, sondern es muss endlich offen ausgesprochen werden.“

Allerdings sind Fehlgeburten und Stillgeburten weiterhin Tabuthema. Viele Frauen leiden darunter, schämen sich gar dafür, und nur die wenigsten finden den Mut, offen darüber zu sprechen. Auch die Kirche bemühe sich darum, die betroffenen Eltern auf ihrem Trauerweg zu begleiten, betont Familienseelsorger Fiung. Dies schließe auch eine Bestattung, unabhängig von der Schwangerschaftswoche, mit ein: „Da wird kein Unterschied gemacht, ob es sich um einen erwachsenen Menschen oder um einen Fötus handelt. Die Familienangehörigen haben das Recht auf einen Ort, an dem sie trauern können. Das ist wichtig für die Trauerbewältigung und den Verarbeitungsprozess. Sich von seinem ungeborenen Kind, einer Hoffnung, zu verabschieden, braucht viel Kraft und Geduld.“

Umso wichtiger sei es daher, Eltern über diese Möglichkeit der Bestattung genügend aufzuklären.

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