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„Ein komplexes Problem“ 

Foto: lpa

Weil sich Radfahrer geweigert hatten auszusteigen, wurde kürzlich ein Zug in Bozen kurzerhand gecancelt. Solche Konflikte zwischen Bahnpersonal und Fahrgästen häufen sich. Welche Lösungen angepeilt werden.

von Erna Egger 

„Das Problem ist komplex“, nimmt Roger Hopfinger, Direktor der Regionalabteilung Trentino-Südtirol von Trenitalia, vorweg. Ein Problem, das für viel Ärger bei den Nutzern der öffentlichen Verkehrsmittel und immer öfters auch für Streit in den Zügen sorgt. Kürzlich wurde wegen eines derartigen Konflikts ein Zug, der Richtung Brenner unterwegs war, kurzerhand gestrichen.

Was war passiert?

Der Regionalexpresszug von Trenitalia war von Verona Richtung Brenner unterwegs: Bei den Haltestellen entlang der Strecke stiegen Urlauber mit ihren Fahrrädern zu – obwohl die Stellplätze im Zug bereits besetzt waren. Das Personal im Zug forderte die Passagiere auf, wieder auszusteigen. Diese weigerten sich jedoch, zumal sie ja für ihre Räder eigens das Ticket gelöst hatten.

Die Zugbegleiter griffen schließlich zu einer radikalen Maßnahme: Der Zug, der um 16.00 Uhr in Brixen ankommen hätte sollen, wurde aus Sicherheitsgründen gestrichen und fuhr ab Bozen nicht mehr weiter. „Es stimmt, dass ein Zug wegen des großen Andrangs an Radfahrern gestrichen wurde“, bestätigt Hopfinger. „Aus Sicherheitsgründen dürfen nicht mehr Räder als erlaubt transportiert werden. Man darf keine Ausnahme machen, obwohl dies beschränkt doch manchmal getan wird.“

Von der Streichung des Zuges waren nicht nur die sturen Radfahrer, sondern auch alle weiteren Fahrgäste betroffen – sie mussten auf die nächste Verbindung ins Eisack- und Wipptal warten, was zu weiterer Aufregung führte.

Diskussionen im Zug mit den Radtouristen sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Je nach Zug stehen in den Waggons zwischen fünf bis 20 Plätze für Räder zur Verfügung.

Sind diese bereits besetzt, dürfen keine weiteren Vehikel mehr aufgeladen werden, die Radfahrer müssen auf den nächsten Zug warten. „Aber die Leute glauben, dass sie – wenn sie eine Fahrkarte für das Rad gekauft haben – ein Anrecht haben, einzusteigen. Dem ist aber nicht so und darauf wird auch auf den Internetseiten verwiesen“, betont Hopfinger.

Ein Zug mit zu vielen Rädern darf aus Sicherheitsgründen nicht starten. „Es ist nämlich auch schon passiert, dass sich Gäste mit den Rädern verletzt haben. Und es gilt zu bedenken: Wenn im Zug etwas passiert, dann würde mit den Rädern der Fluchtweg versperrt. Dies wird von den Fahrgästen nicht bedacht“, so der Direktor.

Effektiv: Viele Radfahrer haben für den Platzmangel kein Verständnis und beharren auf die Mitfahrt. „Und seit der Pandemie sind die Fahrgäste nervöser und ungeduldiger geworden und einige werden auch aggressiv“, stellt Hopfinger fest.

Die Konzessionäre suchen nach Lösungen, um das Problem in den Griff zu bekommen. „Seit Jahren plädieren wir für die Einführung eines einheitlichen Vormerksystems, die unmittelbare Umsetzung ist aber aus verschiedenen Gründen nicht möglich: weil verschiedene Firmen auf der Achse zirkulieren und weil in den Zügen eine unterschiedliche Anzahl an Plätzen bereitsteht. Das Vormerksystem wäre aber die einzige Lösung, um einen Platz garantiert zu bekommen. Und hierzu müssen alle an einem Strang ziehen, denn dieses Problem wird sich weiter zuspitzen“, ist Hopfinger überzeugt.

Dies belegen auch die Daten: Die Anzahl der Berufspendler in den Zügen hat leicht abgenommen, die Zahl der Freizeitfahrer hingegen beträchtlich zugenommen.

Hopfinger ist sich aber auch sicher: „Auch mit Vormerksystem wird es zu Diskussionen kommen: Denn auch wenn wir in jedem Zug 60 Stellplätze bereitstellen würden, wären diese an schönen Tagen nicht ausreichend. Und es wird immer Radfahrer geben, die die Plätze nicht vormerken.“

Trenitalia peilt heuer eine Zwischenlösung an: „Beginnend mit Mitte Juni werden alle Regionalexpresszüge mit einem zusätzlichen Waggon ausgestattet“, schildert Hopfinger.

Bereits vor Jahren wurde selbiger Versuch umgesetzt – zwei Postwaggons wurden umgerüstet. Damals funktionierte das System jedoch nicht, weil die hohen Waggons für das Einsteigen mit den Rädern nicht tauglich waren. „Dadurch benötigten die Fahrgäste mehr Mühe und Zeit beim Zusteigen, was eine spätere Abfahrt und somit Zugverspätungen zur Folge hatte. Infolge verpassten die Passagiere die Anschlussverbindungen, was wiederum für Ärger sorgte“, schildert Hopfinger.

Heuer sollen aber andere Zusatzwaggons eingesetzt werden.

In zwei Jahren kommen dann auf der Hauptachse die Rock-Züge zum Einsatz. „Diese werden mehr Transportkapazitäten haben“, verspricht Hopfinger.

Unabdingbar bleibt für ihn aber die Umsetzung des obligatorischen Vormerksystems. „Denn der Andrang ist zu hoch“, so Hopfinger.

Dieser Meinung ist man auch in der STA – Südtiroler Transportstrukturen AG. „Die Lösung für dieses Problem ist die Digitalisierung. Mit der Neuvergabe der Züge im Jahr 2025 werden wir ein Reservierungssystem einführen“, sagt der Generaldirektor Joachim Dejaco.

Der Konzessionär SAD hat mit dem Land auf einem Streckenabschnitt indes eine andere Lösung umgesetzt: Zwischen Meran und Mals wurde ein Fahrrad-Transport-Dienst eingeführt. Während die Personen mit dem Zug fahren, werden die Räder separat transportiert. Die Fahrräder können 30 Minuten vor Abfahrt des Shuttlediensts am Bahnhof Meran abgegeben werden, Abholmöglichkeit bestehen bei den Bahnhöfen Naturns, Latsch, Schlanders, Spondinig oder Mals. Die Kosten für den Fahrrad-Shuttledienst entsprechen jenen für den Radtransport auf öffentlichen Verkehrsmitteln.

Und noch eine Vorkehrung trifft die SAD: Alljährlich im Sommer werden die Züge umgerüstet: „Einige Sitzgelegenheiten werden entfernt, um für die Räder mehr Platz zu schaffen“, sagt SAD-Bahndirektor Maurizio Chiusa.

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