Arbeitsmodell der Zukunft?
In Deutschland wird intensiv über die Einführung einer Vier-Tage-Woche diskutiert. Der Arbeitspsychologe Tobias Hölbling zeigt sich skeptisch. Was für und gegen ein längeres Wochenende spricht.
Tageszeitung: Herr Hölbling, in Deutschland wird aktuell viel über die Vier-Tage-Woche gesprochen. 81 Prozent der Arbeitnehmer befürworten diese laut einer großen Umfrage. Selbst Gewerkschaften wie die IG Metall denkt über eine Einführung nach. Ist die Vier-Tage-Woche auch etwas für Südtirol?
Tobias Hölbling: Grundsätzlich muss man wissen, dass die Vier-Tage-Woche nicht in allen Branchen durchführbar ist. Sicherheitskräfte, Gesundheitswesen, Ordnungshüter und andere Branchen, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung dienen, müssen ständig verfügbar sein. In diesen Bereichen ist die Personaldecke aber ohnehin dünn. Wie will man das dann also mit einer Vier-Tage-Woche abdecken? In kreativen Branchen oder bei schlichten Büroarbeiten, wo es nicht wichtig ist, ob ein Dokument sofort fertiggestellt wird, kann man darüber reden.
Wie genau funktioniert die Vier-Tage-Woche?
Es gibt zwei beziehungsweise drei Modelle: Entweder man drückt die hundertprozentige Arbeitsleistung einer Fünf-Tage-Woche in vier Tage – das heißt, man muss in den anderen Tagen 20 Prozent produktiver werden, oder man lässt die 20 Prozent einfach sausen und zahlt dem Arbeitnehmer dasselbe Gehalt. Eine dritte Alternative ist, das Gehalt entsprechend der gekürzten Arbeitszeit zu reduzieren. Das Problem bei der ersten Variante, also dass man die Arbeit intensiviert, ist, dass es zu viel sein kann. Man muss zu viel Arbeit in zu wenig Zeit erledigen, das erhöht die Arbeitsbelastung ungemein. Das Problem bei der zweiten Variante ist der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Wenn ich als Unternehmen fünf Tage zahle aber nur vier Tage eine Arbeitsleistung bekomme, steigen auch die anderen Kosten gewaltig an. Das kann es also auch nicht sein.
Bei Personalmangel in einer Branche ist die Vier-Tage-Woche also keine Option. Wie sieht es im Handwerk oder der Gastronomie aus?
Ich kenne die Situation nicht, aber ich weiß, dass die Verbände über Arbeitskräftemangel klagen. Besonders in der Gastronomie ist es so, dass während der Saison ohnehin viel und lange gearbeitet wird. Grundsätzlich wäre die Vier-Tage-Woche aber eine Option, Arbeitsplätze attraktiver zu machen, inwieweit das in der Gastronomie und im Handwerk möglich ist, weiß ich aber nicht.
Gibt es Branchen, in der Sie die Vier-Tage-Woche für vorteilhaft halten?
Nein, das kann man nicht so pauschal sagen. Man muss zwischen den jeweiligen Modellen abwiegen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmer darf jedenfalls nicht verloren gehen. Es kann sonst passieren, dass sie innerhalb kurzer Zeit schließen müssen.
Ist es psychologisch gesehen machbar, die Arbeit von fünf Tagen auf vier Tage zu verteilen? Welche Risiken sehen Sie darin?
Auch hier kommt es auf die Organisation und auf die Arbeitstätigkeit an. Wenn die Arbeitstätigkeit so beschaffen ist, dass es egal ist, ob meine Arbeitsabgabe einen Tag früher oder später erfolgt und die Organisation so gut abgestimmt werden kann, dass man Leerlaufzeiten vermeidet, dann funktioniert die Vier-Tage-Woche durchaus. Letztendlich darf man nicht vergessen, dass in der Vier-Tage-Woche mehr Arbeit in weniger Zeit verrichtet werden muss. Das ist eine Erhöhung der Arbeitsintensität, mit der man vorsichtig sein muss. Wichtig ist, dass die Option zu einer Vier-Tage-Woche freiwillig sein muss. Wenn jemand nicht dazu bereit ist, die Arbeitsintensität zu erhöhen, muss das akzeptiert werden. Eine Vier-Tage-Woche muss freiwillig erfolgen und gut organisiert sein, ohne Sanktionen zu befürchten. Für einen Betrieb wäre eine generelle Umstellung sehr schwierig, da manche sicher lieber bei der Fünf-Tage-Woche bleiben würden.
Erst vor rund fünfzig Jahren wurde die Fünf-Tage-Woche gesetzlich eingeführt. Ist ein erneuter Wandel so schwer vorstellbar?
Natürlich gibt es Menschen, die auf dieses Argument verweisen. Niemand konnte sich vorstellen, dass die Arbeitswoche nur von Montag bis Freitag geht. Das war aber ein Ergebnis langer Verhandlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Es gab einen langen Prozess. Durch die Digitalisierung und die Produktivitätszuwächse kann es erneut zu solchen Verhandlungen kommen, das ist aber definitiv nur für manche Branchen möglich. In allen Branchen ist es mit Sicherheit nicht machbar. Es soll jedenfalls ein Ergebnis eines Aushandlungsprozesses sein. Beide Seiten müssen einverstanden sein.
In Deutschland wird häufig von einem „Arbeitsmodell der Zukunft“ gesprochen. Steckt da etwas dahinter?
Ich kann nur wiedergeben, was der Ist-Stand ist und was ich gelesen habe. Die Arbeitsbelastung für den Einzelnen wird aktuell auf jeden Fall erhöht. Ob sich das in Zukunft ändert, kann ich nicht sagen.
Könnte die Debatte auch auf Südtirol überschwappen?
Ja, sicher. Wir sind nach wie vor Teil des mitteleuropäischen Kulturraums. Alles worüber in fortschrittlichen Arbeitsgesellschaften, wie es Deutschland eine ist, kommt über kurz oder lang auch nach Südtirol. Die Frage ist, wie es hier aufgefasst wird und ob es sich durchsetzen kann.
Interview: Markus Rufin
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Kommentare (5)
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schwarzesschaf
Wenn erst schon kein gescheides personal rum ist wie soll man dann ne 4 tage woche einführen egal welche Branche
andreas
4 Tage mit dementsprechend weniger Lohn.
Arbeitnehmer haben ein Tag mehr zum Geldausgeben und verdienen 20% weniger.
4 Tage mit gleichem Lohn.
Der Preis der Dienstleistung oder des Produktes erhöht sich, ein Tag mehr zum Geldausgeben, doch alles ist teurer.
In einigen wenigen Sektoren wird es funktionieren, doch wenn der Motorradmechaniker aber jetzt schon 100 Euro/h verlangt, bei einer 40 Stunden Woche, müsste er bei 32 Stunden 125 Euro/h verlangen, um die wöchentlichen 4.000 Euro Einnahmen zu erzielen.
Dass die Auslastung nie 100% ist und die Rechnung so nicht stimmt, weiß ich, sie dient nur dazu die Kostensteigerung zu veranschaulichen.
Es gibt durchaus Gründe, warum die Grünen z.B. gestern massiv in Bremen verloren haben.
Einer wird sein, dass sich eine Riccarda Lang, welche in ihrem Leben noch nie produktiv gearbeitet hat hinsetzt und solche neunmalkluge Vorschläge bringt.
brutus
…dann werden wir, beim jetzigen Personalmangel in der Sanität, wohl fünf Jahre auf einen Termin warten müssen!
leser
Die Grundsatzfrage ist doch die
Wer bezahlt das?
Und wie weit kann man mit Steuergeldern öffentliche Angestellte bezahlen wenn diese noch weniger arbeiten?
Nan redet um den Brei herum ohne auf den Punkt zu kommen
Ich dachte immer das Einkommen ist zu niedrig
Auch das nur Märchen?
Aber ein scheint fest zu stehen
Dass die Gesellschaft immer fauler wird
dn
10 Stunden Arbeit pro Tag? Viel Spaß. Oder 32 Stunden pro Woche bei gleicher Bezahlung? Der Rest schwarz? So etwas Unausgegorenes hab ich selten gehört.