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Tizza Covi über Vera Gemma

Rainer Frimmel, Vera Gemma und Tizza Covi mit den Löwen für die beste Regie und die beste Hauptdarstellerin (Sektion Orizzonti): Als ich Vera das erste Mal sah, habe ich sie irrsinnig vorverurteilt, weil sie so viele Schönheitsoperationen hatte, weil sie so provokant angezogen ist, weil sie Markenkleider trägt. (Foto: Anna Stöcher)

Mit dem preisgekrönten Film von Tizza Covi und Rainer Frimmel startet heute das Bolzano Filmfestival Bozen. Die Boznerin Tizza Covi erzählt von ihrer Arbeitsweise und davon, wie es zum Film kam.

Tageszeitung: Eines der Merkmale des neuen BFFB ist das Hybride. Ihr habt schon sehr früh angefangen so zu arbeiten. Was hat euch dazu bewogen?

Tizza Covi: Die Frage der Hybridität stellt schon sich seit Beginn der Filmgeschichte. Der allererste Film „Arbeiter verlassen die Lumière-Werke“ arbeitet bereits so. Wenn man die Minute Dokumentarfilm genau ansieht, merkt man nämlich, dass alle instruiert sind, alle sind schön angezogen, niemand schaut in die Kamera, jeder hat seine Aufgaben. Für uns muss ein guter Film Emotionen schaffen und muss den Hauptprotagonisten gerecht werden.

Auch „Vera“ spielt zwischen Realität und Fiktion.

Das möchte ich noch einmal betonen, Vera ist ein hundertprozentiger Spielfilm. Sie gibt zwar viel von ihrer eigenen Geschichte preis, aber sie spielt eine Rolle, sie ist nicht sie selbst. Diese schwierige Gratwanderung hat sie mit Bravour gemeistert. Grundsätzlich schreibe ich die Drehbücher für meine Protagonistinnen und Protagonisten, d.h. ich kenne sie alle zuvor, kenne ihre Stärken, ihre Schwächen, ihre Vergangenheit und ihre Träume und kann das ins Drehbuch einbauen. Es ist schon so, dass da sehr viel echt ist.

Wie hat sich Vera Gemma mit dem Film gefühlt, als er fertig war?

Sie hat dem Film sehr vertraut, wollte ihn nicht einmal vor der Premiere sehen. Wir waren vor dem Dreh schon einige Jahre befreundet. Sie empfindet für uns eine unendliche Dankbarkeit und alles,  was mit dem Film passiert, ist etwas vom Schönsten in ihrem Leben, weil sie da endlich einmal die Möglichkeit bekommen hat, zu zeigen, dass sie auch was kann, dass sie auch wer ist.

Vera Gemma eröffnet das BFFB. Im Bild mit ihrer besten Freundin Asia Argento

Wie bist du seid/ihr auf Vera Gemma gekommen?

Als ich Vera das erste Mal sah, habe ich sie irrsinnig vorverurteilt, weil sie so viele Schönheitsoperationen hatte, weil sie so provokant angezogen ist, weil sie Markenkleider trägt. Als ich sie besser kennenlernte, merkte ich, was für ein reizender Mensch sie ist und empfand eine Art Scham, weil ich ja immer von mir behaupte, ich hätte gar keine Vorurteile. Es entstand eine Freundschaft. Unabhängig davon traf ich später im Zug zufällig auf einen Versicherungsbetrüger, der mir stolz von seinem Beruf erzählte. Vera ist in ihrem Leben oft von ihren Liebhabern betrogen worden, und die zwei Geschichten haben sich so gut verwebt, dass ich dachte, man könnte mit Vera einen Film machen. Ich durfte Veras gesamtes Umfeld kennenlernen, ihre beste Freundin Asia Argento, ihren Schönheitschirurgen, ihren Agenten, ihre Schwester, ihre Nichte. Aus diesem Pool von Menschen habe ich jene ausgesucht, mit denen ich arbeiten wollte. Die Familie in San Basilio, der zweite Teil des Films der in der Vorstadt von Rom spielt, wurde gecastet. Das sind keine Laiendarsteller – der Begriff ist mir viel zu negativ konnotiert – sondern hoch talentierte Menschen, die das erste Mal vor der Kamera stehen. Das Drehbuchschreiben habe bei diesem Film ich übernommen, ansonsten arbeite ich wie immer mit Rainer Frimmel zusammen, der die Kamera, Produktion und Co-Regie innehat.

 Wird Vera Gemma in Bozen sein?

 Ja, sie kommt mit ganz großer Freude und mit einem Cowboyhut im Gepäck. Sie nimmt immer den weißen, den roten und den schwarzen mit. Es sind ihre Glücksbringer, Geschenke ihres Vaters, den sie innigst liebt trotz der Schwierigkeiten, die sie dadurch hatte, dass sie Giuliano Gemmas Tochter ist.

 Euer Film hat schon mehrere Preise gewonnen. Wie erfolgreich kann er im Kino sein?

Das ist momentan sehr sehr schwer. Ich möchte da einen Appell starten, weil Menschen immer aufstehen müssen kurz bevor etwas verloren geht, und Kinosäle sind knapp davor verloren zu gehen. Wenn ich möchte, dass mein Kind oder mein Enkelkind noch ins Kino gehen kann, dann muss ich jetzt was tun, dann muss ich jetzt die Kinos unterstützen.

Interview: Renate Mumelter

 

BFFB-Info

„Vera“ ist auch noch am Mittwoch um 17.45h zu sehen, außerdem kommt er nach dem BFFB ins Filmclub-Programm.

„Trieste è bella di notte“ von Andrea Segre ist ein Dokumentarfilm, den man unbedingt gesehen haben sollte (auch angesichts der aktuellen politischen Debatten).

Um 21h beginnt der zweite Dokumentarfilm „Umberto Eco – La biblioteca del mondo“ von Davide Ferrario.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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