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Schluss mit lustig

Angesichts des akuten Arbeitermangels geht das Land jetzt hart gegen Arbeitsmuffel vor: Wer ein Jobangebot unbegründet ablehnt, verliert das Arbeitslosengeld.

von Matthias Kofler

Philipp Achammer betont, dass es ihm nicht darum gehe, Wahlpropaganda zu betreiben. Die Problematik sei zu ernst, um damit auf Stimmenfang zu gehen. „Die Menschen haben kein Verständnis, wenn sie sehen, dass andere das System ausnutzen“, so der Wirtschaftslandesrat.

Worum geht es?

Südtirol leidet in vielen Branchen unter einem akuten Fach- und Arbeitskräftemangel. Die Schwierigkeit, geeignete Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu finden, belasten die heimischen Unternehmen zunehmend und wirken sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. Gleichzeitig verzeichnet die Autonome Provinz durchschnittlich zwischen 13.000 und 15.000 Arbeitslosen. Eine absurde Situation! Laut Schätzung des Assessments, das für die aktive Arbeitsmarktpolitik vorgesehen ist, wären rund 60 Prozent dieser Arbeitslosen am Arbeitsmarkt vermittelbar. Hier will das Land den Hebel ansetzen, denn die Zeit drängt: Laut Hochrechnungen des Amts für Arbeitsmarktbeobachtung werden der Südtiroler Arbeitswelt bei einer durchschnittlichen wirtschaftlichen Entwicklung in zehn Jahren sage und schreibe 30.000 Arbeitskräfte fehlen. Dementsprechend ergeben sich ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten bzw. diese bestehen heute schon.

Wie Landesrat Achammer gegenüber der Tageszeitung ausführt, hat die Landesregierung beschlossen, den Arbeitslosen genauer auf die Finger zu schauen. „Wir müssen hier strenger werden und eine harte Linie fahren“, betont der SVP-Politiker. Wer in der Lage sei zu arbeiten, müsse auch arbeiten. Wer arbeitsfähig sei, habe kein Recht, sich auf Dauer von der öffentlichen Hand versorgen zu lassen, sagt Achammer. Für die Kontrollen zuständig sind die Arbeitsvermittlungszentren, die den Arbeitslosen Jobangebote unterbreiten. Um diese Tätigkeit zu verbessern, hat das Land die Behörde im Frühjahr um 18 zusätzliche MitarbeiterInnen aufgestockt.

Laut Achammer sollen im Juni etwa 20 weitere MitarbeiterInnen dazukommen, damit das Land auf ein Niveau wie in Trient oder Tirol kommt. Bislang betreute ein Arbeitsvermittler in Südtirol 1.200 Arbeitslose. Zum Vergleich: In den Nachbarregionen liegt das Verhältnis bei 1 zu 400. Die Arbeitsvermittler sollen laut dem Landesrat „genauer hinschauen, ob arbeitsfähige Arbeitssuchende unbegründet ein Jobangebot ablehnen“. Ist dies der Fall, werde den Betroffenen die Arbeitslosenunterstützung gestrichen. Hier habe man in der Vergangenheit allzu häufig „ein Auge zugedrückt“, meint der SVP-Politiker. Zwei Drittel der MitarbeiterInnen sollen deshalb auch explizit für die Kontrollen eingesetzt werden, wobei der Fokus in erster Linie bei den Langzeitarbeitslosen (und nicht etwa bei Frauen in Mutterschaft) liegen soll. Das restliche Drittel der neuen MitarbeiterInnen soll die Arbeitgeber bei der Fachkräftevermittlung unterstützen.

Philipp Achammer

Die Landesregierung orientiert sich in der Arbeitspolitik am Kurs der römischen Regierung: Als eine ihrer ersten Amtshandlungen hat Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia) festgelegt, dass Arbeitslosen bereits bei der Ablehnung des ersten Jobangebots das Bürgereinkommen (Reddito di Cittadinanza) gestrichen wird. Bis Jahresende soll das Bürgereinkommen endgültig abgeschafft werden. Die Gesetzesbestimmungen, die noch auf den Jobs Act von Matteo Renzi zurückgehen, sehen vor, dass das Arbeitsangebot „verhältnismäßig“ (in Italienisch „offerta congrua“) sein muss, um den Beziehern bereits nach dem ersten Angebot die Arbeitslosenunterstützung zu streichen. Die Ablehnung muss aber vom Arbeitnehmer kommen und die Zusage vom Arbeitgeber.

Und nicht selten liegt dort der Hund begraben. Wenn der Arbeitgeber ablehnt oder nicht zusagt, sind dem Land die Hände gebunden. Die „strategisch“ denkenden Leute führen sich entsprechend auf, um vom Arbeitgeber abgelehnt zu werden. Der Tageszeitung sind mehrere Fälle bekannt, wo sich Arbeitslose nur für ein paar Wochen auf Probe anstellen und dann mithilfe von Arbeitsverweigerung oder Disziplinarvergehen kündigen lassen, um wieder das Arbeitslosengeld zu beziehen. Laut der Landesverwaltung sind Ausländer hier überproportional vertreten. Philipp Achammer spricht von einer „total absurden Situation“, die für viel ungute Stimmung sorge.

In der Vergangenheit hat es keine systematischen Kontrollen geben, nicht zuletzt auch deshalb, weil das Arbeitslosengeld als staatliche Leistung angesehen wurde, die den Landeshaushalt nicht belastet. Ein Trugschluss: Wer vom Arbeitslosengeld lebt, hat eine niedrigere EEVE-Erklärung und kommt dadurch auch in den Genuss der Sozialleistungen des Landes. Angesichts der zunehmenden sozialen Probleme in Südtirol sei die Sensibilität der Bevölkerung in diesem Bereich gewachsen, weiß Achammer. „Die Menschen fragen sich zu Recht, warum sie selber arbeiten müssen, wenn andere spekulieren und auf Kosten der Allgemeinheit abkassieren.“ Das sei ein „sozialer Brennpunkt“. Das Arbeitslosengeld dürfe nur jenen zugutekommen, die es vorübergehend brauchen. All diejenigen jedoch, die nicht arbeiten wollten, hätten auch kein Recht auf finanzielle Unterstützung, ist der Landesrat überzeugt.

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