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Die Gratis-Pille

In Italien soll die Antibabypille künftig kostenlos erhältlich sein. Im Interview erklärt Senatorin Julia Unterberger, was sie von der AIFA-Entscheidung hält – und warum sie keinen Einfluss auf die niedrige Geburtenrate haben wird.

Tageszeitung: Frau Senatorin, vergangene Woche hat die AIFA grünes Licht gegeben: In Italien soll künftig allen Frauen die Antibabypille kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Ein wichtiger Schritt für die Frauen?

Julia Unterberger: Italien folgt endlich dem Beispiel anderer europäischer Länder wie Frankreich, Schweden und den Niederlanden, in denen die Antibabypille für Frauen kostenlos ist. Sehr oft verzichten junge Menschen auf Verhütungsmittel, weil sie zu teuer sind. Und das gilt auch für Kondome, mit all den Folgen für die Verbreitung von HIV.

Kann mit dieser Maßnahme auch jenen Frauen Zugang zur Pille ermöglicht werden, die bisher aus Kostengründen darauf verzichtet haben?

Das ist das Ziel. Die AIFA hat eine Belastung für die Staatskasse von 140 Millionen Euro errechnet. Neben der Antibabypille gibt es aber auch das wichtige OK für die Erstattungsfähigkeit von Medikamenten zur Prep, also der sogenannten HIV-Präexpositionsprophylaxe.

Dieser Vorschlag hat aber auch viele Kritiker auf den Plan gerufen, beispielsweise angesichts der stark sinkenden Geburtenrate in Italien…

Man erhöht die Geburtenrate nicht, indem man Frauen, die nicht die Absicht haben, Mütter zu werden, zwingt, Mütter zu werden. Um die Geburtenrate zu erhöhen, müssen die Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden, so dass eine Frau, die ein Kind zur Welt bringt, nicht gezwungen ist, ihre Arbeit aufzugeben. Es braucht Kinderkrippen, Ganztagskindergärten und -schulen und eine bessere Aufteilung der Familienarbeit zwischen Männern und Frauen, keine ewiggestrige Haltung.

Gegenwind kommt auch von Vereinen wie „Pro Vita & Famiglia“, die eine Gratis-Antibabypille ablehnen…

Das ist eine widersprüchliche Position, die mit der Realität nichts zu tun hat. Verhütungsmittel senken nämlich  nicht die Zahl der Neugeborenen, sondern die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche. Und sind die „Pro Famiglia“-Exponenten nicht erbitterte Abtreibungsgegner?

Warum ist der Gebrauch von Verhütungsmitteln im Vergleich zu anderen EU-Ländern in Italien so gering?

In Italien mangelt es an einer echten Sexualerziehung, die junge Menschen über die Risiken aufklärt, denen sie ausgesetzt sind, auch im Hinblick auf sexuell übertragbare Krankheiten. Das hat auch mit dem großen Einfluss der katholischen Kirche auf die Politik zu tun.

Wie könnte man diesem geringen Gebrauch noch entgegenwirken?

Indem man an der Aufklärung und schulischen Erziehung arbeitet und die Kosten für Verhütungsmittel senkt. Diese beiden Aspekte müssen Hand in Hand gehen.

In einigen Regionen gibt es eine derartige Regel bereits. Glauben Sie, dass nach diesem AIFA-Beschluss die Antibabypille schon bald in ganz Italien kostenfrei erhältlich sein wird? Oder braucht es dafür noch die Zustimmung der Regierung?

Die AIFA ist eine unabhängige Einrichtung und das Gesundheitsministerium hat kein Mitspracherecht bei ihren Entscheidungen. Einige PolitikerInnen der Mehrheit haben die AIFA aufgefordert, einen Schritt zurückzumachen, weil die Prioritäten andere seien. Aber wenn die AIFA diese Entscheidung getroffen hat, glaube ich nicht, dass sie von ihrem Standpunkt abrücken wird.

Interview: Sandra Fresenius

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