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„Sono del Sudtirol“

Wenn der FC Südtirol an der Pforte der Serie A anklopft, dann ist dies mit das Verdienst eines Ver-rückten. Der Versuch, das Phänomen Pierpaolo Bisoli ein bisschen zu erklären.

von Artur Oberhofer

Es ist die eine Szene, die bezeichnend ist für das Fußballmärchen, das der FC Südtirol am Schreiben ist: In der 92. Spielminute köpft Matteo Rover das Siegestor gegen die Millionen-Truppe aus Bari. Und was macht Pierpaolo Bisoli? Der Trainer des FCS dreht sich zu den Fans auf der Zanvettor-Tribüne, ballt beide Fäuste und schreit sich die Stimmbänder wund.

Ja, Pierpaolo Bisoli ist ver-rückt!

Der 56-jährige Trainer aus Porretta Terme in der Emilia Romagna weiß, dass er (wieder einmal) Fußballgeschichte schreibt. Die italienischen Sportgazzetten gehen seit Wochen auf Tiefgang, um das Geheimnis des Fußballwunders des FC Südtirol zu ergründen. Pierpaolo Bisolis Marktwert ist exponentiell gestiegen.

Aber der FCS-Trainer wird – unabhängig wie das Märchen des FCS ausgeht – so bleiben wie er ist.

Als Pierpaolo Bisoli vor einigen Wochen von einem Gazzetta-Journalisten gefragt wurde, warum er nicht stabil in der Serie A trainiert, hat der FCS-Chefcoach geantwortet: „Weil ich nicht im Anzug an der Seitenlinie stehe, weil ich nicht die elitären Kreise frequentiere – und weil ich keinen Procuratore habe.“

Und ganz nebenbei: Ihm sei es völlig egal, ob er in der Serie A oder in der Serie D trainiere. Das Projekt, die Atmosphäre müssten stimmen.

Es ist vermutlich genau diese Bescheidenheit und Bodenständigkeit (um nicht Sturheit zu sagen), die den unglaublichen Erfolgen des FC Südtirol zugrunde liegt.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Pierpaolo Bisoli im Spätsommer 2022 „nur“ die zweite Wahl von Sportdirektor Paolo Bravo war. Bravo tendierte eher dazu, Giuseppe Scienza zu verpflichten, die Vereinsverantwortlichen waren allerdings für Bisoli.

In Bozen angekommen, merkte Bisoli sofort, dass ihm genau das Spielermaterial anvertraut ist, das ihm taugt: Hungrige Spieler, die bereit sind, für den, der sie führt, durch die Hölle zu gehen. Spieler, die großteils die Serie B nur aus dem Fernsehen gekannt haben und jetzt plötzlich die Chance ihres Fußballer-Lebens haben.

Wie ver-rückt Pierpaolo Bisoli ist, belegt eine Episode, die man sich beim FCS hinter vorgehaltener Hand erzählt. Als der FC Südtirol die Mannschaft von Brescia im Drususstadion empfing, wunderten sich die Vereinschefs, dass Bisoli seinen Sohn Dimitri, der bei Brescia spielt und sogar Kapitän ist, vor dem Spiel keines Blickes würdigte, geschweige denn mit ihm ein paar Worte wechselte. Als ihn ein Vereinsmensch darauf ansprach, fauchte ihn Pierpaolo Bisoli an: „Oh, cazzo, ich bin Südtirol, sono del Sudtirol.“

Die Botschaft: Zuerst kommt der FC Südtirol, dann der FC Südtirol. Und dann erst Sohn Dimitri.

Pierpaolo Bisoli lebt für seinen Verein, und er hat in Südtirol ein Ambiente vorgefunden, in dem er sich wohlfühlt, in dem er sich weder groß erklären noch verstellen muss.

Filippo Inzaghi und Pierpaolo Bisoli

Wenn er morgens um 10.00 Uhr in Eppan in seiner Frühstücksbar auftaucht, kennen ihn alle. Er gehört  inzwischen zum Inventar des Lokals. Wenn er nach einem Heimspiel in seinen schwarzen Porsche steigt, winkt er den Fans zu, erfüllte Selfie-Wünsche.

Auffallend ist, dass Pierpaolo Bisoli überall, wo er gewirkt hat, ob nun in der Serie A oder in der Serie C, einen bleibenden, einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, unabhängig von den Erfolgen oder Misserfolgen. Man sieht dies beispielsweise an den unzähligen Kommentaren in den sozialen Medien, wo Fans aus Cagliari, Bologna, Cosenza usw. dem FCS zu seinen Erfolgen und zu seinem Trainer gratulieren.

Pierpaolo Bisoli ist andererseits so Realist, dass er weiß, dass der Erfolgsfaden irgendwann reißen wird. So fokussiert und fordernd und ver-rückt er als Trainer ist, so unberechenbar ist Bisoli als Mensch.

Spürt er – so geschehen im vergangenen Sommer in Cosenza –, dass der Verein nur hundert- und nicht tausendprozentig hinter ihm steht, haut er ab. In Cosenza hatte Bisoli ebenfalls ein Wunder geschafft, indem er den kalabresischen Club vor dem bereits sichergeglaubten Abstieg bewahrte.

Bisoli pilgerte dann, wie hoch und heilig versprochen, auf seinem Fahrrad zum Santuario di San Francesco – und dann war er weg.

Wie gesagt, in Cosenza ist Pierpaolo Bisoli ein Held. So wie er für die FCS-Fans ebenfalls längst ein Held ist.

Foto: Bordoni

Ihren Bisoli kennend, können auch die Verantwortlichen beim FCS – unabhängig wie die Playoffs ausgehen – noch nicht mit letzter Gewissheit sagen, ob Bisoli auch im nächsten Jahr in Bozen arbeiten wird oder nicht. Zwar ist Bisolis Vertrag mit dem Erreichen des Klassenerhalts automatisch um ein Jahr verlängert worden. Aber das will bei einem Vulkan, wie Bisoli es ist, nichts heißen.

Spürt er, dass der Verein kompromisslos hinter ihm steht, wird er bleiben.

Spürt er das nicht, wird er anderswo seine Zelte aufschlagen und das nächste Wunder vollbringen.

Noch lebt für den FC Südtirol sogar der Traum von der Serie A. Vernunft und Hausverstand sagen, dass es für den FCS gar nicht gut wäre, jetzt schon in die höchste italienische Spielklasse aufzusteigen. Andererseits hätten die Fans – und auch die FCS-Verantwortlichen – schon verdammt Lust darauf, in der nächsten Saison Spieler vom Kaliber eines Oshimen oder Trainertypen wie einen Mourinho im Drususstadion zu sehen.

Das Schöne am Fußball ist, dass alles passieren kann. So wie im Spiel FC Südtirol gegen Reggina, wo die von Pippo Inzaghi trainierten Gäste 18 Mal auf das Tor des FCS geschossen und nicht getroffen haben, während der FCS – mit Daniele Casiraghi – einmal aufs Tor geschossen und getroffen hat.

In Bari, am Freitag, reicht dem FCS ein Unentschieden, um ins Playoff-Halbfinale vorzustoßen.

Bisoli wird’s schon richten. Wenn nicht, dann haben er und der FCS trotzdem gewonnen.

 

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (1)

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  • prof

    Wenn es nicht klappt heuer in die Serie A aufzusteigen ist es nicht schlimm,aber eine solche Gelegenheit wird es die nächsten Jahre sicher nicht mehr geben.
    Ob Bisoli bleibt ist fraglich,was er aber versprochen hat und auch tun wird,mit dem Fahrrad nach Weissenstein fahren.

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