„Jeder Zwölfte ist Invalide“
46.053 Südtiroler sind Zivilinvaliden und leben mit einer angeborenen oder erworbenen Krankheit, welche für das bloße Auge meist unsichtbar ist.
Wie es aktuell um Südtirols Zivilinvaliden steht, hat die landesweit größte Interessenvertretung für Zivilinvaliden und Menschen mit Behinderung, die Vereinigung der Zivilinvaliden (ANMIC Südtirol), in einer aktuellen Statistik zusammengefasst.
„Ob Asthma, chronische Migräne, Diabetes, Tumorerkrankungen oder Depression: Es gibt unzählige Krankheiten, die zur Zivilinvalidität führen können. Diese Vielzahl an möglichen Diagnosen spiegelt sich auch in der Anzahl der Betroffenen wider“, berichtet Thomas Aichner, Präsident der ANMIC Südtirol.
„Aktuell zählen wir in Südtirol über 46.000 Zivilinvaliden, das ist etwa jeder 12. Menschen in unserer Provinz. Sie alle leiden an einer körperlichen, seelischen oder psychischen Erkrankung und haben um die Anerkennung der Zivilinvalidität angesucht.“ Der Vorteil: Dank dieser Anerkennung können Betroffene Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, welche je nach anerkanntem Invaliditätsgrad von der Gewährung kostenloser Hilfsmittel bis hin zu finanziellen Leistungen wie die Zivilinvalidenrente oder das Begleitgeld reichen.
Wie viele Südtiroler genau betroffen sind und wie hoch deren Invaliditätsgrad ist, offenbart der Blick auf eine aktuelle Statistik. Diese wurde dank der Unterstützung von Dr. Valter Equisetto, geschäftsführender Direktor des betrieblichen Dienstes für Rechtsmedizin, erstellt und verdeutlicht, wie präsent dieser Status in der Südtiroler Gesellschaft ist: 46.053 Zivilinvaliden leben derzeit in Südtirol. Im Vergleich zum Vorjahr gab es somit einen leichten Rückgang von 199 Personen bzw. -0,43% und dies, obwohl die Anzahl der Südtiroler Bevölkerung um 862 Personen (+0,16%) anstieg. „Wir gehen davon aus, dass der Rückgang vor allem auf die längeren Wartezeiten für fachärztliche Visiten im vergangenen Jahr zurückzuführen ist: Dem Ansuchen zur Feststellung der Zivilinvalidität müssen nämlich aktuelle ärztliche Zeugnisse belegt werden. Fehlen diese, so ist auch die entsprechende Gesuchstellung und folgliche Anerkennung nicht möglich.“
Je nach Schweregrad der Krankheitsgeschichte entscheidet eine Ärztekommission über das Ausmaß der sogenannten „allgemeinen Arbeitsunfähigkeit“ des Antragstellers. Je höher diese ist, desto höher auch der anerkannte Invaliditätsgrad, welcher von mindestens 34% bis maximal 100% mit Begleitgeld reicht. Mit Blick auf die Statistik wird deutlich, dass 45,6% aller Südtiroler Zivilinvaliden einen Invaliditätsgrad von unter 74% aufweisen – oder anders ausgedrückt: In Südtirol leben aktuell 20.991 Menschen mit einer anerkannten Zivilinvalidität zwischen 34 und 73 Prozent, das im Vergleich zum Vorjahr einem leichten Zuwachs von 33 Personen bzw. +0,16% entspricht.
Die aktuelle Statistik zeigt aber auch, dass tausende Südtiroler von schwerwiegenden Krankheiten betroffen sind, weshalb ihnen eine Zivilinvalidität von über 74% zuerkannt wurde. Mit diesem Invaliditätsgrad stehen dem Betroffenen verschiedene Hilfeleistungen zu. Eine davon ist die Zivilinvalidenrente von monatlichen 468,31 Euro, welche unter Einhaltung bestimmter Kriterien ausgezahlt werden kann. „Angesichts der Tatsache, dass diese Personen oft nicht in der Lage sind, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, ist diese finanzielle Unterstützung grundlegend“, erklärt Thomas Aichner weiter. Aktuell zählt Südtirol 11.401 Personen mit einem Invaliditätsgrad von 74% bis 99%, was im Vergleich zum Vorjahr einem Rückgang von 15 Personen entspricht (-0,13%).
Ebenso im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert ist die Anzahl der Vollinvaliden, sprich Personen mit einer 100%igen Zivilinvalidität: Mit einem Plus von 26 Personen stieg deren Zahl auf 7.524 Personen, das sind +0,35% mehr. Entgegen diesem Trend und mit einem deutlichen Rückgang von 243 Personen bzw. -3,81%, besteht die bedeutendste Schwankung bei jenen Menschen, die aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes eine 100- prozentige Zivilinvalidität mit Begleitgeld zuerkannt bekamen: Die Anzahl jener, welche ihren Alltag nicht mehr autonom bewältigen können und deshalb das Begleitgeld im Wert von monatlichen 527,16 Euro beziehen, sank von 6.380 auf 6.137 Personen.
Zivilinvalidität betrifft auch tausende Kinder, Jugendliche und junge Menschen im erwerbsfähigen Alter: Insgesamt beläuft sich die Anzahl der unter 64-jährigen-Zivilinvaliden auf beinahe 19.500 Menschen, wobei 1.639 Zivilinvaliden unter 18 Jahren und weitere 4.799 Zivilinvaliden unter 45 Jahren alt sind. „Die Zahlen belegen, dass es in Südtirol fast gleich viele Senioren mit Zivilinvalidität wie Zivilinvaliden im erwerbsfähigen Alter gibt“, berichtet Thomas Aichner. „40% aller Südtiroler Zivilinvaliden sind über 75-Jährige und weitere 39% sind zwischen 18 und 64 Jahre alt. Neben körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen erkranken viele zunehmend an psychischen Leiden wie Depressionen, Zwangsstörungen, die ebenso zur Zivilinvalidität führen können.“
Angesichts der zahlreichen Hilfeleistungen, die Zivilinvalidität und Gesetz 104/92 mit sich bringen, und da diese vom Urteil der Ärztekommission abhängen, herrscht nicht selten Uneinigkeit zwischen den Parteien.
„Wenn der Antragsteller nicht mit dem Bescheid der Ärztekommission einverstanden ist, so kann innerhalb von 60 Tagen Rekurs eingereicht werden“, informiert Thomas Aichner. Die Daten zeigen, dass bis zum Jahresbeginn 427 Rekursanträge gestellt wurden, was im Vergleich zum Vorjahr einem Zuwachs von 17 Anträgen bzw. +4,15% entspricht. Obwohl es sich hierbei um hunderte Rekursanträge handelt, sind es im Verhältnis wenige: Auf mehr als 12.000 behandelte Gesuche zur Feststellung der Zivilinvalidität, Gesetz 104 und gezielter Arbeitseingliederung kommen lediglich 3,2% Rekursanträge.
„Von Seiten unserer Mitglieder wissen wir, dass sich manche davor scheuen, einen entsprechenden Rekursantrag zu stellen. Bei Zweifeln sollte der Antragsteller jedoch keine Bedenken haben und sein Recht geltend machen. Die Zahlen zeigen aber auch, dass die Ärztekommissionen grundsätzlich eine faire Bewertung vornehmen und gute Arbeit leisten“, betont Thomas Aichner.
Die Vereinigung der Zivilinvaliden (ANMIC Südtirol) ist eine ehrenamtliche Organisation (EO) ohne Gewinnabsichten, die auf Staats- und Landesebene seit 1965 bzw. 1994 anerkannt ist. Als die einzige rechtliche und gesetzliche Vertretung der Zivilinvaliden und -versehrten vertritt die ANMIC Südtirol diese bei öffentlichen Ämtern sowie in privaten Betrieben, damit sie vollständig in den sozialen sowie beruflichen Alltag integriert werden. Mit mehr als 6.000 Mitgliedern ist die ANMIC Südtirol die größte Interessensvertretung für Zivilinvaliden und Menschen mit Behinderung in Südtirol.
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