Das Tiroler Modell
Wie können Frauen und Kinder, die dem Risiko schwerer Gewalt ausgesetzt sind, bestmöglich geschützt werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Euregio-Studienbesuchs, der im Landhaus in Innsbruck stattfand.
Fachleute aus dem Bereich der geschlechtsspezifischen Gewalt aus Tirol, Südtirol und dem Trentino tauschten sich in dieser Woche zum Umgang mit Hochrisikofällen aus.
Als in Tirol etablierte Praxis wurde das Modell der „Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenz“ (S-FK) vorgestellt:
Es basiert auf dem Grundsatz, dass Schutz nie nur eine Einrichtung alleine bieten kann.
So setzen sich bei den S-FK Behörden und Einrichtungen an einen Tisch, um in enger Zusammenarbeit eine koordinierte Sicherheitsplanung zu erstellen. Landesrätin Waltraud Deeg war heute in Innsbruck mit dabei und eröffnete gemeinsam mit der Tiroler Frauenlandesrätin Eva Pawlata und der im Trentino für Familien- und Sozialpolitik zuständigen Landesrätin Stefania Segnana die Veranstaltung.
Euregioweit von- und miteinander lernen
„Gewalt ist niemals Privatsache“, unterstrich Landesrätin Waltraud Deeg. „Je früher es gelingt, Gewalttaten einzubremsen umso besser. In Südtirol arbeiten wir derzeit im Sinne unseres Landesgesetzes zur Gewaltprävention an einer Verstärkung der Maßnahmen im Bereich der Prävention, gleichzeitig werden die Unterstützungs- und Hilfsnetzwerke für Gewaltopfer gefestigt und ausgebaut. Der Blick über die Grenzen hilft, uns über neue und ergänzende Modelle auszutauschen, Synergien zu nutzen und unser Angebot zu erweitern.“
Die Tiroler Frauenlandesrätin Eva Pawlata bezeichnete Gewalt gegen Frauen und Mädchen als „eines der drängendsten Probleme unserer Zeit – und zwar weltweit“. Sie verwies auf eine Erhebung der Europäischen Union, nach der jede fünfte Frau von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen sei. „Um Frauen und Kinder, deren Leib und Leben sowie Gesundheit und Freiheit bedroht sind, bestmöglich zu schützen, braucht es ein umfassendes und vor allem gut vernetztes Hilfs- und Unterstützungsangebot. Beim Euregio-Studienbesuch haben sich heute Expertinnen und Experten der drei Landesteile aus, um von- und miteinander zu lernen. Tirol hat mit der ‚Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenz‘ ein Instrument geschaffen, das bereits erfolgreich im Einsatz ist und möglicherweise künftig auch südlich des Brenners in ähnlicher Form angewandt werden kann“, betonte Landesrätin Pawlata.
„Gewalt an Frauen ist ein Thema, das konstante Aufmerksamkeit erfordert: Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, können wir bei ihrer Hilfesuche unterstützen, indem wir gezielt auf ihre Bedürfnisse eingehen. Das Trentino hat sich für einen möglichst differenzierten Zugang zu den Dienstleistungen entschieden. Dabei bauen wir auf die Zusammenarbeit mit den Vereinen, die geschützte Frauenhäuser führen, aber auch auf wirtschaftliche Hilfen, um die Selbständigkeit der Frauen bei der Arbeit und im Leben zu fördern. Gewalttätigem Verhalten versuchen wir vorzubeugen, indem wir spezielle Dienste für männliche Gewalttäter bereitstellen“, schlug auch Landesrätin Stefania Segnana in dieselbe Kerbe.
Beste-Praxis-Beispiel „Sicherheitspolizeiliche Fallkonferenz“
Bei dem heutigen Treffen wurde das Tiroler Best-Practice-Beispiel anhand von Vorträgen von Michaela Kutschera von der Landespolizeidirektion (LPD) Tirol, Andrea Laske vom Gewaltschutzzentrum Tirol und Hannah Ringhofer vom Frauenhaus Tirol vorgestellt. Die „Sicherheitspolizeiliche Fallkonferenz“ ist im Sicherheitspolizeigesetz verankert. Sie ermöglicht den Informations- und Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden und relevanten SystempartnerInnen – wie dem Gewaltschutzzentrum Tirol oder dem Frauenhaus Tirol. So können bei Hochrisikofällen, die besondere Schutzmaßnahmen erfordern, gemeinsam Lösungsmöglichkeiten koordiniert und entwickelt werden.
„Expertise und Gefährdungseinschätzungen aus mehreren Blickwinkeln zu erhalten, ist extrem wertvoll. Die enge Zusammenarbeit, die im Rahmen der ‚Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen‘ entsteht, erleichtert bzw. ermöglicht auch in Einzelfällen die effiziente Abstimmung auf kurzem Weg“, erklärte Kutschera von der LPD Tirol.
Ansprechstelle für die Behörden und Einrichtungen sowie zur Unterstützung der jeweiligen Sicherheitsbehörde bei der Durchführung der S-FK ist das „S-FK Team Tirol“.
Es bündelt die Erfahrungen der Fallkonferenzen und stellt zugleich die Verbindungsstelle zur Fachabteilung im Bundesministerium für Inneres dar. Im „S-FK Team Tirol“ arbeiten die Sicherheitsbehörde und das Landeskriminalamt der LPD Tirol, die Bezirkshauptmannschaften, das Gewaltschutzzentrum Tirol, die Beratungsstelle für Gewaltprävention Tirol und die Bewährungshilfe (Verein „Neustart“) zusammen.
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Kommentare (3)
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seta
Ganz viel Blabla und klingende Worte wie Prävention, Expertise und Fallkonferenzen. Und wenn es dann um konkrete Maßnahmen geht, bleibt Frau auf sich selbst gestellt. Vom mehrfach angezeigten Stalker ermordet, vom Lebenspartner halb tot geprügelt und sterbend in der Kälte liegen gelassen (aber letztendlich an den eigenen Vorerkrankungen gestorben und nicht mutmaßlich ermordet worden..), bei Anzeige wegen Körperverletzung steht „Aussage gegen Aussage“ – weil häusliche Gewalt passiert ja bekanntlich unter vier Augen … und so weiter und so fort. Bei mir klingelt da das Wort Resignation lauter durch als das hoffnungsvolle, illusorische (?) Worttrio „Prävention, Expertise und Fallkonferenz“…
2xnachgedacht
@seta
sie haben es auf den punkt gebracht.
josef.t
Ein Grundproblem, dass Frauen noch immer einen „Verein“
vehement unterstützen, wo der Mann das Sagen hat ?
Vom männlichen Geschlecht, wird das dann auch im Alltag
gerne wahrgenommen….
Auch die Gesetze sind dem entsprechend ?