„Die Lösung ist Kontrolle“

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Matteo Salvini möchte die Straßenverkehrsordnung verschärfen. Höhere Höchstgeschwindigkeiten und eine Alkohol-Wegfahrsperre stehen unter anderem im Raum. Wie der Verkehrspsychologe Max Dorfer die Reform-Vorschläge bewertet.
Tageszeitung: Herr Dorfer, Italiens Straßenverkehrsordnung gilt allgemein als strikt, nun möchte der Verkehrsminister Matteo Salvini diese einmal mehr verschärfen. Ist das der richtige Weg?
Max Dorfer: Ziel des Gesetzes ist es, in Italien eine andere Verkehrskultur aufzubauen, welche man mit einer Verschärfung durchsetzen möchte. Das Hauptproblem liegt jedoch woanders: In Apulien wollte ich beispielsweise kontrollieren, wie viele Menschen ohne Sicherheitsgurt unterwegs sind. Letzten Endes war es aber einfacher nachzuzählen, wie viele einen hatten. Das Ergebnis war, dass, obwohl die Polizei auf der Straße war, ungefähr 90 Prozent nicht angegurtet waren, was somit deutlich unterstreicht, dass niemand kontrollierte, ob die Verkehrsregeln eingehalten wurden.
Woran liegt das und welche Bereiche sollten vor allem kontrolliert werden?
Der Grund, warum nur wenige Kontrollen durchgeführt werden, liegt hauptsächlich am fehlenden Personal, jedoch tragen der politische Unwille und die fehlende Akzeptanz der Bevölkerung ihren Teil dazu bei. Kontrollen sollten vor allem in den Bereichen Alkohol, Drogen und Geschwindigkeit durchgeführt werden, was auch heute schon der Fall ist. Das Problem ist aber, dass vor allem Alkohol und Drogen als Hauptursachen für Unfälle vorgerückt werden, wohingegen die Geschwindigkeit als zweitrangig beiseitegeschoben wird. Dies ist aber nicht der Fall: Der Killer Nummer ist nach wie vor die Geschwindigkeit, wohingegen die durch Alkohol oder Drogen verursachten Unfälle schon lange rückläufig sind.
Trotzdem wurde vorgeschlagen, die Geschwindigkeitsbegrenzung auf bestimmten Autobahnen von 130 auf 150 Stundenkilometer zu erhöhen…
Eine Autobahn ist dann sicher, wenn alle Fahrzeuge eine ähnliche Geschwindigkeit aufweisen, was bei der Geschwindigkeitsbegrenzung von 150 Stundenkilometer nicht ausgeschlossen sein muss. In diesem Fall kommen zusätzlich nur Autobahnen, die gerade verlaufen und über drei bis vier Spuren verfügen, in Frage. Dennoch würde ich ein solches Gesetz nicht befürworten, da einerseits die europaweite Tendenz eine ganz andere ist. Viele EU-Länder versuchen gerade ihre Geschwindigkeitsbegrenzungen zu reduzieren. Unterstützt wird diese Tendenz dadurch, dass in den USA festgestellt wurde, dass auf Strecken, wo die Geschwindigkeit erhöht wurde, auch die Unfallrate angestiegen ist, wohingegen eine Reduzierung der Geschwindigkeit den gegenteiligen Effekt zur Folge hatte.
Was ist eine Alkohol-Wegfahrsperre?
Hierbei handelt es sich um ein Gerät, welches den Alkoholspiegel des Fahrers überprüfen soll, indem der Fahrer in das Mundstück des Geräts pustet, wodurch die Alkoholkonzentration der Atemluft überprüft wird. Liegt diese nicht über den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwert, kann der Fahrer das Auto starten. Ein ähnliches System gibt es auch in den USA. Mit dem Unterschied, dass die Messung des Alkoholspiegels durch die Haut erfolgt. Hierbei befinden sich die Sensoren, die zur Messung dienen, auf dem Lenkrad. Prinzipiell sind solche Geräte durchaus sinnvoll. In mehreren Ländern konnte aber beobachtet werden, dass wenn das Gerät ohne rehabilitative Maßnahmen verwendet wird, die betroffenen Autofahrer häufig rückfällig werden, wenn das Gerät wieder abgebaut wird. Dies bedeutet, dass dieses Gerät nur in Kombination mit rehabilitativen Maßnahmen oder Ähnlichem zielführend ist. Demnach ist auch hier eine Kontrolle vonnöten.
Salvini hat angekündigt, dass man sich in Zukunft auch mehr der Sensibilisierung in den Schulen widmen möchte. Könnte die Sensibilisierung die Kontrollen teilweise ersetzen?
Menschen für bestimmte Themen zu sensibilisieren, ist immer ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch ändern die Sensibilisierungskampagnen allein nicht das Verhalten eines Menschen. Auch sie müssen wieder von Kontrollen begleitet werden. Wenn dies nicht geschieht, lernt man, dass man sich auf der Straße verhalten kann, wie man will. Diese Denkweise wird auch nicht von Unfällen eingedämmt, da diese statistisch gesehen ein seltenes Ereignis sind, weshalb man keinen Zusammenhang zwischen dem eigenen Verhalten und dem Unfall erkennen kann. Wohingegen Kontrollen, die Menschen zeitnah auf ihr Fehlverhalten aufmerksam machen.
Wird in Südtirol besser kontrolliert?
Leider schneiden auch wir nicht gut ab. Vor einigen Jahren führte der Professor Roland Lafogler von der Gewerbeoberschule Max Valier in Bozen eine Studie durch. Hierbei wurde überprüft, wie viele Autos anhalten, wenn Schüler die Straße überqueren. In 40 bis 70 Prozent der Fälle haben die Autos nicht angehalten. Mit strengeren Gesetzen kann man also nichts erreichen, wenn es keine Kontrollen gibt. Ein amerikanische Verkehrsforscher erklärte das Verhalten der Verkehrsteilnehmer damit, dass die meisten Entscheidungen aufgrund von Meinungen, Intuitionen und Traditionen getroffen werden. Ohne sich die Frage zu stellen, ob sie wirksam sind oder nicht. Ein solche Handlungsweise wäre im Gesundheitswesen unmöglich. Im Straßenverkehr, wo es nicht weniger um die öffentliche Gesundheit geht, wird es hingegen akzeptiert.
Interview: Stefanie Putzer
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