Wie sexy sind die Wechseljahre?
50 Jahre überschritten, es ist aus, vorbei, da kommt nichts mehr, nur noch Herzrasen, Schweiß-Ausbrüche und die Weisheit des Alters lässt auf sich warten. Es ist Zeit, über die Wallungen des Klimakteriums zu reden, meint die Kabarettistin Ingrid Lechner in ihrem neuen Solo „Geaht’s no?! Ein Wechselkabarett für Frau und Mann“.
Tageszeitung: Frau Lechner, Sie haben eben Ihren 50. Geburtstag gefeiert. Wann haben Sie sich zuletzt als Sexiest Woman Alive gefühlt?
Ingrid Lechner: Letzten Samstag. Das Schöne daran war, dass ich es weder gesucht noch forciert habe. Dieses erhabene Gefühl war plötzlich da und dann konnte ich es auch wieder mit Leichtigkeit gehen lassen.
Funktioniert Ihr legendärer herzensverbrecherischer Rehblick noch oder hat er sich in die Lachfalten verzogen?
Ich freue mich immer, wenn ich herzhaft lachen kann, das Leben ist oft schwer genug. In dem Moment ist es mir dann auch egal, ob da Falten sind oder nicht. Der Rehblick funktioniert an und für sich schon noch, nur frage ich mich, ob ich damit viel Zeit verlieren möchte.
Wird es jetzt Zeit, die Memoiren zu schreiben oder schon das Testament?
Möglichweise sollte ich beides andenken. Ich könnte mir überlegen die Memoiren direkt ins Testament zu schreiben… dann müssten sich meine Erben durch sämtlichen Anekdoten durcharbeiten.
50 ist das neue 30, also kann Ihnen das halbe Jahrhundert auf ihrem Buckel ziemlich Wurscht oder wenigstens kein Grund zur Panik sein. Was macht Sie so misstrauisch, dass daran vielleicht etwas nicht ganz stimmt?
Seit ich meinen 50iger überschritten habe, geht es mir wieder gut, jetzt kann ich die Vorteile sehen. Es sind wohl auch die Hormone, welche Panik verbreiten, aber selbst das ist normal. Ich denke, dass Veränderungen grundsätzlich erst mal misstrauisch, bzw. unsicher machen.
Wechseljahre – klingt nicht wahnsinnig sexy, ist aber momentan ein heißes Thema unter Frauen. Was ist so witzig daran?
Witzig sind die Zustände, in die man katapultiert wird. Und ich denke, dass viele Frauen diese Wechselbäder mit Freude leben wollen. Raus aus der Schamecke und rein in den Lunapark.
Bislang waren die Wechseljahre eher etwas für Altherrenwitze. Warum sind sie auf einmal ein Fressen für Kabarettistinnen?
Als wir, Angelika Gruber und ich, die Idee geboren haben, die Wechseljahre „sexy“ zu machen, wussten wir nicht, ob dieses Thema überhaupt Interesse wecken kann. Es ist ein Tabuthema und um Tabus wird gerne ein großer Bogen gemacht. Während meiner Recherchen dachte ich, ich sei einfach in einer algorithmischen Blase drin. Wenn man schwanger ist, sieht man auch nur Schwangere. Aber dann habe ich gemerkt, dass es ein Thema ist, das breitflächig behandelt wird.
Wie lautet Ihr liebster Wechseljahre-Witz?
Erst mal empfindet man den Wechsel als tragisch, weil auch Verlust dabei ist. Und aus dieser Tragik entsteht der Humor. Aktuell ist mein Lieblingswitz ein Witz über die Männer-Wechseljahre: „Rinnt es noch oder tropft es schon.“ Keine Ahnung, ob jemand lacht.
Schreckliches wird dem Klimakterium angedichtet: Schweißausbrüche, Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Libidoflaute und und … Klingt irgendwie alles nach Klimawandel, oder?
Lustiger Vergleich… Natürlich ist der Klimawandel viel prekärer als ein persönliches Empfinden. Nun, die Symptome sind da, ja …aber nicht durchgehend und bei jeder Frau anders. Das Wort „Wandel“ gefällt mir. Es verwandelt sich was…. Es passiert eine Metamorphose und man weiß nicht, was rauskommt.
„Ich bin noch immer heiß, es kommt jetzt nur in Wellen“ lautet ein Ratgeberbuch für Frauen in den Wechseljahren. Schon mal so was herzerfrischend Kluges gelesen?
Lustiger Spruch… kannte ich noch nicht, muss ich mir merken. Aber im Zuge unserer Recherche haben wir u.a. viel Lustiges gefunden. Zum Glück gibt es jetzt ja vermehrt unterschiedlichste Literatur zu diesem Thema.
Sie waren schon Akt-Modell, Fließbandarbeiterin in einer Kaffee-Fabrik, Almwirtin, sind noch Kabarettistin, Schauspielerin und Theaterpädagogin. Solche Kokolores wie die Wechseljahre lacht eine Frau wie Sie doch locker durch Altersweisheit weg.
Die Altersweisheit ist an und für sich nicht ganz unumstritten. Bei mir lässt sie sich jedenfalls noch auf sich warten. Im Moment ist eher „Teenager mit Führerschein“ angesagt.
Das Alter ist ein Massaker sagt der Schriftsteller Philipp Roth und laut Bette Davis nichts für Feiglinge. Die meisten wären aber lieber ein Feigling als alt. Sie auch?
Im Moment bin ich ja noch recht fit und es geht mir gut. Gerne rede ich mit Menschen, die viel älter sind als ich und da gibt es auch die unterschiedlichsten Entwürfe. Jedes Alter hat seine Vorteile und seine Tücken.
Das Gerücht geht um, dass Frauen ab einem gewissen Alter in der Öffentlichkeit wie Luft behandelt werden. Stimmt das?
Kann das nicht allgemein beantworten. Ich persönlich konnte mich bis jetzt ganz gut bemerkbar machen. Aber eine Frau hat mir erzählt, es sei ihr so vorgekommen, als würde sie mit einem Schlag von der Ecke „sexuelle Belästigung“ in die Ecke „Unsichtbarkeit“ gestellt werden.
Gegen Falten helfen das Skalpell oder Gabelstapler voller Cremetöpfe. Wofür legen Sie die Hand ins Feuer?
Das ist ein großes Thema und vor allem steckt auch eine große Industrie dahinter….Zwischendurch bin ich natürlich auch für Kosmetika empfänglich, probiere dies und das, aber konkret überlege ich mir ernsthaft mit dem Rauchen aufzuhören.
Männer, ohnehin schon in der Schurkenecke, geraten in die Midlife-Crisis, gelten aber weiterhin als männlich. Eine patriarchale Gemeinheit?
Vielleicht gibt es für Männer mehr Vorbilder: schnittiger Porsche, junge Frau, neue Sportart ec. Abgesehen davon, dass dieser Habitus von außen manchmal eher angestrengt wirkt, bräuchten Frauen möglicherweise auch einen umfangreicheren Wirkungsraum. Es wäre an der Zeit, dass Frauen anfangen neue Entwürfe auszuloten.
„Geaht´s no?! Ein Wechselkabarett für Frau und Mann“ lautet ihr neues Soloprogramm. Was haben Männer bei dieser Frauensache zu suchen?
Fürs erste kommen Männer auch in die Wechseljahre, verlaufen anders und heißen anders, nämlich Andropause und fürs zweite haben Männer ständig mit Frauen zu tun. Vielleicht interessieren sich ein paar davon, was bei den Damen in ihrem Umfeld so abgeht.
Werden Sie in dem Kabarett zur Amazone der Menopause und rufen: Nieder mit dem Jugendwahn!
Nein, es geht eher in Richtung befreite Unabhängigkeit, es wird eine Versöhnung mit den Umständen angestrebt.
Das waren jetzt eine Menge blöder Fragen. Beantworten Sie uns einfach diese: Wie sexy sind die Wechseljahre?
Die Wechseljahre werden sexy, wenn man sich nicht mehr dafür schämt, sondern sich für die Lebendigkeit entscheidet und dabei die Chance ergreift, Erkenntnisse zu schöpfen. Im Übrigen finde ich die Fragen ganz und gar nicht blöd, im Gegenteil, es freut mich, wenn Interesse für dieses Thema da ist.
Interview: Heinrich Schwazer
Zur Person
Ingrid Lechner, 1971 in Brixen geboren, ist Kabarettistin, Schauspielerin und Theaterpädagogin. Sie studierte Schauspiel in Berlin und Innsbruck und arbeitete in Deutschland, der Schweiz, Nord- und Südtirol. Beruflich machte sie Ausflüge in verschiedene Sparten. Sie war schon Akt-Modell, Fließbandarbeiterin in einer Kaffee-Fabrik, Alm- Wirtin und ist Mutter von zwei Söhnen. In den letzten Jahren war sie vor allem in der Dekadenz Brixen, im Tschumpus und im Stadttheater Bruneck zu sehen.
Nach „Täglich grüßt die Nachbarin“, „Drüber – Eine kabarettistische Theatercomedy“, „Willkommen – Eine Vorführung mit Leidenschaft“ und dem Live-Stream „Apokalypse isch Now“, ist „Geaht’s no!?“ die fünfte Produktion von Fun Fatale. Fun Fatale ist ein Kollektiv, das sich dem Kabarett verschrieben hat und Frauenthemen in den Mittelpunkt stellt.
Regie zu „Geaht’s no?!“ führt Angelika Gruber. Die Boznerin lebt und arbeitet in München. Nach ihrer Ausbildung an der „Zelig“, begann sie, als Cutter-Assistentin beim Bayrischen Rundfunk, später inszenierte sie für den Sender Kabarett-Programme. Sie bezeichnet sich selbst als „Wandlerin zwischen den Welten“ Theater, Comedy und Film. Sie arbeitete schon mit bekannten bayrischen Kabarettist:innen wie Christian Springer, Michael Altinger und Constanze Lindner. Mit „Geaht’s no?!“ gibt sie ihr Kabarett-Debüt in Südtirol.
Angelika Gruber und Ingrid Lechner kennen sich schon seit der Schulzeit. Ihr erstes gemeinsames Projekt war das Theaterstück „Top Girls“ (produziert mit dem Frauenmuseum in Meran) das Angelika Gruber 1998 inszenierte und in dem Ingrid Lechner spielte. 2007 verwirklichten sie gemeinsam den Dokumentarfilm „Margarete – Die letzte Gräfin von Tirol“.
In ausführlichen Recherchen und Interviews, näherten sie sich dem Thema an: „Miriam Steins Buch ‚Die gereizte Frau‘ war eine wichtige Inspiration für uns“, sagt Gruber: „Sie schreibt, dass es aktuell 500 Millionen Frauen über 50 gibt. Wir sind Viele und es ist unmöglich, uns weiter zu ignorieren! Es ist Zeit für die Ent-Tabuisierung des Alters!“ Die Macherinnen haben das Thema so kurz vor der Premiere noch nicht satt: Partnerschaften mit Frauen-Organisationen sind am entstehen, um das Thema breiter zu transportieren.
Im Zentrum von „Geaht’s no?!“ steht eine Frau in ihren 50ern, die sich in Überlegungen, Krisen und Geschichten verstrickt. Daraus entwickelt sich ein humorvoller Abend mit viel Witz und Tiefe. Ingrid Lechner navigiert uns mit dem neuen Soloprogramm ab dem ersten April durch die Wallungen des Klimakteriums. Auf der Jagd nach Antworten führt sie uns Richtung befreites Chaos zur absoluten Gewissheit: Der Wechsel kommt – für alle!
Termine: 29. April um 20.00 Uhr im Theater Gossensass, am 19. Mai um 20.00 Uhr im Haus der Dorfgemeinschaft Schabs.
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