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„Trickser kommen durch“

Foto: LPA/Peter Daldos

Wer bestimmt über die Zulassung zur Matura: der Klassenrat oder das Verwaltungsgericht? Letzteres entschied im Fall einer Trienter Oberschülerin. Warum Bildungslandesrat Philipp Achammer diese Entscheidung problematisch findet.

von Sandra Fresenius

Die Matura-Prüfungen sind fast geschafft, doch in Trient muss eine Schülerin noch nachsitzen. Die Oberschülerin wurde nach negativer Bewertung in fünf Fächern vom Klassenrat nicht zur staatlichen Abschlussprüfung zugelassen. Nach einem Rekurs beim Verwaltungsgericht darf sie nun die Prüfungen nachholen. Die Begründung des Verwaltungsgerichts: der Schülerin wäre bei Nicht-Zulassung ein zu großer Schaden entstanden, denn sie hatte die Aufnahmeprüfung für ein Studium der Betriebswirtschaft an der Uni bereits bestanden.

In Südtirol hat es einen ähnlichen Fall im Jahr 2018 gegeben. Auch damals hat eine Schülerin vor dem Verwaltungsgericht rekurriert, weil sie nicht zur staatlichen Abschlussprüfung zugelassen worden war. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin mit einer Dringlichkeitsverfügung bewirkt, dass sie an den Prüfungen teilnehmen darf. „Es gibt scheinbar ein Staatsratsurteil, welches besagt, dass die Nicht-Zulassung revidiert wird, wenn jemand inzwischen zur Matura antritt und diese besteht. Die Nicht-Zulassung ist dann wirkungslos, weil man mit der bestandenen Matura gezeigt hätte, dass man imstande ist, die Leistung zu bringen“, erinnert sich Bildungslandesrat Philipp Achammer.

Im aktuellen Fall wird mit der Begründung der bereits vorliegenden Zulassung zur Universität das Pferd von hinten aufgezäumt, denn es ist immer noch so, dass die Matura Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Universitätsstudiums ist und nicht umgekehrt. Ob das wirklich sinnvoll ist, stellt Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner in Frage: „Wem bringt es am Ende etwas und tut es der Schülerin emotional gut, diese Prüfung jetzt zu absolvieren?“

Der Landesrat sieht diese Vorgehensweise ebenfalls in mehrfacher Hinsicht problematisch und betrachtet sie als Ausdruck des aktuellen Zeitgeistes. „Man glaubt, die Entscheidungen einer Institution, sei es die Schule oder das Land, mit rechtlichen Mitteln untergraben zu können“, zeigt sich der Bildungslandesrat irritiert. Oftmals werde allzu schnell die Schuld beim Lehrer gesucht, wenn eine negative Bewertung vorliegt. „Zum einen verlangt man von der Schule alles mögliche zu tun, gleichzeitig respektiert man die Entscheidungen und Bewertungen der Institution Schule nicht“, kritisiert der Landesrat „diese Bestell- und Abholmentalität“.

Zudem würde mit dieser Klagekultur die Chancengleichheit im Bildungssystem untergraben. „Wer vor Gericht ziehen kann und es sich leisten kann, hat die Chance, eine Entscheidung noch einmal zu revidieren. Das ist problematisch, denn es kostet, sich einen Anwalt zu nehmen, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen, usw. Das heißt, dass derjenige, der es sich leisten kann, eine Chance hat, trotzdem zur Matura zugelassen zu werden, und die anderen können es vergessen“, kritisiert Philipp Achammer.

So werde nicht nur die Autorität der Lehrer, sondern der ganzen Institution Schule in Frage gestellt. „Wenn eine Institution etwas entscheidet, akzeptiert man es einfach nicht, fechtet es rechtlich an und probiert es bis zum Schluss“, beobachtet der Bildungslandesrat ganz allgemein eine „ungute Klagekultur“. „Eltern wollen das Beste für ihr Kind und versuchen aus diesem Bestreben heraus, manchmal zu gut gemeint, ihm alle Steine aus dem Weg zu räumen. Ich halte das nicht immer für die beste Botschaft“, meint auch die Landesschuldirektorin.

Es ist das Recht eines jeden Bürgers, etwas zu hinterfragen und vor Gericht zu ziehen, sagt Achammer. Niemand sei unfehlbar und auch die Schule könne zu Fehlbeurteilungen gelangen, dennoch hält der Landesrat das grundsätzliche Misstrauen gegenüber der Institution für unangebracht. „Bei fünf negativen Bewertungen werden nicht alle fünf Lehrer daneben gewesen sein, sondern da wird es irgendwann systematisch und eine Frage des Prinzips, ob man trotzdem versucht, es sich zu erkämpfen oder nicht“, betont Philipp Achammer.

„Die Frage ist immer, was möchte ich signalisieren, welche Botschaft möchte ich transportieren: geht es um Recht, um Macht, will man zeigen: ich kann mir etwas erstreiten?“, meint Sigrun Falkensteiner. „Die Botschaft, „die Trickser oder die, die es sich leisten können, kommen immer durch“ ist fatal“, ergänzt Philpp Achammer.

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