Abgelehnte Exhumierung
Der Fall Evi Rauter bleibt mysteriös. Wie die Angehörigen weiter versuchen, nach über 30 Jahren Licht ins Dunkel zu bringen. Und warum inzwischen auch amtlich feststeht, dass es sich beim erhängt aufgefundenen „Mädchen von Portbou“ um die vermisste Lananerin handelt.
von Karin Gamper
Was geschah mit Evi Rauter am 4. September 1990 im spanischen Portbou? Das ist weiterhin unklar, obwohl die Angehörigen nichts unversucht lassen, um Gewissheit zu erlangen. Doch der Weg ist steinig. So hat das Gericht in Figueres erst vor wenigen Tagen den Antrag der Familie auf Exhumierung des einbalsamierten Leichnams der jungen Frau abgelehnt. „Eine Begründung dafür wurde nicht genannt, es hieß lediglich, dass es nicht in die Zuständigkeit des Richters falle“, sagt Evi Rauters Schwester Christine.
Die Hintergründe des Verschwindens der jungen Lananerin waren von Anfang an mysteriös.
Die damals 19-Jährige verschwand am Morgen des 3. September 1990 aus der Studentenwohnung ihrer Schwester Christine in Florenz. Auf einem Zettel hatte sie geschrieben, sie wolle nach Siena fahren und sei bis zum Abend wieder zurück. Nur 24 Stunden später wurde eine junge Frau erhängt an einer Pinie an der spanisch-französischen Grenze aufgefunden.
Eine Verbindung zwischen dem erhängten Mädchen von Portbou und der vermissten Lananerin konnte erst nach 32 Jahren hergestellt werden, und das auch nur dank eines Zufalls und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von hartnäckigen Journalisten. Eine in Österreich weilende Südtirolerin verfolgte am 23. April 2022 die ATV-Sendung „Ungelöst – Cold Case Austria“. Die Frau war sich sofort sicher: Das ist Evi Rauter.
Auf den Fotos, die 1990 vom Leichnam gemacht wurden, erkannte auch die Familie Evi Rauter wieder. Nach über drei Jahrzehnten hatten Vater Hermann, Mutter Karoline und Schwester Christine somit endlich Gewissheit, was aus Evi geworden war. Die offizielle Bestätigung kam im November 2022. Christine Rauter: „Das Gericht hat einen digitalen Gesichtsabgleich der Fotos angeordnet, es gibt somit ein wissenschaftliches Attest, dass es sich bei der Toten um meine Schwester handelt”.
Doch aus dem Vermisstenfall wurde ein Krimi. Spanische Journalisten und die Angehörigen stießen auf mehrere ermittlungstechnische Kuriositäten. So gingen die spanischen Ermittler im September 1990 von einem Suizid aus, ohne die näheren Umstände genauer zu durchleuchten. Es wurde auch keine Autopsie am Leichnam vorgenommen. Möglichkeiten eines DNA-Vergleichs gab es damals noch nicht. Die unbekannte Tote wurde einbalsamiert und zehn Jahre lang in ein Nischengrab am Friedhof von Figueres gelegt. Obwohl der Leichnam noch beschlagnahmt war, wurde er 2001 von zwei Friedhofsmitarbeitern in ein Massengrab des Friedhofs verlegt. Warum und auf wessen Anweisung ist unbekannt. Die beiden Männer sind inzwischen verstorben. Dies alles geschah zwei Monate, bevor die Guardia Civil ihm Rahmen des EU-Projekts Phoenix die Erlaubnis erhalten hatte, eine DNA-Probe von der unbekannten Toten zu nehmen. Doch da war der Körper schon aus der Nische entfernt worden.
Die Angehörigen von Evi Rauter hatten von Anfang an erhebliche Zweifel an der Suizidthese. Untermauert wurde dies durch mehrere Ungereimtheiten. So fanden sich beispielsweise an den Füßen der Toten keine Dornen, obwohl die Pinie, an der sie sich erhängt hatte, von Kaktusfeigen umgeben ist. War es also in Wirklichkeit ein Mord?
Die Familie ist enttäuscht über abgelehnte Exhumierung der Leiche. „Es wäre möglich gewesen zu überprüfen, ob meine Schwester auch tatsächlich im Massengrab liegt und nachträglich feststellen zu lassen, wie sie gestorben ist“.
In Spanien verjährt Mord nach 30 Jahren. Nicht so in Italien. Hier wurden die Staatsanwaltschaften von Bozen und Florenz aktiv, um das Geschehene von damals zu durchleuchten. Mittlerweile ermittelt kompetenzmäßig nur noch Florenz. Die Staatsanwaltschaft wird auch darüber befinden, ob sechs damals junge Männer aus Österreich angehört werden, die in der Nacht auf den 4. September 1990 in rund 50 Metern Entfernung von Evi Rauters Fundort am Strand in einem Zelt übernachteten.
„Wir werden über die Fortschritte der Ermittlungen nicht informiert“, sagt Christine Rauter, die jedoch große Erwartungen in die Untersuchung des Falls setzt. Sie hofft nun, dass die Staatsanwaltschaft direkt die Exhumierung des Leichnams beantragen wird.
In Spanien ist die unbekannte Tote von Portbou seit 33 Jahren ein intensiv verfolgtes Thema. Viele Journalisten und Autoren haben sich des Falls angenommen, es wurden Bücher geschrieben und Dokus gedreht. Der Auffindungsort der jungen Frau aus Lana wurde zur Pilgerstätte für Menschen. So groß war der Andrang (und dessen negative Begleiterscheinungen), dass der Bürgermeister der Stadt die Errichtung einer offiziellen Gedenkstätte ablehnte.
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