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„Pfunderer Bua“ verstorben

Am Ostermontag verstarb Florian Weissteiner – der vorletzte noch lebende „Pfunderer Bua“, deren Mordprozess maßgeblich Südtirols Geschichte beeinflusst hat.

von Markus Rufin

Florian Weissteiner ist am Montag in Obervintl verstorben. Der 86-jährige war einer der sieben „Pfunderer Buam“, die in den Fünfziger-Jahren in einem aufsehenerregenden Prozess, der Südtirol über Jahre beeinflussen sollte, zu mehreren Jahren Haft verurteilt wurden.

Ein Rückblick: Am 15. August 1956 gerieten mehrere junge Bauernburschen in einem kleinen Gasthaus in eine Rauferei mit zwei italienischen Finanzern, mit denen sie zuvor noch ausgiebig gezecht hatten.

Einer der Finanzer, Raimondo Falqui, sollte die Nacht nicht überleben. Seine Leiche fand man am Tag darauf im Roanerbach mit einer Kopfverletzung. Es gibt zwei Versionen davon, was in dieser Nacht geschah.

Die italienische Justiz stellt es folgendermaßen dar: Die jungen Burschen hatten den Beamten eingeholt, auf ihn eingeschlagen und ihn anschließend von einer Brücke in das Bachbett geworfen. Dort zog er sich dann die Kopfverletzung zu.

Die jungen Männer gehen hingegen von einem tragischen Unfall aus: Sie seien nach der Rauferei nach Hause gegangen. Falqui, der laut Obduktion 1,7 Promille im Blut hatte, müsse dementsprechend unglücklich von der Brücke gestürzt sein.

Florian Weissteiner (†)

Die Burschen wurden aber gleich am Tag darauf verhaftet, acht von ihnen, wegen Mordes angeklagt. Der Prozess erregte enorme Aufmerksamkeit, da er auch politisch aufgebauscht war. Während nationalistische Italiener im Prozess ein Exempel statuieren wollten, sahen die Südtiroler darin einen weiteren Versuch der systematischen Unterdrückung vor Ort.

Fakt ist, dass es in der Prozessführung und in den Ermittlungen Unregelmäßigkeiten kam, so wurde der Dorfarzt, der die Leiche als erstes untersuchte, im Prozess nie vernommen. Im Prozess gab es auch keinen Dolmetscher, sodass es zu missverständlichen Aussagen der Angeklagten kam.

Es verwundert daher nicht, dass Weissteiner und die anderen „Pfunderer Buam“ auch verurteilt wurden. Zwischen zehn und 24 Jahre erhielten sie erstinstanzlich.

Bei der Berufungsverhandlung in Trient wurde das Urteil sogar verschärft. Florian Weissteiner wurde zu 17 Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. In Südtirol und auch darüber hinaus sorgte das Urteil für entsetzen, Österreich legte dagegen sogar Beschwerde bei der Europäischen Menschenrechtskommission ein und erhielt 1960 teilweise recht. Dennoch wurden die jungen Burschen erst 1968 vom italienischen Staatspräsidenten im Zuge der Verhandlungen zum Autonomiepaket begnadigt. Nur einer der sieben „Pfunderer Buam“, Luis Ebner, der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, kam erst ein Jahr später frei.

Der „Pfunderer Prozess“ befeuerte die Konflikte zwischen der Südtiroler Bevölkerung und den nationalistischen Italienern und war unter anderem Auslöser für weitere historisch bedeutende Ereignisse wie die Feuernacht.

Weissteiner selbst zog nach seiner Haftentlassung nach Südtirol zurück und lebte zuletzt in Obervintl, wo er am 10. April mit 86 Jahren verstarb.

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