„Und dann steht der Täter vor der Tür“
Die Mutter des 13-jährigen Mittelschülers aus Burgstall, der von vier Minderjährigen im Schulbus verprügelt wurde, schlägt Alarm: Das Phänomen der Jugendgewalt in Südtirol werde unterschätzt.
von Artur Oberhofer
Andrea Z. stellt sich immer wieder die beklemmende Frage: „Was ist in einem halben Jahr? Was ist in einem Jahr? Steht dann plötzlich einer der Täter vor unserer Haustür?“
Andrea Z. ist die Mutter jenes 13-jährigen Jungen aus Burgstall, der am Nachmittag des 21. März dieses Jahres in einem Sasa-Bus von vier Jugendlichen mit Migrationshintergrund provoziert und dann verprügelt worden ist.
Zwar hat es nach dem gewaltsamen Übergriff auf den jungen Burschen aus Burgstall einen medialen Aufschrei und Krisensitzungen auf mehreren politischen und schulischen Ebenen gegeben. Doch Andrea Z. hat das Gefühl, dass das Phänomen der Gewalt unter Jugendlichen noch immer „sträflich unterschätzt“ werde. „Man hat noch nimmer nicht verstanden, wie weitreichend und vielschichtig das Problem ist“, sagt die Mutter des verprügelten Jungen, „und man hat offenbar noch immer nicht kapiert, dass die Politik und die Behörden schleunigst handeln sollten.“
Jetzt, wo es ihren Sohn getroffen hat, macht Andrea Z. ein Gefühl der Ohnmacht zu schaffen. Zuerst der große Aufschrei, passiert sei aber (fast) nichts. „Die Einsicht, dass wir es mit einem gravierenden Problem zu tun haben, wird es wohl erst dann geben, wenn es den Richtigen erwischt“, vermutet sie, „zum Beispiel einen Urlauber oder einen Sprössling aus einer einflussreichen Familie.“
Ihr selbst hätten nur die Carabinieri ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, sagt Andrea Z. Die Landtagsabgeordnete der Freiheitlichen, Ulli Mair, hat der besorgten Mutter aus Burgstall einen Termin beim Landeshauptmann vermittelt. „Der Herr Landeshauptmann“, erzählt Andrea Z., „hat gesagt, dass der Politik die Hände gebunden seien, aber zumindest hat er zugegeben, dass wir hier in Südtirol ein Sicherheitsproblem haben.“
Ulli Mair, die sie zum Gespräch mit Arno Kompatscher begleitet hat, habe ihr danach erklärt, dass es „eh schon viel ist, wenn der Landeshauptmann dies eingesehen hat“.
Die Fälle von Gewalt unter Jugendlichen würden von den zuständigen Behörden zwar bedauert und zur Kenntnis genommen, „aber wirklich zuständig fühlt sich im Grunde niemand“, bedauert Andrea Z.
Man habe ihr in den vergangenen Wochen gebetsmühlenartig aufgezählt, welche Präventionsmaßnahmen getroffen worden seien, um die minderjährigen Straftäter wieder auf die richtige Spur zurückzubringen. „Andererseits lesen wir täglich von Vandalenakten, tätlichen Auseinandersetzungen und Messerstechereien“, gibt Andrea Z. zu bedenken.
Was würde sie mit den jugendlichen Tätern machen?
Andrea Z. schickt voraus, dass sie „keine Expertin“ sei. Es obliege der Politik, den Sozialarbeitern und den Sicherheitsbehörden, das Phänomen in den Griff zu bekommen. „Ich weiß nur, dass es allein mit schönen Reden nicht getan ist, vielleicht sollte man straffällig gewordene Jugend in ein Heim bringen, beispielsweise auf Kloster Säben“, sagt sie provokant, „oder vielleicht sollte man Sozialleistungen daran koppeln, ob die Empfänger ihrer Aufsichtspflicht gegenüber minderjährigen Kindern gerecht werden.“
Sie wisse nicht, welcher der richtige Weg sei, sagt Andrea Z., sie wisse nur, dass etwas getan werden müsse.
Eine Gesellschaft funktioniere nur mit Regeln. Im Falle einer Straftat –vor allem bei Minderjährigen – müssten klare Grenzen gesetzt werden. „Die Konsequenzen müssen hart und weitreichend sein“, glaubt Andra Z., „so dass sie sich auf die gesamte Familie auswirken.“
Nur härtere Strafe könnten abschreckend wirken, glaubt die Mutter aus Burgstall.
Ihr gehe es nicht nur um ihren Sohn. Es könne jederzeit jeden treffen, sagt die Frau. „Ich möchte nicht, dass es so weit kommt, dass unsere Kinder nicht mehr heimkommen.“
Die Sicherheit sei ein Grundrecht, aber die Wirklichkeit sehe anders aus. „Ich bin der Gemeinde Burgstall zwar dankbar, dass sie nach dem Angriff auf meinen Sohn einen eigenen Bus für die Schüler von Meran nach Burgstall eingesetzt hat, aber damit ist das Problem nicht gelöst“, so Andrea Z.
Auch die derzeit erhöhte Präsenz der Ordnungskräfte möge vielleicht abschreckend wirken, aber all diese Maßnahmen seien nur kurzfristige Symptombekämpfung, kritisiert die Mutter aus Burgstall.
„Mein Sohn wird auch im Herbst wieder nach Meran zur Schule fahren müssen, dann wird es vermutlich keinen eigenen Bus mehr geben und auch die Sicherheitskräfte werden nicht mehr vor Ort sein“, vermutet Andrea Z.
Das Schlimmste für die Mutter aus Burgstall ist die Erkenntnis, das sie ihr Kind „nicht beschützen“ könne. „Das Gefühl, dass sich mein Kind auf dem Weg zur Schule nicht einmal annähernd sicher fühlen kann, ist für eine Mutter ein beängstigendes Gefühl“, sagt Andrea Z.
Und sie fügt hinzu: „Was muss noch Schlimmes passieren, damit endlich reagiert und gehandelt wird?“
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