„Es gibt keine Zensur“
Am Sonntag wurden im großen Rathaussaal in Telfs die 41. Tiroler Volksschauspiele eröffnet. Erfolgsautorin Monika Helfer antwortete auf die Einladung zur Festansprache mit sieben bewegenden Erzählminiaturen. Und Gregor Bloéb betonte in seiner Auftaktrede: „In Telfs gibt es keine Zensur.“
Trotz der hochsommerlichen Temperaturen fanden sich viele Theaterbegeisterte zur offiziellen Eröffnung der 41. Tiroler Volksschauspiele im großen Rathaussaal ein – unter anderem alle Ehrenbürger:innen der Marktgemeinde Telfs, was sowohl Bürgermeister Christian Härting als auch Landesrätin Cornelia Hagele staunend betonten.
Die sich dann weniger als klassischer Festakt denn als Matinée der vielen Geschichten präsentierte. Denn sowohl der neue künstlerische Leiter Gregor Bloéb wählte für seine Auftaktrede die klassische Erzählform als auch Festrednerin Monika Helfer.
Erzählerisch auch die musikalische Umrahmung der siebenköpfigen Sündencombo (bestehend aus Christian Deimbacher, Juliana Haider, Marc Hess, Frajo Köhle, Jakob Köhle, Isa Kurz und Anna Tausch), die sich extra für diesen Festakt formierte. In Analogie zur Entstehung des diesjährigen Hauptwerkes „7 Todsünden“ hatte jede:r Musiker:in ein Todsünden-Stück komponiert, das sie zwischen den Redebeiträgen gemeinsam darboten.
Gregor Bloéb erzählte in seiner Auftaktrede etwa vom Industriellen und Erzsozialisten, die Seite an Seite mit anderen Helfern („wir nennen sie Telfer“) an der Drehbühne bauten und schraubten und sich wechselseitig auf ihre Weise Respekt zollten. Der eine, indem er dem Sozialisten am 1. Mai Freundschaft wünschte, der andere, indem er zu jedem Termin pünktlichst erschien und dabei schon mal den künstlerischen Leiter einfach beim Reden stehen ließ.
Alle Geschichten, die Bloéb in seiner „Ansprache“ anreißt, stehen stellvertretend für seine Grundintention, die Menschen nach den Distanzjahren der Pandemie wieder zusammen zu bringen und die dabei entstandenen Wunden zu heilen, wie er auch kürzlich in einem Interview sagte. Dafür ließ er sich vom Architekturkollektiv columbosnext an der neuen Spielstätte am Birkenberg ein tonnenschweres Publikumsfoyer aus Laaser Marmor gestalten: „Marmor für alle“.
Bürgermeister Christian Härting freute sich über die spürbare Aufbruchstimmung und lobte zudem die hohe Qualität des Programms – „um es salopp zu sagen: Da geht was weiter im Laden“. Viele Menschen sagten ihm, es fühle sich wie ein Nach-Hause-Kommen der Tiroler Volksschauspiele an. Besonders schön sei, dass auch die Urmutter der Tiroler Volksschauspiele, Ruth Drexel, über den neu kreierten Theaterpreis nun wieder nach Telfs zurückkehre.
Landesrätin Cornelia Hagele, welche die 41. Auflage der Tiroler Volksschauspiele stellvertretend für Landeshauptmann Anton Mattle eröffnete, gestand angesichts des Programms klitzekleine Anflüge von Neid und Zorn ein, „weil ich mir nicht alles anschauen werde können.“ Und lud launig alle Anwesenden zur kulturellen Völlerei ein: „Lasst es uns genießen!“
Für die große Überraschung des Vormittags sorgte indes Autorin Monika Helfer: Sie hielt nämlich keine Festrede, sondern antwortete in ihrer ureigentlichen Sprache der Poesie, indem sie dem Publikum wie dem Festival sieben erzählerische Miniaturen über die sieben Todsünden schenkte. Von denen sie einleitend ganz lapidar meinte: „Ich spreche von uns“. Und so übertitelte sie ihre paradigmatisch entworfenen Menschenbilder schlichtweg mit „Wir Sünder.“
Bei uns gibt es keine Zensur“ – mit diesem mittlerweile legendären Satz von Altbürgermeister Helmut Kopp wurden einst die Tiroler Volksschauspiele in Telfs begründet. Das sei bis heute in die DNA der Volksschauspiele eingeschrieben, betonte Bloéb zum Abschluss seiner Rede. „Deshalb haben wir uns mit dem bekannten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel einen leidenschaftlichen Kämpfer für Meinungsfreiheit und Demokratie nach Telfs eingeladen.“
Yücel, der bereits zwischen 2017 und 2018 wegen angeblicher „Terrorpropaganda“ unschuldig in der Türkei im Gefängnis saß und gegen den erst kürzlich wieder ein Haftbefehl erlassen wurde, wird am Sonntag, 13. August, gemeinsam mit der Autorin Marlene Streeruwitz und dem bekannten Kulturjournalisten Heinz Sichrovsky am Birkenberg über die Freiheit der Kunst debattieren. „Denn in Telfs gibt es keine Zensur.“
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