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„Große Gefahr“

Herbert Dorfmann

Der SVP-Parlamentarier Herbert Dorfmann erklärt, welche Auswirkungen das Renaturierungsgesetz für Südtirols Landwirte und Gemeinden hat. Und warum das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

Tageszeitung: Herr Dorfmann, das EU-Parlament stimmte gegen den Willen der EVP für das Renaturierungsgesetz. Eine überraschende Abstimmungsniederlage?

Herbert Dorfmann: Nein, nicht überraschend. Es ist das eingetreten, was ich befürchtet hatte. Das passiert, wenn die eigenen Reihen nicht geschlossen sind. In der EVP gab es etwa 15 Abweichler, zum Beispiel die gesamte irische Delegation. Wenn sechs davon entsprechend der Vorgabe der Fraktion abgestimmt hätten, wäre das Ergebnis anders ausgefallen. Aber das ist Demokratie.

Warum haben Sie gegen das Renaturierungsgesetz gestimmt?

Wir haben 95 Prozent des Green Deals gemeinsam mit den Links-Kräften gestaltet. Bei dem Renaturierungsgesetz haben wir jedoch von Anfang an klargestellt, dass wir das nicht mitmachen, weil wir es de facto als eine Provokation seitens der EU-Kommission sehen und glauben, dass Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten und der Regionen, vor allem auch eindeutige Kompetenzen der Autonomen Provinz Südtirol, in Frage gestellt werden. Wenn der Vorschlag in seiner jetzigen Form umgesetzt wird, werden sich einige noch wundern – nicht heute, morgen oder übermorgen, sondern à la longue. Meiner Meinung nach ist hier das letzte Wort aber noch nicht gesprochen. Im Parlament wurde ein Großteil unserer Abänderungsanträge angenommen. Es müssen jetzt wieder Verhandlungen mit dem Rat aufgenommen werden. Viel hängt vom Ausgang der Wahlen in Spanien ab.

Beobachter erkennen in der Abstimmung auch eine Signalwirkung für die Parlamentswahlen im kommenden Jahr, weil sich neue Allianzen ergeben haben. Sehen Sie das auch so?

Nein, wir haben keine neuen Allianzen geschlossen. Dass wir hier gleich abgestimmt haben wie die Rechten, bedeutet nicht, dass wir jetzt zu Rechtsradikalen geworden sind. Die Links-Grünen, die jetzt die Wände hinauflaufen und uns als Verräter bezeichnen, müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir unsere Position von Beginn an klargemacht haben. Wir haben früh genug den Verhandlungstisch verlassen und gesagt: Wenn ihr das alleine machen wollt, dann macht es alleine! Dieses Haus sollte von Kooperationen leben. Das war hier leider nicht der Fall.

Welche Folgen könnte das neue Gesetz für Südtirol haben?

Das Gesetz nennt sich Naturwiederherstellungs-Gesetz, hat aber mit Natur und Umwelt nicht wirklich viel zu tun. Bei uns in Südtirol ist schon jetzt 80 Prozent des Landes Naturfläche, sprich Wälder, Steine und Felsen. Nur 15 Prozent ist Landwirtschaftsfläche. Daher trifft uns dieser Teil nur marginal. Was für uns aber sehr wohl ein Thema ist, ist der gesamte Landschaftsschutzbereich. Eine Rückkehr zum Landschaftsbild vor 50 Jahren würde bedeuten, dass wir das Unterland in Sumpf umwandeln und wieder Plent anbauen müssten. Wir kämpfen in Rom seit Jahren darum, die Kompetenzen für den Landschaftsschutz zu bekommen. Deshalb fände ich es auch absurd, wenn wir diese Kompetenzen jetzt Brüssel übertragen würden. Das Gesetz legt ein absolutes Verschlechterungs-Verbot fest, so wie wir es heute in den Natura-2000-Gebieten haben. Wenn wir jetzt über das ganze Land ein Verschlechterungs-Verbot ziehen und morgen eine Gemeinde eine kleine Fläche von Wald in Wiese umwandeln oder alte Weinbergflächen wiederherstellen will, könnte irgendeine Nichtregierungsorganisation klagen und den Gemeindebeschluss vor dem Europäischen Gerichtshof zu Fall bringen, weil er nicht dem Verschlechterungs-Verbot entspricht. Es kann also sein, dass die Gemeinde Klettersteige wieder abbauen oder Bauwerke abreißen muss. Das ist eine große Gefahr. Ich finde, dass ein Gemeinderat in Nals oder Feldthurns besser weiß, was für die Gemeinde das Richtige ist, als die Europäische Union.

Interview: Matthias Kofler

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (37)

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  • perikles

    Bei manchen Kompetenzen, auch beim Naturschutz, ists ganz gut, wenn die nicht in Bozen angesiedelt sind: da sind sie nämlich vom Einfluss durch Bauernbund, HGV usw. sicher.

  • heracleummantegazziani

    Populismus à la Dorfmann. Oberflächliche Darstellung zum Reihern. Wie schon bei Wolf und Bär. Das Naturwiederherstellungsgesetz oder „Nature Restoration Law“ verpflichtet alle EU-Mitgliedsstaaten, zerstörte Natur wieder in einen guten ökologischen Zustand zu bringen (also nicht in den Urzustand zurückzukehren, wie behauptet wird) und so den Bestand von Bestäubern, natürlichen Ressourcen, sauberer Luft und sauberem Wasser zu sichern. Angst, dass landwirtschaftliche Flächen verloren gehen muss aber niemand haben, denn die Renaturierung landwirtschaftlicher Flächen und die Wiedervernässung von Mooren wurden aus dem Gesetzesentwurf gänzlich gestrichen. Abgesehen von der Tatsache, dass Südtirol von vielen Maßnahmen gar nicht betroffen wäre, weil sie prozentuell sowieso schon umgesetzt sind bzw. Probleme, die zum Gesetz geführt haben hier gar nicht bestehen (etwa der Grünanteil in Städten).
    Zu Dorfmanns „Probleme a la longue“: Es stimmt NICHT, dass dem Gesetz keine gründliche Gesetzesfolgenabschätzung zu Grunde liegt. Sie umfasst sogar 700 Seiten.

    • treter

      Sehr fachlicher Kommentar gratuliere!

      Für mich persönlich ist dieses EU-Renaturierungsgesetz auf jeden Fall ein Meilenstein im Naturschutz. Will heißen dass somit auch der sehr stark bedrohte Brixner Auwald nicht nur unter Schutz gestellt werden muss, sondern gleichzeitig auch noch zu renaturieren bzw. wieder dafür zu sorgen ist, dass dieser erneut geflutet wird.
      Der Biodiversitätsexperte Martin Hilpold aus Lana hat im Salto-Portal schon vor Jahren eine gute Lösung dafür vorgeschlagen: Ein unterirdisches Rohr zum Eisack hin und welches bei Hochwasser geschlossen werden kann!
      Natürlich soll auch die Millander Au erweitert werden. Aber nicht als Ausgleichsmassnahme zur Rodung des Auwaldes in der Industriezone, sondern als eigenständiges Projekt mit Umweltgeldern des BBT und des Kraftwerks Hachl plus Mitteln aus dem PNRR Fond.

      Bleibt nur zu hoffen dass endlich auch die Umweltgruppe Eisacktal bzw. deren neuer Vorstand das einsieht und den sehr fragwürdigen „Deal“ mit dem Auwaldkäufer bzw. der Firma Progress endlich aufkündigt!
Fazit: man kann beides erreichen bzw. den Auwald erhalten und auch die Millander Au erweitern!
      NB. Der Auwald in der Brixner Industriezone, auch Habitat von 64 Vogelarten (darunter sogar 7 der Roten Liste), soll einem 3D-BETON-Drucker Gebäude der Firma Progress weichen.

      Fazit: In Zeiten des rasanten Klimawandels einen so wertvollen CO2 Speicher zu zerstören ist ein Umweltverbrechen ohnesgleichen!!!

  • pingoballino1955

    Dorfmann sie sind am falschen Platz. Lassen sie das Fehlinformieren,und bleiben sie bei den tatsächlichen FAKTEN!

  • opa1950

    Sie lesen das Wort zum Sonntag von Herbert Dorfmann.

  • brutus

    …bei manchen botoxgepflegten Gesichtern wäre ein Renaturierungsgesetz gar nicht so abwegig!

  • ich

    Populistisches Geschwätz.oder Gesetz nicht verstanden. Beides ungünstig wenn man glaubhaft sein möchte

  • rowa

    Wenn Dorfmann glaubt, dass im Unterland vor 50 Jahren noch Sumpf war und nur Mais angebaut wurde … dann zweifle ich stark an dem was er sonst noch verzapft …

  • gorgo

    Soso… Sumpf und Plent. Haha. Dorfmann rüttelt an alte Traumata.
    Die landwirtschaftliche Gesamtfläche beträgt laut Eurac in Südtirol im übrigen 62%, vermutlich ist da der Nutzwald dabei, für Anbau und Weidefläche wird 28% angegeben…
    Und unsere Intensivflächen sind für so enge Täler schon Hammer. Feld an Feld. Der Spritzaufwand deshalb enorm. Teuer auch. Der Wasserverbrauch zunehmend bedenklich.
    So zu tun als ob wir ein unberührtes Naturparadies sind, nur weil auf den Schrofen kein Anbau möglich ist und halt nur Touristen gemolken werden werden ist eher lächerlich, Dorfmann.
    Und ich glaube eben nicht, dass es irgendein Gemeinderat immer besser weiss. Und dass es die xte neue Wiese mit Kleeansaat braucht. Und die xte Straße zur x-ten Alm.
    Aber Dorfmanns Job ist es eben von weit weg unseren Bauern einzureden, dass sie immer Recht haben und alles tun dürfen sollten wie sie gern wollen. Das hört man doch gern.

    • rumer

      @gorgo
      und du bist der Oberchecker!
      Feld an Feld, deshalb Spritzaufwand enorm ???? Das hat mitsammen gar nichts zu tun.
      Im Grünlandbereich wird überhaupt nicht gespritzt, bei Getreide auch nicht. Der Wasserverbrauch ist nicht bedenklich, da wir genügend Wasser haben und keines aus dem Grundwasser beziehen.
      Welches Problem hast du mit Wiese und Kleeansaat?
      Geh mal zum Psychologen!

      • gorgo

        Natürlich ist der Pestizidaufwand in den Talflächen mit Monukulturen wesentlich intensiver als anderswo. Weil es rasant übergreift. Ist eben so. Keine Ahnung welche importierte Kleesaat du rauchst, dass du dort dazwischen wogendene Getreidefelder, Äcker und Grünland siehst… oder ist es die Spiegelung der Netze?
        Wie viel Wasser Äpfel saufen wirst du noch merken wenn es in den kommenden Jahren zum Problem wird.

  • criticus

    Als dieser Dorfmann den Berlusconi als Staatspräsident vorgeschlagen hat, ist er und der Weber bei mir unten durch! Wie kann man eine Person die Bunga-Bunga-Partys mit Minderjährigen veranstaltet und so viele Prozesse laufen hat, als Staatspräsident vorschlagen? Hängt Südtirols EU-Politiker doch am Faden der Forza Italia-Partei?

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