Das Lazarus-Serum
Erstmals bei Tanz Bozen zu Gast, präsentiert das Balletto del Sud, eine der wegweisenden Kompanien der italienischen Tanz- und Performanceszene mit einem festen Ensemble aus zwanzig Tänzerinnen und Tänzern, am 18. Juli im Studio Theater zwei Originalwerke seines Gründers Fredy Franzutti: Wassily b3 und Lazarus-Effekt (Studio 21 Uhr, Ticket 22 €, Ermäßigungen 20 €/8 €/3 €).
Das breitgefächerte Œuvre des vielseitigen Choreografen Fredy Franzutti, dem Vater des 1995 in Lecce gegründeten und am dortigen Teatro Apollo beheimateten Balletto del Sud, erstreckt sich von Neuinterpretationen berühmter klassischer Ballette bis zu Neuschöpfungen anlässlich aktueller Themen und Ereignisse: vom Bauhaus (Wassily b3) bis zu Strawinsky (Straviolin), von einer Hommage an Fokine (Il cigno) bis zur Reminiszenz an Maria Callas (La Traviata.Maria Callas il mito).
Beim Festival stellt er zwei seiner jüngsten Arbeiten vor, die auf Klavierwerken von Alexander Nikolajewitsch Skrjabin (Préludes, Nocturnes und Walzer) und Camille Saint-Saëns (La danse macabre, ursprüngliche Version für Klavier)basieren und live vom Pianisten Scipione Sangiovanni begleitet werden. Der Titel Wassily b3 verweist auf den berühmten Wassily Sessel aus Leder und Metall (auch bekannt als Modell b3), ein Kultobjekt des Designs, der 1925 vonMarcel Breuer in der Blütezeit des Bauhauses entworfen wurde.
Der Name Wassily verdankt sich Kandinsky, dem Breuer sein Werk widmete, als ihm zu Ohren kam, dass der berühmte Maler das erste Exemplar für seine Wohnung zu kaufen wünschte. Franzuttis Wassily b3 ist eine kraftvolle Choreografie in zehn Bildern, in denen sich die Architektur- und Designvisionen des deutschen Rationalismus mit dem Lebensstil dieser künstlerischen Strömung des frühen 20. Jahrhunderts kreuzen. Rund um den ikonischen Sessel, der natürlich im Mittelpunkt der Bühne steht, verflechten sich die soziale Beziehungen auf Mikro- und Makroebene mit den Wundern der Moderne und der Ästhetik des surrealistischen Film zu einem eindrücklichen Erlebnis für die Sinne.
Der zweite Teil des Abends steht im Zeichen von Lazarus-Effekt, einem Stück, in dem Franzutti Register und Atmosphäre wechselt und seinen vielseitigen Tänzer:innen Raum gibt, ihr Können zu zeigen. Das Publikum wird in eine Art Leichenschauhaus entführt, wo die Körper junger Opfer mit einem „Lazarus-Serum“ behandelt werden, um sie wieder von den Toten aufzuerwecken.
Das auf Saint-Saëns̕ Dance macabre basierende und in seiner Bildsprache an Degas̕berühmtes Gemälde Das Ballett von Robert Diable (1871) erinnernde Stück ist eine atemberaubende Neuinterpretation der Experimente des amerikanischen Biologen Robert E. Cornish (1903-1963) mit einer Gruppe von Körpern – hier der gesamten Kompanie –, die in Franzuttis überbordenden und mitreißenden Bewegungen „wiederauferstehen“.
Unnötig zu erwähnen, dass diese Euphorie nur von kurzer Dauer sein wird.
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