„Pfiati Gott, schöne Gegend“
Der Präsident der Südtiroler Tierärztekammer, Franz Hintner, würde die Bärin JJ4 einschläfern – und warnt davor, dass Wildtiere die Kontrolle über das Territorium erlangen.
TAGESZEITUNG Online: Herr Dr. Hintner, Ihre Trentiner Tierarztkollegen bzw. deren Standesorganisation haben beschlossen, dass Sie eine etwaige Todesstrafe für die Bärin JJ4 nicht vollstrecken würden …
Franz Hintner: Wenn sie meinen, dass das gut ist, dann sollen sie das machen. Ich teile diese Meinung nicht.
Sie würden die Bärin, die Andrea Papa getötet hat, umbringen?
Umbringen … das klingt krass. Es geht um Wildtiere, und es ist so, dass die Forstbehörde die primäre Zuständigkeit hat und nicht der tierärztliche Dienst. Als Amtstierarzt oder als freier Tierarzt haben ich nur die Kompetenz, dem Bären zunächst ein Narkosemittel und dann ein Euthanasiemittel zu verabreichen …
Wie würde eine Euthanasie ablaufen?
Der Bär würde zunächst mit einer Distanzimmobilisation betäubt, denn man kann ja nicht direkt zum Tier hingehen. Dann würde ihm eine Euthanasiemittel verabreicht. Das wäre das Procedere. Wenn also die Obrigkeit, sprich: der Landeshauptmann entscheidet, dass der Bär eingeschläfert wird, bin ich als Amtstierarzt verpflichtet, daran mitzuwirken. Es sei denn …
Es sei denn, sie sind – wie etwa ein Anti-Abtreibungs-Arzt – ein Gewissensverweigerer?
Richtig. Jeder Tierarzt hat und soll die Möglichkeit haben, nach seinem Gewissen und Wissen zu handeln. So ist es freilich auch umgekehrt. Wenn ich als Arzt beauftragt werde, einen Bären einzuschläfern, dann mache ich das. Die Tierärztekammer kann mich daher auch nicht suspendieren, wenn ich etwas mache, was rechtlich gedeckt ist. Ich kann aber nicht auf eigene Faust hinausgehen und einen Bären die Spritze geben.
Sie würden es also machen?
Ja, wobei ich noch einmal festhalten will, dass es die Forstbehörde und der Landeshauptmann sind, die die primäre Entscheidungskompetenz haben. Der Tierarzt ist nur in zweiter Linie für die Medikamente zuständig.
Im Fall einer Einschläferung würde der Bär also zunächst betäubt?
Ja, er würde ein Betäubungsmittel bekommen, damit er nichts mehr merkt. Und dann ein zweites Mittel, das zu einem Herz- und Lungenstillstand führt.
Das Tier würde nicht leiden?
Nein, überhaupt nicht. Es handelt sich – wenn Sie so wollen – um eine ganz humane Art der Einschläferung, so wie wir sie, wenn auch mit anderen Medikamenten, bei Hunden machen.
Wie würden Sie entscheiden, wenn Sie der LH von Trient wären?
Die Entscheidung ist viel zu lange hinausgezögert worden. Ich bin Realist und Praktiker und einer, der die Landwirtschaft erhalten möchte. Bären und Wölfe sind schon gut und recht, ich habe auch nichts gegen diese Tiere, aber es ist immer eine Frage der Menge. Es braucht eine Regulierung. Man muss also vorab klären: wie weit können wir gehen? Andernfalls kommt es zu einer Überpopulation von Bär und Wolf. Ein paar Wölfe tun uns nix, drei Bären sind kein Problem, bei über 100 Bären sage ich: Pfiati Gott, schöne Gegend!
Damit meinen Sie?
Irgendwann, wenn wir nicht regulierend eingreifen, kommt es so weit, dass Wölfe und Bären das Territorium kontrollieren. Wenn man diesen Weg der unkontrollierten Vermehrung gehen will, ist eine Landwirtschaft nicht mehr möglich.
Interview: Artur Oberhofer
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