Vom Acker bis ins Gasthaus
Mit der lokalen Landwirtschaft und Gastronomie erarbeitet Eurac Research Lösungen für eine regionale und ökologische Nahrungsmittelversorgung in Südtirol. Kürzlich wurde Zwischenbilanz gezogen.
Vom Acker bis ins Gasthaus: So könnte man das Ziel des Projekts NEST – die Gestaltung eines nachhaltigen Ernährungssystems in Südtirol – kurz zusammenfassen. Die vom Land Südtirol geförderte, von Eurac Research koordinierte und von IDM unterstützte Initiative will Wege aufzeigen, wie der gesamte Kreislauf der Erzeugnisse in Südtirol – von der Landwirtschaft über die Verarbeitung und Logistik bis in die Gastronomie – nachhaltiger gestaltet werden kann. Erste Zwischenergebnisse aus dem Projekt sowie Beispiele und Erfahrungen aus der lokalen Landwirtschaft und Gastronomie wurden am Eurac-Sitz in Bozen im Beisein von Landeshauptmann Arno Kompatscher sowie Landwirtschafts- und Tourismuslandesrat Arnold Schuler vorgestellt.
Bei „Nachhaltigkeit“ zählt weit mehr als nur der CO2-Fußabdruck
Aufgezeigt wurden sie unter anderem am Beispiel Speckknödel, der stellvertretend für regionale Südtiroler Kost steht. Aber woher kommt das Getreide, aus dem das Brot für den Knödel hergestellt wird? Und stammt der Speck von Südtiroler Schweinen? „Regional“ alleine bedeutet also nicht zwangsläufig auch „nachhaltiger“, erklärten Christian Hoffmann und Thomas Streifeneder, Regionalentwicklungsexperten von Eurac Research. Sie betonen, wie wichtig eine gesamtheitliche Sicht ist. „Ein Produkt aus Südtirol beispielsweise, das lange gekühlt gelagert wird, kann eine schlechtere Ökobilanz aufweisen als ein frisch geerntetes Produkt, das von weit her nach Südtirol transportiert wird. Die Nachhaltigkeit der Bilanz würde aber wiederum kippen, wenn Arbeitende in der Erzeugerregion nicht leistungsgerecht entlohnt werden“, sagte Streifeneder, Leiter des Instituts für Regionalentwicklung von Eurac Research. Will man die Nachhaltigkeit eines Ernährungssystems beurteilen, geht es also nicht nur um den CO2-Fußabdruck, sondern auch um andere ökologische, sowie um soziale und ökonomische Gesichtspunkte.
Erste Ergebnisse: Kaum Eigenversorung bei Getreide und Geflügelfleisch
Alle diese Faktoren beleuchtet das Forschungsteam deshalb im Projekt NEST für Südtirol. Eine wichtige Frage dabei: Wie weit ist Südtirol bei seiner eigenen Versorgung oder anders gefragt, welche Lebensmittel decken wir mit eigener Produktion in welchem Umfang bei einer ausgewogenen Ernährung ab? Denn auch das ist ein Kriterium für Nachhaltigkeit. Wie der erste Projektbericht nachzeichnet, ist besonders auffallend, wie wenig Getreide und Geflügelfleisch in Südtirol produziert wird: Die aktuelle Geflügelfleischproduktion deckt weniger als 0,5 Prozent des empfohlenen Bedarfs. Bei der Getreideproduktion werden weniger als zwei Prozent des Bedarfs gedeckt. „Angebaut wird Getreide in Südtirol auf einer Fläche von nur 221 Hektar. Dabei war Südtirol früher einmal ein bekanntes Anbaugebiet für Getreide“, berichtete Christian Hoffmann. „Potenzielle landwirtschaftliche Nutzflächen mit Neigungen unter 20 Prozent, die für den Getreideanbau geeignet wären, werden heute jedoch für Weide- und Grünlandflächen und in den Tallagen im Vinschgau, Etschtal und Unterland vor allem für den Obstanbau verwendet.“ Die dort auf 18.033 Hektar intensiv kultivierten Äpfel gehören zu den wichtigsten Exportprodukten Südtirols.
Praxisbeispiele: Zusammenarbeit Landwirtschaft-Gastronomie ausbaubar
„Setzt man als Gastronom vorwiegend auf regionale Küche, muss man manchmal Abstriche machen: Lokale Produkte sind nämlich in ihrer Vielfalt begrenzt und nicht jederzeit verfügbar“, berichtet Elmar Dorigoni vom Rösslwirt in Barbian. Er bringt seit einigen Jahren den Barbianer Hornochs auf den Teller – das Fleisch liefert ein junger Landwirt aus der Nachbarschaft. „Um eine abwechslungsreiche Kost anzubieten, habe ich lernen müssen, auch andere Teile des Ochsenfleisches zu verarbeiten. Den etwas höheren Preis für fair produzierte, regionale Produkte zahlen insbesondere einheimische Gäste gerne, weil auch sie sich mit diesen Lebensmitteln besser identifizieren können“, so Dorigoni.
Dass sich hinsichtlich der Kooperationen zwischen Landwirtschaft und Gastronomie auch in Zukunft noch viel zu tun sein wird, davon ist Gertraud Aschbacher von der Fachschule für Landwirtschaft in Dietenheim überzeugt. „Junge Menschen haben ein ganz neues Bewusstsein für nachhaltige Lebensmittel aus Südtirol. Häufig setzen die angehenden Landwirtinnen und Landwirte bereits während der Schulzeit ihre Ideen um und beliefern Gastronomiebetriebe mit selbst angebauten Gemüsesorten oder produzieren ihren eigenen Käse“, so die Direktorin der Fachschule.
Landeshauptmann Kompatscher: „Land will aufgrund der Studienergebnisse Partnerschaften unterstützten.“
Ausgangspunkt des Projekts NEST ist die Nachhaltigkeitsstrategie der Südtiroler Landesregierung. Darin wird eine krisenfeste Versorgung mit gesunden Lebensmitteln und eine nachhaltige und resiliente Landwirtschaft mit einer nachhaltigen Flächenbewirtschaftung zum Ziel erklärt. „Die Praxis zeigt, dass ein gut funktionierendes Netzwerk zwischen lokalen Lebensmittelproduzentinnen und -produzenten sowie Abnehmenden aus der Tourismusbranche zu einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten führt“, sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher im Rahmen der Projektvorstellung: „Daher ist es unser Anliegen, aufbauend auf die Ergebnisse entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um den Ausbau dieser Partnerschaften angemessen zu unterstützen.“
Nächste Schritte des Projekts
In den nächsten Schritten des Projekts führt Eurac Research Befragungen mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung und Logistik durch. Darauf aufbauend werden Lösungen und Handlungsempfehlungen dazu erarbeitet, wie eine nachhaltige Lieferkette in Südtirol umgesetzt werden kann.
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Kommentare (5)
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2xnachgedacht
zu schön um wahr zu werden…wenn man sich das *gesamte* leben im zentrum des universums (in diesem falle südtirolien)anschaut… fazit: bla bla bla.
rubhel
Wer kann sich das vorstellen.
Wir haben auch nicht die Gastro Facharbeiter die dies zubereiten und verarbeiten können.
Diese Zusammenkünfte erinnert mich an den:
Das perfekte Symbol unserer Zeit ist der Laubbläser.
Er verlagert ein Problem von einem Ort zum anderen ohne es zu lösen,
benötigt eine dafür eine Menge wertvolle Energie
und macht jede Menge Lärm.
sougeatsnet
Kann mir jemand erklären, was hier Nachhaltigkeit eigentlich bedeutet? ZB. ist es in der Schweinehaltung besser, wenn das Futter zu uns transportiert wird, oder nur das Fleisch?
tirolersepp
Warum wurde der kleine Milchhof in Groeden geschlossen, ja weil nur wenige einheimische Gastbetriebe die lokalen etwas teureren Produkte kauften !!!
summer1
Tirolersepp
Ihr Bauern nehmt euch selber an der Nase.
Ich beobachte seit Jahren bei meinen Nachbarn, dass mal diese und mal jene Futtermittelfirma das Kraftfutter liefert.
Und das alles nur wegen 3Cent Unterschied im Kilopreis?
Bauern sind einfach nur verschlagen: bei ihnen soll alles teuer gekauft werden, sie selber pfeifen auf Qualität und Regionalität wegen ein paar Euro.
Euer Spiel ist längst durchschaut: ihr selbst kauft die Milch und das Fleisch wegen ein paar Cent Unterschied beim Discounter!