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Das Papiertaschentuch

Christine A. Maier beim BFFB-Talk mit Editorin Nela Märki zum spannenden Thema Bildgestaltung

Was der Ton im Film tut. Die BFFB-Masterclass mit dem Sounddesigner Vasco Pimentel war aufschlussreich und amüsant.

 von Renate Mumelter

Was hat ein zerknülltes Papiertaschentuch mit Film zu tun? Viel, denn es kann die Aufmerksamkeit dorthin holen, wo sie normalerweise nicht ist, zum Ton. Toningenieur und Sounddesigner Vasco Pimentel zeigte in seiner Masterclass, welch große Rolle der Ton beim Film spielt. Gemeint ist damit nicht primär die Filmmusik, gemeint ist die Tonspur, die das Publikum nicht so bewußt wahrnimmt. Dabei ist sie es, die Gefühle lenkt.

Töne triggern

„Zum Überleben entwickelten Tier und Mensch ein gutes Gehör. Die Maschine Mensch, die Hardware, ist seit der Urzeit dieselbe geblieben, und deshalb sind auch unsere Reaktionen auf Töne gleich geblieben“, sagt Vasco Pimentel. Deshalb ist es so wichtig, Film zu hören, Drehbücher zu hören, nicht nur zu sehen. Wenn nämlich in einer Mondnacht Grillen zirpen, kommt bei uns ein anderes Gefühl auf als wenn Wind rauscht oder wenn es irgendwo brummt.

„Töne werfen Fragen auf“

sagt Pimentel und zieht ein zerknülltes Papiertaschentuch aus der Hosentasche. Er zeigt es her, und es ist klar, dass das ein Papiertaschentuch ist. Wenn aber dasselbe Papiertaschentuch unsichtbar hinter seinem Rücken raschelt, kommt Spannung auf, es stellen sich Fragen. Pimentels überspitztes Fazit dazu: „Image is not interesting“. Der Ton erzählt jedenfalls immer seine eigene Geschichte. Pimentel macht das am Wenders-Film „Lisbon-Story“ deutlich, bei dem er für den Sound zuständig war. Ein Tonmann fährt mit seiner alten Karre quer durch Europa bis Lissabon. Diese Fahrt wird im Ton erzählt, und zwar durch das Autoradio, das ständig spielt, allerdings in wechselnden Sprachen. „Über den Sound reist man mit ihm mit, du hörst, was er hört, hörst dann auch ihn sprechen, bist mittendrin, identifizierst dich“, erklärt Pimentel.

Toningenieur Winter in Wenders‘ „Lisbon Story“. Pimentel war für den Ton zuständig

Filme hören

Über Töne können Filme das Publikum herholen, und da ist entscheidend, mit welchen Tönen der Film startet. Bei einem Film einfach „einen Eimer von Musik draufzuschmeißen“, wie Pimentel es formuliert, bringt gar nichts. Die Tonspur muss stimmen. Die Filmmusik natürlich auch. Für Filmemachende ist es wichtig, ein Drehbuch zu hören, für das Publikum ist es spannend, sich beim Filmeschauen zwischendurch auf das Gehör zu fokussieren. Ausprobieren.

Maier, Quadri, Andreu, Pimentel

Bildgestalterin Christine A. Maier setzt den Thesen von Pimentel auf Nachfrage entgegen, dass Bilder auch geheimnisvoll sein können. Im BFFB-Talk gestern gab sie über ihre Arbeit Auskunft, über die Branche und wie diese sich für Frauen verändert hat. Fachleute, Denkanstöße, Dialoge, das ist es, was ein Festival über die Filme hinaus zu einem solchen macht. Wenn es dann noch deutlich macht, dass Film Teamwork ist, also mehr ist als Schauspiel und Regie, ist ein wichtiges Ziel erreicht. Bei dieser BFFB-Ausgabe stehen die Bildgestalterin, der Editor und der Sounddesigner im Vordergrund.

Aufsteiger Galicien

Es ist dunkel, Baumkronen schwanken, fallen aus dem Bild, im Ton kracht es. Großartig. So beginnt „O Que Arde“ von Oliver Laxe, ein Spielfilm, der Waldbrände und Menschen zum Thema hat. Es ist „der wichtigste Film aus der Geschichte des neuen galicischen Kinos“, wie es bei der Eröffnung der Reihe Focus Europe Galicia hieß. Galicien hat knapp 2,7 Millionen Einwohner, liegt im Norden Spaniens, spricht eine eigene Sprache und eine eigene Filmsprache. In den letzten 15 Jahren wurde es zu einer bedeutenden Filmregion. Sechs Filme sind beim BFFB zu sehen.

 

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