Mehr HIV-Infektionen
Seit Jänner wurden in Südtirol zehn neue HIV-Fälle verzeichnet. Die Primaria der Abteilung für Infektionskrankheiten, Elke Maria Erne, erklärt, was die Ursache für die knapp viermal so hohen HIV-Infektionen sein könnte.
von Stefanie Putzer
Im Jänner hat die überraschend hohe Anstiegsrate der HIV-Infektionen in Südtirol für großes Aufsehen gesorgt – allein zehn neue Fälle wurden im ersten Trimester des Jahres 2023 gemeldet, das sind viermal so viele Infektionen wie in den vergangenen Jahren. „Die plötzliche Zunahme der HIV-Fälle lässt sich größtenteils auf die Pandemie zurückführen, da in diesem Zeitraum die Krankenhäuser geschlossen und Präventionsmaßnamen außerhalb der Krankenhäuser eingestellt werden mussten. Deswegen erscheint es naheliegend, dass sich Menschen mit einem länger gehegten Verdachtsgefühl, aufgrund der mangelnden Möglichkeiten während der Pandemie, erst jetzt testen lassen konnten“, meint die Primaria der Abteilung für Infektionskrankheiten im Krankenhaus Bozen, Elke Maria Erne. Eine weitere Auffälligkeit bei den neuen HIV-Infizierten war die Tatsache, dass ihr Durchschnittsalter bei 40 Jahren liegt. Laut Erne lässt sich dieser Umstand auf den Krankheitsverlauf der Infektion selbst zurückführen, da diese bei mehreren Menschen erst im fortgeschrittenen Stadium festgestellt wird. Hierbei handelt es sich um die Gruppe der „late presenter“, welche sich vor langer Zeit angesteckt, jedoch nie einen HIV-Test gemacht haben, was wiederum das Durchschnittsalter der Neu-Infizierten erklären würde.
In Südtirol werden insgesamt 600 HIV-Patienten betreut, normalerweise gibt es zehn bis 15 Neuinfektionen pro Jahr, das entspricht dem gesamtstaatlichen Durchschnitt. Das Thema HIV wird aber nach wie vor in den Schatten gedrängt, was zu folgenschweren Missverständnissen sowie einem gefährlichen Mangel an Informationen führt. „Meiner Meinung nach sollte man HIV mehr zu einem öffentlichen Thema machen. Vor allem die Jugend sollte besser über die Krankheit aufgeklärt werden, da Aufklärung der erste Schritt zur Prävention ist“, erklärt Elke Maria Erne. Ein Beispiel für ein solches Missverständnis ist laut der Primaria der Umstand, dass in manchen Fällen auch heute noch der Irrglaube existiert, dass nur Drogenabhängige oder homosexuelle Menschen eine Ansteckung durch HIV riskieren. Dies habe zur Folge, dass sich manche Menschen genieren, einen HIV-Test machen zu lassen, weiß Erne, und das obwohl schon unlängst erwiesen wurde, dass die sexuelle Orientierung keine Rolle beim Ansteckungsrisiko spielt.
Eine Infektion mit HIV erfolgt durch Blut oder andere infektiöse Körperflüssigkeiten. Dies geschieht am häufigsten beim ungeschützten Geschlechtsverkehr und Spritzen- wie auch Nadeltausch beim Drogenkonsum. HIV kann jedoch auch von einer infizierten Mutter auf ihr Kind übertragen werden. Dies geschieht entweder schon während der Schwangerschaft oder beim Stillen. Ein weiteres Ansteckungsrisiko bieten Bluttransfusionen in Ländern, welche einen niederen medizinischen Qualitätsstandard als Industrieländer aufweisen.
Nach einer Infektion breitet sich das Virus im ganzen Körper aus, wobei es vor allem die Immunzellen befällt und zerstört. „Nichtsdestotrotz verläuft dieser Prozess sehr unauffällig, da oft nur milde, grippeähnliche Symptome auftreten, welche meist nach wenigen Wochen verschwinden. Dies hat zur Folge, dass viele Menschen die plötzlichen Symptome nicht mit einer HIV-Infektion in Verbindung bringen und sie als Grippe abtun, wodurch sie kostbare Zeit verlieren“, erklärt Elke Maria Erne. Gleichzeitig ist das Ansteckungsrisiko in diesem Zeitraum besonders hoch, weswegen eine nicht vorhandene Diagnose auch schwerwiegende Konsequenzen für die Umgebung haben kann. Die darauffolgende Zeit zeichnet sich durch eine symptomfreie Phase aus, da das Immunsystem auf die HI-Viren reagiert. In dieser Phase führt ein HIV-positiver Mensch aufgrund der fehlenden Symptome ein normales Leben, weshalb auch zu diesem Zeitpunkt die betroffene Person nicht an eine Infektion mit dem HI-Virus denkt.
Das Virus breitet sich währenddessen weiterhin schleichend aus und strapaziert das Immunsystem permanent. „In der Regel tritt nach 10 bis 15 Jahren eine Immunschwäche auf, da durch die ständig währende Belastung das Immunsystem immer schwächer wird und sich nicht mehr ausreichend gegen Krankheitserreger wehren kann. In den meisten Fällen lässt sich eine Person erst ab einer fortgeschrittenen Immunschwäche auf HIV testen“, erklärt Erne. Das letzte Stadium der HIV-Infektion, auch bekannt als Aids, wird von charakteristischen Infektionen sowie opportunistischen Erkrankungen, wie Lungenentzündungen oder Tumoren, begleitet. Demzufolge stirbt man letzten Endes nicht an HIV, sondern an einer Infektion oder opportunistischen Erkrankung, der das geschwächte Immunsystem nicht mehr standhalten konnte.
Früher kam eine Infektion mit dem HI-Virus einem Todesurteil gleich. Heutzutage besteht hingegen aufgrund der medizinischen Möglichkeiten eine reelle Chancen, dass sich die Immunschwäche zurückbildet oder gar nicht erst entwickelt. „Auch hier ist eine Früherkennung sehr wichtig, da auf diese Weise das Virus frühzeitig blockiert wird, wodurch es keine weiteren Immunzellen mehr befallen und das Immunsystem selbst zerstören kann. Dennoch ermöglicht ein solches Verfahren keine vollkommene Genesung, wodurch eine infizierte Person nach wie vor ein Leben lang mit dem Virus leben muss“, betont Erne.
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Kommentare (1)
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andreas1234567
Hallo nach Südtirol,
letztjährlich war eine sogenannte Welle an Affenpockeninfektionen ein grosses Thema.
Man hatte gewisse Lustpartys auf den kanarischen Inseln dafür ausgemacht.
Ich bin überzeugt es muss für die Erklärung des Phänomens mal wieder auf einschlägige Veranstaltungen auf diesen südeuropäischen Inseln hingewiesen werden.
Gruss nach Südtirol