Du befindest dich hier: Home » News » „Wirst wohl nit an Arsch putzn gian“ 

„Wirst wohl nit an Arsch putzn gian“ 

Foto: 123RF.com

Der Fall einer Rentnerin, die eine 11.000 Euro teure Hüft-OP aus eigener Tasche hat bezahlen müssen, belegt, dass es in Südtirol die Zweiklassenmedizin längst gibt.

von Artur Oberhofer

Der Fall spielt in einer Gemeinde im Westen des Landes. Und er belegt, dass es in Südtirol – allen Beteuerungen der Sanitätsverantwortlichen zum Trotz – sehr wohl eine Zweiklassenmedizin gibt.

Der Bekannte einer älteren Frau, deren Geschichte hier erzählt wird, sagt:

Dass aber immer mehr auch nicht betuchte Bürger und Bürgerinnen in Südtirol sich an private Institute wenden müssen und dann die Untersuchung oder den Eingriff aus der eigenen Tasche bezahlen müssen, ist leider fast zur Normalität geworden und so nicht länger hinnehmbar.

Im konkreten Fall geht es um eine Frau, Mitte 70.

Die Rentnerin (nicht reich!) verspürt im Jänner 2022 starke Schmerzen in der Hüfte.

Bei der ärztlichen Visite wird ihr eine starke Hüftgelenksarthrose diagnostiziert und eine baldige Hüftgelenks-Op empfohlen.

So weit, so gut.

Der Seniorin wird ein Termin im Juni 2022 in Aussicht gestellt. Doch der Termin wird in der Folge abgesagt und ein neuer Termin für September vergeben.

Die Frau sollte demnach in einer privaten Klinik unters Messer kommen, die mit dem Sanitätsbetrieb konventioniert ist.

Kurz vor dem geplanten Eingriff bekommt die betroffene Rentnerin die Mitteilung von der Privatklinik, dass der Termin auf unbestimmte Zeit verschoben werden müsse.

Der Grund: Das der Privatklinik vom Land zugewiesene Budget für die konventionierten Eingriffe sei bereits aufgebraucht.

Sorry.

Da auch in den anderen privaten Strukturen und in den öffentlichen Krankenhäusern kein baldiger Termin zu erhalten ist, ihre Schmerzen jedoch zunehmen und sie kaum mehr gehen kann, beschließt die Rentnerin, den Eingriff in jener privaten Klinik zu machen, die ihre konventionierten Eingriffe für das Jahr 2022 bereits im September aufgebraucht hatte.

Und siehe da: Bereits eine Woche später erhält die Rentnerin einen neuen (privaten!) Termin und kann im Oktober den Eingriff an der Hüfte machen lassen.

Kostenpunkt: 11.000 Euro.

Der gute Bekannte der Rentnerin sagt gegenüber der TAGESZEITUNG:„11.000 Euro sind für eine Rentnerin aus der unteren Mittelschicht sicherlich nicht wenig. Es kann doch nicht sein, dass Menschen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben und dann eine kleine Rente beziehen, im reichen Südtirol keine sichere Gesundheitsversorgung und -betreuung erhalten.“

Der Fall der Rentnerin, so weiß der Mann, der selbst im Sanitätsbetrieb Südtirol beschäftigt ist, sei kein Einzelfall.

Der Angehörige der betroffenen Frau sagt:

Die wirksamste Maßnahme wäre sicherlich eine deutlich stärkere Einbeziehung der privaten Kliniken durch Erhöhung der Vergabe von konventionierten Leistungen denn wie der geschilderte Fall beweist, sind in den privaten Strukturen die Kapazitäten durchaus vorhanden.

Die stärkere Einbeziehung der privaten Sanitätsinstitute sei zur Zeit sicherlich die effektivste Methode zur Verbesserung der Sanität für die Südtiroler Bevölkerung, und zur Reduzierung der langen Wartezeiten, meint der Mann, der – wie gesagt – selbst in leitender Stellung im Sanitätsdienst tätig ist und deshalb nicht möchte, dass sein Name genannt wird.

Das Hauptproblem in den öffentlichen Krankenhäusern sei sicherlich der Personalmangel, der zur Zeit kaum zu bewältigen sei. Zu diesem akuten Personalmangel sei es nicht nur aus demographischen Gründen, gekommen,der Personalmangel sei vielfach auch in der sozio-kulturellen Wertstellung in unserer Gesellschaft begründet. So ganz nach dem Motto: „Wirst wohl nit an Arsch putzn gian.“

Zu einem geringen Teil der der Personalmangel aber auch intern, sprich: hausgemacht.

Nur ein Beispiel: An der Radiologie eines Südtiroler Spitals versehen zwei Röntgentechniker zugleich den Nachtdienst –  obwohl kaum Arbeit für einen Röntgentechniker ist. „Die Situation könnte also durch eine bessere Koordinierung und Einsatzplanung des Personals verbessert werden“, sagt der Informant.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (31)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.

2025 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen