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Zum 1. Mai

Machtinstrument Uhr

Kino zum 1. Mai? Cyril Schäublins „Unruh“ passt sehr gut dazu und ist am Montag im Astra in Brixen zu sehen. „Il sol dell’avvenire“ von Nanni Moretti erzählt auch von Arbeitenden. 

von Renate Mumelter

„Unruh“ erzählt von der Uhr und von der Unruh, die das Herz der Uhr zum Ticken bringt, und er erzählt von denen, die diese Feder in einer Schweizer Fabrik im Akkord für einen miserablen Stundenlohn zum Leben erwecken. Kontrolliert werden sie ironischerweise mit einer Uhr. Der  Kartograph Pyotr Kropotkin kommt in das Schweizer Tal, um hier das Land zu vermessen,  während die Fabrikarbeiterînnen dazu beitragen, die Zeit zu vermessen. Alles Maßeinheiten, die zum Maßregeln einladen. Druck entsteht. 

Als Gegengewicht entwickelt sich in der Fabrik und rundum Anarchie. Kropotkin hing damals schon der Idee der anarchistischen Kartographie an, ohne Zentren und ohne Grenzen. Regisseur Schäublin bringt anarchische Kameraeinstellungen, und die Arbeiterinnen lernen, dem Druck auszuweichen. „Unruh“ erzählt ohne Unruhe und kommt auf den Punkt. 

Zu sehen am 1. Mai im Astra in Brixen und am 5. Mai in Sterzing. Der Schweizer Cyril Schäublin war heuer Mitglied der BFFB-Jury. 

Nanni Moretti

ist ein Südtirol-Tourist der ersten Stunde. Weil seine Eltern 1953 gerade in Bruneck auf Urlaub waren, und er auf die Welt wollte, ist er in Südtirol geboren. 

Der Römer ist bekannt dafür, dass er in seinen Filmen immer im Mittelpunkt steht, „autoreferenziale“. Manchmal wird mir das zu viel, genau so wie seiner Filmfrau Paola in „Il sol del avvenire“. Sie will sich seit Jahren von ihm trennen, schafft es zunächst aber nicht, diesen Schritt zu tun. 

Als Produzentin produziert sie Giovannis (Moretti) neuesten Film, der die Revolution in Ungarn 1956 und die Reaktion des italienischen PCI auf den russischen Einmarsch zum Thema hat. Außerdem produziert sie mit koreanischem Geld den Film eines jungen Regisseurs, in dem mehr Blut zu sehen ist. Giovanni mischt sich ein, obwohl es ihn nichts angeht. Das gibt Moretti die Gelegenheit, alles unterzubringen, was er zum Kino und zu dessen Entwicklung ins Jetzt zu sagen hat. Es bietet ihm die Möglichkeit, seine Kenntnisse aus der Filmgeschichte unterzubringen, zu deklarieren, was er über Netflix denkt und über die Filmindustrie allgemein. 

Er nervt, und dieses Nerven wirkt streckenweise echt und streckenweise selbstironisch gut gespielt. Was es wirklich ist, bleibt offen. Jedenfalls werden am Ende der Geschichte die russischen Invasoren verdammt, und der italienische PCI macht sich auf einen eigenständigen Weg.

Cannes 

Nanni Morettis Film wird in Cannes gezeigt. Dort läuft er mit zwei weiteren italienischen Filmen im Wettbewerb mit „La chimera“ von Alice Rohrwacher und „Rapito“ von Marco Bellocchio. (16. bis 27. Mai). Im Wettbewerb übrigens auch der jeweils letzte Film von Wim Wenders und Aki Kaurismäki.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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