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„Luft nach oben“

Foto: lpa/Familienagentur/Ingrid Heiss

Von wegen Vorbildcharakter: Im europäischen Vergleich verfolge Südtirol noch immer eine „hinterwäldlerische“ Familienpolitik, kritisiert Christa Ladurner von der Allianz für Familie.

von Matthias Kofler

Zuletzt haben mehrere ausländische Medien groß über die Südtiroler Familienpolitik berichtet, weil diese europäischen Vorbildcharakter habe. Christa Ladurner von der Allianz für Familie bezeichnet die Berichterstattung als „oberflächlich“. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf lasse in der Autonomen Provinz immer noch zu wünschen übrig. Außerdem verzeichne das Land einen bedenklichen Rückgang bei den Geburten. Um das Gleichgewicht zwischen der jüngeren und älteren Generation halten zu können, brauche es mindestens zwei Kinder pro Frau. Davon sei Südtirol weit entfernt.

Ladurner verweist auf Daten aus den Geburtenstationen, wonach die Zahl der Geburten zwischen 2019 (5.249) und 2022 (4.975) um acht Prozent zurückgegangen ist. Dies sei unter anderem auf die wirtschaftlichen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zurückzuführen. „Es wäre daher das völlig falsche Signal, wenn wir uns jetzt ausruhen würden“, warnt die Sprecherin der Allianz für Familie.

Ladurner sieht eine der großen Herausforderungen in der hohen Zahl von Eltern, die im ersten Lebensjahr ihres Kindes kündigen, um auf ihre Kinder schauen zu können und gleichzeitig Arbeitslosengeld zu erhalten. 2022 wurden insgesamt 1.200 Kündigungen verzeichnet. Ebenso bedenklich sei es, dass die Erziehungszeiten bei der Altersvorsorge nicht anerkannt werden, weshalb gerade Teilzeit arbeitende Mütter schnurstracks in die Altersarmut tappen würden. Zwar habe das Land massiv in die Kleinkindbetreuung investiert, erklärt Ladurner.

Christa Ladurner

In der Sommer- und Nachmittagsbetreuung sei das Angebot aber nach wie vor unzureichend, wie die ASTAT-Familienstudie aufzeigt. Ein Drittel der Befragten gaben an, während der langen Sommermonate oder an den Nachmittagen Schwierigkeiten bei der Betreuung ihrer Kinder zu haben. Laut ASTAT können 64 Prozent der Eltern glücklicherweise auf die Hilfe der Großeltern zurückgreifen. „Die Last liegt auf den Schultern der buggelnden Großeltern. Doch was tun Familien, in denen es keine Großeltern gibt oder wo die Großeltern selbst einer Arbeit nachgehen müssen?“, fragt sich Ladurner.

Ihr Fazit fällt ernüchternd aus: Im Vergleich zu den nordischen Staaten betreibe Südtirol immer noch eine „hinterwäldlerische Familienpolitik mit viel Luft nach oben“. Die Probleme in der Kinderbetreuung und Zukunftsabsicherung sowie die schlechten Arbeitsbedingungen für Eltern seien auch einer der Hauptgründe dafür, dass Südtiroler im Ausland bleiben und ausländische Fachkräfte nicht nach Südtirol kommen würden.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (15)

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  • autonomerbuerger

    Treffer!!!……Versenkt!!!

  • hannelore

    Mit der Altersvorsorge der arbeitenden Mütter schaut es ganz schlecht aus: Die Zeit des fakultativen Mutterschutzes wird für die Pension nur zu 30 Prozent angerechnet. Altersarmut vorprogrammiert!

  • sougeatsnet

    Bitte die Statistik richtig interpretieren: nicht unsere Frauen sorgen für mehr Kinder, sondern die bei uns lebenden Ausländer. Dann schaut das Bild schnell anders aus und Frau Deeg muss andere Schlüsse ziehen. Einfach nur zum Schämen, solche mit Mittelwerten schöngerechneten Zahlen als Bezugspunkt von Entscheidungen zu nehmen. Frau Deeg ist eine totale Fehlbesetzung.

  • placeboeffekt

    “ Von wegen Vorbildcharakter”

    Der Artikel im Guardian betraf Italien bzw Südtirol im Vergleich zum Rest des Landes

    Jetzt den Bogen zu den skandinavischen Staaten zu spannen heißt das alles völlig aus dem Zusammenhang zu reißen

    Seltsamerweise wird z.B. Norwegen von einer bestimmten politischen Gruppierung immer der Vorbildcharakter zugesprochen- wobei diese wohlweislich die Finanzierung dieser sozialen Wohltaten unterschlagen:
    Öl-das böse Öl

  • romy1988

    Daumen nach oben für diesen Bericht! Nur um den Kindergarten zu nennen: er gehört das ganze Jahr geöffnet, denn es kann nicht sein, dass das Kindergartenpersonal in der gesamten Ferienzeit Zuhause bei seinen Kindern bleiben kann, während andere arbeitende Frauen nicht wissen, wohin mit dem Nachwuchs. Unser Land als herausragend zu nennen, ist lächerlich.

  • klum

    Es ginge auch noch ganz anders:
    – Mütter müßten in der Elternzeit zu 100% rentenversichert sein und über ein Lebensminimum verfügen können.
    – Großeltern (zumindest ein Teil) dürfen früher in Rente z.B. 1 bis 2 Jahre pro Enkelkind.
    – Kinderlose Paare, die ja gar nichts zum „Erhalt der Bevölkerung“ beitragen, höher besteuern um den anderen Teil zu finanzieren.
    – Jegliche Anreize schaffen, dass sich Paare wieder mehr Kinder „zulegen“. Und nicht das Gegenteil!

    PRIORITÄTEN setzen: Was brauchen wir (egoistisch gesehen) am meisten um im Alter halbwegs über die Runden zu kommen? KINDER die irgendwann auch älter werden, Steuern zahlen oder auf die Alten schauen. Irgendwann betrifft uns das schließlich alle.

    • placeboeffekt

      Klingt einfach und einleuchtend- wird aber kaum durchzuführen sein

      – wenn Paare keine Kinder kriegen können wie bestrafen sie diese?
      – wie wollen sie bei gleichgeschlechtlichen Paaren verfahren?

      Die Politik muss wenn dann Anreize schaffen um Kinder zu bekommen

      Aber welcher mit mehr als unterdurchschnittlicher Intelligenz gesegneter Mann möchte sich das überhaupt antun- freiwillige Sklaverei bis ans Lebensende

  • exodus

    @klum Was Sie schreiben ist doch beleidigenden. Nicht alle Eltern haben das Glück Kinder zu bekommen und wenn man keine Kinder will, ist es doch eine Privateinstellung. Kinderlose Ehepaare liegen dem Staat oder der Gemeinde nicht auf der Kasse, Kindergarten, Schule, Studium etc. Was wollen Sie denn da bestrafen?…Überlegen Sie sich was Sie schreibe!!

  • andreas

    @klum
    Mit dem Kindergeld erhalten Eltern doch Steuergelder, kinderlose zu bestrafen, ist der falsche Weg.
    Nebenbei sind wir viel zuviele auf der Welt, ist nur etwas ungeschickt verteilt.

  • brutus

    Ich sage nur eins:
    Bürgergeld sollte nur Müttern zustehen, samt einer Rentenversicherung für drei Jahre!

  • na12

    Niedrige Löhne sind das Problem. Wer Geld hat, kann sich auch Kinderbetreuung leisten.

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