Mikrokosmos
Am 14. Juli öffnet das Festival Bolzano Danza – Tanz Bozen zum 39. Mal seinen Vorhang und verwandelt die Stadt zwei Wochen lang in einen Hotspot des zeitgenössischen Tanzes. Unter dem Motto „Mikrokosmos“ präsentiert die Stiftung Haydn unter der künstlerischen Leitung von Emanuele Masi 27 Veranstaltungen.
„Tanz Bozen“, so Monica Loss, Generaldirektorin der Stiftung Haydn, „läutet jedes Jahr die Sommersaison unserer Stiftung ein. Das Festival ist ein Aushängeschild unserer Kulturorganisation und prägt mit seinem dynamischen und internationalen Flair die Stadt. Es bündelt beispielgebend alle Werte, für die unsere Stiftung steht: Qualität, Innovation, Experimentierfreude, Inklusion und den Dialog mit unserer Region. Tanz Bozen bietet einen fruchtbaren Boden für die Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern im In- und Ausland, aber auch für den Austausch und das Zusammenspiel verschiedenster Bereiche innerhalb unserer Stiftung, nicht zuletzt mit den Musikerinnen und Musikern unseres Orchesters. Das Festival wird heuer zum 39. Mal ausgerichtet und dank unseres künstlerischen Leiters Emanuele Masi, blicken wir bereits jetzt dem nächsten wichtigen Meilenstein entgegen: das 40-jährige Bestehen dieser großartigen Veranstaltung.“
Unter dem programmatischen Titel Mikrokosmos entfaltet sich die 39. Ausgabe des Festivals auf den Bühnen des Stadttheaters Bozen, auf dem Waltherplatz, in den Stadtparks, im Museion, in der Stiftung Antonio Dalle Nogare und auf der Panoramaterrasse der Kellerei Kettmeir in den Weinbergen um Kaltern. Zu Gast sind in diesem Jahr Künstlerinnen und Künstler aus vier Kontinenten und zehn Nationen: Australien, Kanada, Spanien, Frankreich, Deutschland, USA, Kroatien, Benin, Österreich und Italien. An 27 Veranstaltungsterminen erleben wir Aufführungen im Theater sowie ortsspezifische Performances, die überraschen und zum Nachdenken einladen; außerdem sind Künstlergespräche, Kurzfilme und organisierte Führungen Teil des Programms. Tanz Bozen 2023 wird zum Ort der Reflexion, des sozialen Miteinanders und der Kreativität. Das Festival zeigt getanzte Themen aus Literatur, Mythologie, Philosophie, bildendender Kunst und Design.
„In der Ausgabe 2023 haben wir das Unterholz als Sinnbild gewählt, diesen fantastischen dunklen Mikrokosmos zwischen Tier- und Pflanzenwelt, um das Wirken des Geistes innerhalb des sozialen Körpers zu erkunden. In einem zwischen reinem Tanz, choreografischen Erzählungen und Hommagen changierenden Programm werden wir uns mäandernd auf erstaunliche Entdeckungsreise begeben: Im ewigen Spannungsfeld zwischen Liebe und Gewalt, Gruppendynamiken wie das Phänomen der toxischen Männlichkeit werden ebenso Thema sein wie die großen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit, darunter Inklusion, Feminismus, interkultureller und generationenübergreifender Dialog. Wie bereits zur Tradition geworden werden die Vorführungen von Livemusik unterschiedlicher Art begleitet: vom Streichquartett des Haydn Orchesters bis zum Klavierspiel von Scipione Sangiovanni, vom Jazz der Laura Agnusdei hin zum Elektrosound von Chloé Thévenin und der Perkussion von Manos Tsangaris. Zussätzlich wird dem Publikum auch Gelegenheit geboten, mitzutanzen und mit den Künstlerinnen und Künstlern in Dialog zu treten.”
Neben Uraufführungen und bedeutenden Koproduktionen werden viele neue Gesichter zu sehen sein. Beginnend beim australischen Ensemble Shaun Parker & Company, das am 14. Juli – anlässlich seiner ersten Europatournee in Deutschland, Luxemburg und Bozen – die 39. Ausgabe mit King eröffnet: ein provokatives Stück des Choreografen Shaun Parker, begleitet vom berühmten bulgarischen queeren Künstler Ivo Dimchev sowie von zehn Tänzerinnen und Tänzern. Das Werk hinterfragt Machtsysteme, die männliche Sexualität und Identität in ihrer Entwicklung behindern. Auch das kroatische Rijeka Ballet gastiert zum ersten Mal bei Tanz Bozen und bringt mit 22 Tänzerinnen und Tänzern das jüngste Stück von Cayetano Soto auf die Bühne, ein Werk über das Leben und die Schattenseiten des großen russischen Komponisten (28. Juli).
Maud Le Pladec, Choreografin und Direktorin des Centre Chorégraphique National d’Orléans beehrt das Festival am 19. Juli mit ihrer jüngsten Produktion Silent Legacy und zeigt diese bei Tanz Bozen in einer italienischen Erstaufführung: Zwischen Krump und zeitgenössischem Tanz reflektiert sie über die Weitergabe des Weiblichen im Tanz und lässt den Körper zum wirkmächtigen Instrument der Überlieferung für die Weitergabe des kulturellen Erbes werden. Die spanische Kompanie Metamorphosis Dance präsentiert Prisma, ein Stück, das Hoffnung schenken soll und auf schmerzlichen Zeugnissen von Terrorismusopfern sowie soziologischen Studien zum Thema Terrorismus (italienische Erstaufführung, 21. Juli) basiert. Die aus Frankreich stammende Groupe Grenade, geleitet von Josette Baïz, setzt sich aus jugendlichen Tänzerinnen und Tänzern zusammen und bringt mit Demain, c’est loin! ein Stück auf die Bühne, das von Rebellion und Nicht-Resignation junger Menschen angesichts der aktuellen Weltsituation handelt. Das Triptychon wurde anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Gruppe kreiert und trägt die Handschrift der Australierin Lucy Guerin, Baïz selbst sowie der Gruppe (LA)HORDE, Associated Company des Festivals Tanz Bozen bis 2024 (italienische Erstaufführung, 24. Juli).
Die Tänzerikone Koffi Kôkô sieht den Körper als „Bibliothek des Wissens“, der in Verbindung mit der Welt und der Spiritualität steht. In seiner Performance The Third Body, die zusammen mit dem Komponisten und Perkussionisten Manos Tsangarissowie dem Schriftsteller Johannes Odenthal entwickelt wurde, führt Kôkô eine Art Übergangsritus auf, der sich zwischen Bewegung und Klang, zwischen Innen und Außen vollzieht (Stiftung Antonio Dalle Nogare, 22. Juli).
Mit der Aufführung von insgesamt vier Werken wird der italienischen Kompanie Dewey Dell dieses Jahr bei Tanz Bozen ein Schwerpunkt gewidmet: Gezeigt werden Le Sacre du printemps, das in Koproduktion mit Tanz Bozen im Rahmen von RING entstand (17. Juli) sowie zwei Soli von Teodora Castellucci und ein Kurzfilm. Fredy Franzutti, vielseitiger Choreograf und Gründer des Balletto del Sud, greift mit Effetto Lazarus den „Wahnsinn“ des nordamerikanischen Biologen Robert Cornish auf, der in den 1930er Jahren mit seinen Experimenten versuchte, Tote wieder zum Leben zu erwecken. Daneben zeigt die Kompanie die grandiose Choreografie Wassily b3 (18. Juli), eine Hommage an den berühmten gleichnamigen Kunstsessel aus Leder und Metall von Marcel Breuer. Der deutsche Choreograf Moritz Ostruschnjak führt den Zuschauer hingegen in den endlosen Tunnel digitaler Verlinkungen und lässt das Kaninchen aus Alice im Wunderland in dem brandneuen Werk Rabbit Hole (italienische Erstaufführung, 15. Juli) in einer auf den Kopf gestellten Welt neu aufleben. Die Stars und ehemaligen Solotänzer Silvia Azzoni und Oleksandr Ryabko des Hamburg Balletts schlüpfen in die Rollen von Constanze und Amadeus Mozart in der Neuproduktion Reflections of the mind der slowakischen Choreografin Kristína Paulin mit dem Ensemble Cantiere Danza Montepulciano sowie den Solisten des Haydn Orchesters (25. Juli). Mit ihrem Stück Bleah!!! beziehen sich die Tänzerin Annamaria Ajmone und die Musikerin Laura Agnusdei auf das gleichnamige Werk von Lucia Marcucci und verbinden Geste und Klang in Anlehnung an die Cut-ups und Überlagerungspraktiken der Florentiner Künstlerin. Anlässlich ihres 90. Geburtstags finden in Bozen zwei Ausstellungen in der Galerie Ar/Ge Kunst und im Museion (20. und 21. Juli) statt. Ebenso in Zusammenarbeit mit Museion und im Rahmen der interdisziplinären Ausstellung Plot von Azad Raza entstand die Performance der nordamerikanischen Choreografin Moriah Evans (Out of and Into: Plot, 27. und 28. Juli).
Die spritzige Gauthier Dance ist, wie in den Jahren zuvor, “special guest” des Festivals. Die Kompanie aus Stuttgart feiert ihr 15-jähriges Bestehen sowie die Zusammenarbeit mit Tanz Bozen mit einem Programm aus Kultstücken und neuen Werken von Mauro Bigonzetti, Eric Gauthier, Alejandro Cerrudo, Ohad Naharin, Marco Goecke, Hofesh Shechter, Dunia Jocić und Itzik Galili (26. Juli).
Das Thema der Inklusion findet Eingang in zwei Uraufführungen: in Updraft von Annie Hanauer in der Kellerei Kettmeir (Kaltern, 16. Juli) und in der Familienaufführung Lo specchio della Regina von Eleonora Chiocchini und Antonio Viganò, eine Koproduktion von Teatro La Ribalta – Kunst der Vielfalt und Tanz Bozen (Uraufführung am 21. und 22. Juli). Im Semirurali-Park findet in Zusammenarbeit mit Cooperativa 19 eine Hip-Hop-Vorstellung der österreichischen Kompanie Hungry Sharks statt, die mit ihrer Kreation Hidden in Plain Sight ein Puzzle aus menschlichen Begegnungen und Beziehungen erzeugt (27. Juli).
www.bolzanodanza.it
Ticketverkauf und Abonnements Stadttheater Bozen – Tel.: 0471 053800 – [email protected]
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