Der Snus-Boom
Immer mehr Jugendliche in Südtirol snusen: Ein junges Rechercheteam um den Südtiroler Friedrich Hainz ist der Frage nachgegangen, wie gefährlich die Nikotinbeutel sind – und mit welchen Tricks die Tabakindustrie arbeitet.
TAGESZEITUNG Online: Herr Hainz, was gab Ihnen den Anreiz eine Doku über Snus zu machen?
Friedrich Hainz: Tatsächlich gab es für uns keinen konkreten Anreiz. Wir sind eine Gruppe von Studenten, die auf der Suche nach einem guten Thema waren, um ein multimediales Format umzusetzen. Wobei wir letztendlich auf diese Thematik stießen und uns weiter in sie vertieft haben. Vor allem in Österreich stießen wir nach kurzer Recherche auf interessante Erkenntnisse, woraufhin uns klar war, dass wir das Ganze verfilmen mussten. Dies war nicht ganz einfach, da wir doch noch recht unerfahren in diesem Bereich waren. Es war somit ein richtiges „Learning-by-doing“-Projekt.
Was ist eigentlich Snuns und inwiefern unterscheidet es sich von Nikotinbeuteln?
Snus wie auch Nikotinbeutel sind bei Jugendlichen sehr begehrt, dennoch wissen viele nicht, dass diese beiden Begriffe sich in vielerlei Hinsicht unterscheiden. Nikotinbeutel sind, wie der Name schon sagt, unabhängig vom Herstellungsverfahren tabakfrei und noch recht neu auf dem europäischen Markt. Wohingegen Snus eine Methode zur Einnahme von Nikotin beschreibt, die es in Schweden schon seit dem frühem 18. Jahrhundert gibt. Beide Produkte werden als Beutel zwischen Lippe und Zahnfleisch gelegt, mit dem Unterschied, dass bei Snus Tabak verwendet wird. Augenscheinlich kann man die beiden Produkte durch ihre Färbung unterscheiden, da die Snusprodukte aufgrund ihres Tabakanteils eine bräunliche Färbung haben, wohingegen die Nikotinbeutelchen weiß sind.
Worin besteht der wesentliche Unterschied?
Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass Snus ein Tabakprodukt ist, welches in der EU schon lange verboten ist, weshalb jegliche Importe illegal sind. Um dieses Verbot zu umgehen, hat sich die europäische Tabakindustrie einen „Schmäh“ einfallen lassen und hat tabakfreie Snusprodukte auf den Markt gebracht, welche somit nicht dem Snus-Verbot der EU unterliegen. Dennoch enthalten diese Produkte nach wie vor Nikotin und machen süchtig, weshalb sie alles andere als ungefährlich sind. Das ist der „Schmäh“, den wir versuchen in unserer Doku gemeinsam mit Hashtag Media zu thematisieren und somit in die Öffentlichkeit zu rücken.
Die Werbung hat vor allem das jüngere Publikum ins Visier genommen, obwohl es bei ihnen mitunter zu den verheerendsten Konsequenzen kommen könnte. Wie stehen Sie dazu?
Genau das ist auch eines der Hauptthemen unserer Geschichte. Wir sehen die Vorgehensweise, wie für die Produkte geworben wird, sehr kritisch, da vor allem in Österreich die Produkte fast vogelfrei verkauft werden, als wenn es „Zuckerlen“ wären. Im Gegensatz zu Deutschland, wo sie von Markt genommen wurden, da sie vom Bundesinstitut für Risikobewertung als gesundheitsgefährdend eingestuft wurden. Dadurch sind wir auf dieses Thema gekommen, da wir in der Recherche merkten, dass in Österreich kaum etwas vorankommt, obwohl schon vor vielen Jahren die Tabak- und Zigarettenwerbung verboten wurde.
Welche Gefahr geht von Nikotinbeuteln aus?
Zurzeit liegen noch keine Studien vor, welche die längerfristige Situation verdeutlichen, da diese Produkte noch ganz frisch auf dem Markt sind, weswegen man noch kein festes Urteil fällen sollte. Dennoch kann man davon ausgehen, dass aufgrund der Tatsache, dass Nikotinbeutel keinen Tabak enthalten und keinen Rauch erzeugen, die Lungen nicht durch solche Faktoren geschädigt werden. Dafür gibt es aber andere Bereiche des Körpers, die angegriffen werden, wie die Mundschleimhaut und der Bereich abwärts der Mundhöhle, weshalb zwar nicht dieselben Schäden auftreten, die eine Zigarette verursacht, jedoch werden diese durch andere ersetzt. Ein weiterer Punkt ist die Gefahr, die gleichermaßen von Nikotinbeuteln wie auch von Snus ausgeht: Nikotin und die dadurch resultierende Gefahr einer Sucht.
Welche Gruppen interessieren sich besonders für Nikotinbeutel?
Wir haben versucht uns einen groben Überblick zu verschaffen, weshalb wir uns beispielsweise mit Schulen und Suchtpräventionsstellen auseinandergesetzt haben. Grundsätzlich sagen die Meinungen einiger Experten sowie unsere Eindrücke aus, dass Nikotinbeutel bei jungen Erwachsenen ein sehr verbreitetes Phänomen sind, dies gilt vor allem für junge Männer und Sportler.
Wie sieht die Situation in den Schulen aus?
Dadurch dass die Nikotinbeutel in Österreich zum Verkauf freistehen, gibt es auch immer mehr jüngere Konsumenten. Hierbei haben wir auch stichprobenartig eine Umfrage in einer Schule veranstaltet, wobei die meisten Teilnehmer zwischen 14 und 18 Jahre alt waren. Das Ergebnis war, dass von circa 200 Schülern ungefähr ein Fünftel schon Kontakt mit solchen Produkten hatte. Hierbei handelt es sich aber um keine offizielle Studie und es gibt leider auch keine Zahlen zu diesem Phänomen. Aber es kann einfach nicht sein, dass diese Produkte überall zirkulieren und beworben werden, ohne geprüfte Informationen aufweisen zu können.
In der Doku wird auch kurz die Wahrnehmung der Jugendlichen angesprochen…
Hierbei hat die Psychologin einer befragten Schule die Aussage „Wenn es legal ist, ist es nicht gefährlich“ getätigt, um die Wahrnehmung mancher Jugendlichen zu beschreiben, wenn die Produkte so frei verkauft werden wie in Österreich. So etwas kann dazu führen, dass uninformierten Jugendlichen vermittelt wird, dass der Konsum dieses Produkts nicht bedenklich ist, weil es sonst schließlich nicht verkauft werden würde.
Interview: Stefanie Putzer
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Kommentare (3)
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leser2020
Wie im letzten Absatz steht: „Wenn es legal ist, ist es auch nicht gefährlich“. Wir müssen auf unsere Jugendlichen aufpassen. Diese Einstellung gilt auch für andere Bereiche.
Nicht Einhaltung von Regeln ohne Konsequenzen auch im schulischen Bereich sind kein Regeln. Wegschauen ist unverantwortlich und ich hoffe, dass sich auch die Politik dem bewusst wird.
seta
Im Moment habe ich eher den subjektiven umgekehrten Eindruck: „Je illegaler, umso cooler!“… Und die größere Motivation gegen Regeln zu verstoßen, als sich „brav“ daran zu halten. Höheres Aggressionspotential? Bedürfnis nach Aufmerksamkeit? Langeweile?
Ich denke, man sollte primär nach dem Grund danach suchen, warum Jugendliche vermehrt das Bedürfnis nach Suchtmitteln, in welcher Form auch immer, äußern und Lösungsvorschläge erarbeiten, die ihnen „gesunde“, weniger selbstdestruktive Alternativen bieten!
leser2020
Es gibt neben diesen ungebildeten Exemplaren noch „normale“ Jugendliche. Früher hatten die Schüler manchmal Angst vor den Lehrern, heute müssen Lehrer Angst vor den Schülern haben. Und dann beklagen wir uns über Lehrermangel…
Natürlich gibt es Jugendliche aus schwierigen Familienverhältnissen. Aber auch früher war nicht immer alles überall easy und trotzdem musste man bestimmte Regeln befolgen. Zudem mussten früher die Eltern mehr Stunden arbeiten als heute. 6-Tage-Woche war Standard. Ich habe für Vieles Verständnis, aber nicht für Eltern, die aus Bequemlichkeit ihren Zöglingen keine Bildung beibringen und sich aus irgendwelchen Luxus-Problemen aus ihrer Verantwortung stehlen.