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„Brauchen faire Bezahlung“

Foto: lpa/Corrent

Mitarbeiter aus den Sozial- und Gesundheitsberufen gehen bevorzugt nach Österreich und die Schweiz. Was wird dort anders oder besser gemacht als in Südtirol?

von Sandra Fresenius

Innerhalb eines Jahres ist es in Österreich gelungen, eine Pflegereform mit 20 Maßnahmen und einem Budget von einer Milliarde Euro umzusetzen. „Das war ein erfolgreicher erster Schritt, um die Situation der Beschäftigten, der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen zu verbessern. Wir arbeiten mit Hochdruck an den nächsten Schritten“, äußerte sich Sozialminister Johannes Rauch zufrieden und mit Blick in die Zukunft, denn das Ziel ist eine nachhaltige Gehaltslösung für Pflegebedienstete. Darüber hinaus soll es für Auszubildende bzw. Praktikanten 600 Euro pro Monat geben.

Ende November 2021 wurde in der Schweiz die Initiative „Für eine starke Pflege“ von sämtlichen Kantonen sowie von Volk und Ständen mit 61 Prozent deutlich angenommen. Daraufhin wurde ein Verfassungsartikel für die Verbesserung der Situation in den Pflegeberufen geschaffen. Das Parlament hat nun vier Jahre Zeit, um für die Umsetzung der Initiative einen Gesetzesartikel zu erlassen.

Während in den Nachbarländern die Grundlagen für Reformen gelegt wurden, gibt es in Südtirol nach wie vor zu wenig Geld für Mitarbeiter in der Pflege, heißt es von Seiten des Landesverbandes der Sozialberufe. Das sei auch der Grund, weshalb Mitarbeiter aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich nach Österreich oder in die Schweiz gehen. Doch wie ist die Situation in Südtirol?

In den Südtiroler Sozialdiensten sind derzeit 8.915 Mitarbeiter in insgesamt 568 sozialen Diensten und Einrichtungen für etwa 15.000 pflegebedürftige Menschen im Einsatz. 245,4 Millionen Euro wurden für die Pflege dieser Personen bereitgestellt, etwa 123 Millionen davon gingen an Pflegebedürftige, die zu Hause betreut wurden.

„Obwohl die Sozial- und Gesundheitsberufe zukunftsorientiert sind, fehlen an allen Ecken und Enden Mitarbeiter, die diese gesellschaftlich notwendigen Dienstleistungen erbringen, die eine unverzichtbare Voraussetzung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstellen und vielen Menschen erst die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen“, erklärt die Geschäftsführerin des Landesverbandes der Sozialberufe Marta von Wohlgemuth.

Insgesamt hat die Südtiroler Landesregierung mit der Haushaltsänderung 2022 für einen Zeitraum von drei Jahren 50 Millionen Euro für die Sozialberufe zur Verfügung gestellt. Die verschiedenen Zulagen wurden dabei sehr unterschiedlich verteilt, um die Sozialberufe in zwei Kategorien einzuteilen: diejenigen, die in Seniorenwohnheimen arbeiten und diejenigen, die in teilstationären und ambulanten Einrichtungen tätig sind. „Der Landeshauptmann hat überdies verbindliche Zusagen über die Verhandlungen hinsichtlich der Einstufungen und Funktionsebenen der Sozialberufe mit Fach- bzw. Berufsausbildung gegeben, welche jedoch, wie bei den derzeitigen Vertragsverhandlungen offensichtlich, nicht eingehalten werden“, kritisiert Marta von Wohlgemuth.

Stattdessen wurden durch das Abkommen zwischen Land, Verband der Seniorenwohnheime und dem Bildungshaus Lichtenburg eine rechtliche Grundlage für einen neuen Ausbildungslehrgang geschaffen, der es nun auch Privatleuten ermöglicht, die Prüfung an den beiden Landesfachschulen für Sozialberufe abzulegen. Zugleich wurde damit eine neue Kategorie von Pflegehelfern und Sozialbetreuern bzw. eine weitere Abspaltung geschaffen.

Die „Europäische Strategie für Pflege und Betreuung“, welche die Europäische Kommission im September 2022 veröffentlichte, hat verschiedene Ziele festgesetzt: hochwertige, bezahlbare und leicht zugängliche Pflege- und Betreuungsdienste, bessere Arbeitsbedingungen bei Betreuungs- und Pflegediensten, bessere Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben. Diese Zielsetzungen gelten natürlich auch für Südtirol. „Sozialberufe brauchen Rahmenbedingungen, die ihrer wichtigen Bedeutung für den Zusammenhalt in der Gesellschaft gerecht werden. Nur so werden auch weiterhin kompetente Menschen einen solchen Beruf ergreifen. Darüber hinaus ist eine entsprechende Bezahlung unerlässlich“, erläutert die Geschäftsführerin des LVS und fordert für Südtirol ein Landesgesetz nach oberösterreichischem Vorbild. Dort nämlich regelt das Sozialberufegesetz die Ausbildung, das Berufsbild und die Tätigkeit der Angehörigen der Sozialberufe. Dieses ermöglicht eine fachgerechte und an den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtete Berufsausübung, um die Lebenswelt von pflegebedürftigen Menschen sicherzustellen.

Außerdem bedarf es finanzieller Anreize, um die Ausbildung in einem Sozialberuf attraktiver zu gestalten. So sollte in Zukunft für die notwendigen Praktika dieser Berufe statt eines Taschengeldes eine faire Entlohnung von wenigstens 600 Euro pro Monat fest vorgesehen sein.

„Betreuung und Pflege müssen auch in Südtirol umfassend gedacht werden, denn durch den demographischen Wandel befindet sich das ganze System in einer Transformationsphase“, weiß die Geschäftsführerin des Landesverbandes der Sozialberufe. Der Bedarf an Pflegeleistungen wird folglich weiterhin steigen, während aber immer weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt nachrücken. Da wären isolierte Initiativen, die von Einzelinteressen der Verbände und Organisationen gekennzeichnet sind, wenig hilfreich, so die Meinung von der Verbandsführung.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (16)

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  • pingoballino1955

    Für die verschlafenen Verantwortlichen: es ist höchste Zeit zu handeln das blablabla und Nichtstun ist für das kranke System nicht mehr tragbar!

  • gorgo

    Was verdient jemand in der Pflege eigentlich? Die Differenz zu Österreich und Schweiz muss wohl enorm sein, ansonsten verlegt wohl kaum jemand seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland.
    Ob mit mehr Gehalt der demografische Wandel abgefedert werden kann ist fraglich.

    • kitt

      Wenn nur ein ausbildungsort ist, von prettau nach nals, wer nimmt diese reise jedes monat auf sich. Heim bezahlen, 12 euro essen. Das kann sich keine schülerin leisten und wenn reiche eltern sind dann wird sie eh nicht pflegerin

      • gorgo

        Die Ausbildung, bzw. der Kurs Pflegehilfe ist doch berufsbegleitend? Ohne Anstellung in einer Trägerschaft gar nicht möglich. Also ist man in dieser Zeit bezahlt und versichert, oder nicht?

  • andreas

    Nachdem man den Artikel gelesen hat, ist man gleich schlau wie vorher, außer halt, dass das Gras des Nachbarn immer grüner ist, das war es aber immer.

    • 2xnachgedacht

      @andreas
      da bin ich x ihrer anschauung… entweder werden zahlen in mio… auf den tisch geknallt, oder bezüge in €…. von denen niemand weiß ob brutto o netto… und nachdem die abzüge nicht in jeder sparte gleich sind, wäre eine nettosumme für jeden*e einfach lesbar.

      • andreas

        Die Löhne in Altersheimen für Pflegekräfte sind, laut der Aussage einer Bekannten, bei ca. 1.200-1.300 Euro, was effektiv viel zu niedrig ist/wäre. Wobei ich mir bei solchen Aussagen nie sicher bin, ob sie stimmen, da manche oft nach unten oder oben übertreiben.

  • hallihallo

    tja da spielt halt die zweisprachigkeit eine große rolle. während die südtiroler ohne probleme in der schweiz oder österreich arbeiten können, dürfen die österreicher und schweizer , aber auch die italiener nicht in südtirol arbeiten.
    was vor 30 jahren sinn gemacht hat, ist jetzt zu überdenken. denn während die südtiroler nach österreich abwandern, verlangen sie , daß auf ihre oma eine deutschsprachige heimpflegerin schaut und das gesetz verlangt eine zweisprachige.

  • seta

    Es sind tatsächlich nicht nur die (vergleichsweise niedrigen) Löhne. Wenn sogar die Bügelfrau im Seniorenheim nur mit Zweisprachigkeitsnachweis arbeiten darf, dann fragt man sich schon so langsam, wo der Hund begraben ist…

  • backofen

    alls erster verdienen die vor gesetzten viel zu viel und die pfleger müssen den ganzen tag für zwei pfleger arbeiten dann bekommen nur diese die leistungprämie die in den arsch kriechen und haben noch narrenfreiheit und die vorgesetzten selber haben eine leistungprämie von 7000 euro das ist eine schande

  • gerhard

    Mein Freund arbeitet als Notfallsanitäter in Bern in der Schweiz.
    Verdient dort ca. 7.000 Euro brutto. Bleiben Ihm 5.000 Euro netto und damit nicht ganz doppelt so viel wie in Deutschland.(netto 3.000 Euro).
    Aber auch die Lebenshaltungskosten sind dramatisch höher.
    Unterm Strich hat er etwa 1.000 Euro mehr im Monat.
    Ist aber weg von der Heimat und (nicht selten) der ungeliebte Ausländer.
    Muss jeder selber wissen , was er macht.

    Unsere Generalblindgänger in der Regierung, die Minister Heil und Bärbock sind heute in Brasilien, um dort Arbeitskräfte für den Pflegeberuf zu werben.

    Ich denke, würde man den Pflegeberuf in Deutschland und Europa finanziell attraktiver gestalten, dann müssten diese Vollpfosten nicht nach Brasilien reisen.

    Senioren in Deutschland heuern eine Pflegekraft aus Polen an, die 24 Stunden, rund um die Uhr im eigenen Haus wohnt, ständig verfügbar ist und in etwa 2.500 Euro kostet.
    Im Seniorenheim geht unter 4.500 Euro gar nichts mehr.

    • andreas

      Den Unterschied zwischen Notfallsanitäter und Pflegekraft kennst du?
      Nebenbei sind die Verhältnisse in Deutschland teilweise noch schlechter, da viele Pflegekräfte keine Festanstellung mehr haben und stundenweise arbeiten.
      Dadurch verdienen sie mehr und können sich die bevorzugten Turnusse aussuchen, ein Affront dem Stammpersonal gegenüber.
      Ein äußerst unsolidarisches Verhalten und die Selbständigen werden immer mehr.

  • tirolersepp

    40 Stunden pro Woche ergibt 2000 Euro netto pro Monat – alles darunter ist ein Hungerlohn !!!

    Sofort kündigen wenn der Lohn nicht passt !!!

    Jobs gibt’s es wie Sand am Meer

  • gerhard

    Und wie wärs, wenn der Staat bei Niedriglöhnen bis, sagen wir mal, 2.500 Euro gänzlich auf Steuern verzichten würde und die Arbeitgeber die Sozialabgaben komplett übernehmen müssten?
    Dann wäre der komplette Pflegeberuf von heute auf Morgen drastisch interessanter.
    Und keinem täte es wirklich weh.
    23 Prozent der gesamten Einkommensteuer Italiens werden eh von EINEM Prozent (den Superreichen) bezahlt.

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