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„Falsche Vorurteile“

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Zivilinvalide und arbeitslos: Hunderte Zivilinvaliden sind derzeit auf der Suche nach einem Job. Mit welchen Hürden die Arbeitseingliederung von Zivilinvaliden nach wie vor verbunden ist. 

von Lisi Lang

„Leider hält sich das falsche Vorurteil hartnäckig, Zivilinvaliden seien eine Belastung für den Arbeitgeber. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn sie richtig eingesetzt und ihnen passende Aufgabenbereiche zuerteilt werden, ergeben sich viele wirtschaftliche Vorteile für Unternehmen“, unterstreicht Thomas Aichner, Präsident der Vereinigung der Zivilinvaliden ANMIC Südtirol.

Insgesamt sind 3.094 Südtiroler Zivilinvaliden in privaten und öffentlichen Betrieben angestellt. Allerdings sind viele weitere noch auf der Suche nach einer Beschäftigung. „Zum einen klagen Unternehmen über die Schwierigkeit, Personal zu finden. Gleichzeitig sind aber 438 Zivilinvaliden auf Arbeitssuche“, berichtet Thomas Aichner. Und viele finden wegen der nach wie vor verbreiteten Vorurteile einfach keinen Job.

Dabei geht es laut Aichner vor allem darum, dass der Arbeitsplatz mit dem Krankheitsbild kompatibel ist. „Wenn man einen Zivilinvalide richtig einsetzt, kann er genauso produktiv sein wie ein gesunder Mensch und ebenfalls zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beitragen“, ist der Präsident der Vereinigung ANMIC überzeugt. „Die Forschung zeigt, dass Arbeitnehmer mit einer chronischen Krankheit oder Behinderung häufig loyaler sind. Sie sind pünktlicher, zufriedener und fehlen überraschenderweise weniger häufig krankheitsbedingt als gesunde Mitarbeiter. Unternehmen müssen also keine Zivilinvaliden als gute Tat einstellen. Im Gegenteil: Sie können wirtschaftlich denken und profitieren dann etwa davon, dass Zivilinvaliden länger im Betrieb bleiben und nicht nach kurzer Zeit schon wieder wechseln“, erklärt Thomas Aichner und betont: „Ein Zivilinvalide ist keine Belastung für ein Unternehmen.“

Wichtig sei es deswegen nach wie vor, diese Vorurteile abzubauen. „Als Zivilinvalide kann man sich für jeden Job bewerben und man ist auch nicht verpflichtet, den Arbeitgeber über die eigene Einschränkung zu informieren“, erklärt Aichner. Es gibt aber auch Pflichteinstellungsquoten für Unternehmen ab einer bestimmten Größe. „Die Südtiroler Unternehmen sind diesbezüglich aber ganz gut dabei“, meint Aichner.

Viele Zivilinvaliden informieren die Arbeitgeber aber von Anfang an über ihre Einschränkung, weiß Aichner, weil man so bestimmte Dinge von Beginn an klären könne. „Wenn ein Zivilinvalide beispielsweise Probleme mit lauten Geräuschen hat oder nur gut arbeiten kann, wenn er alleine im Büro ist, dann macht es Sinn, das von Anfang an zu kommunizieren“, sagt Aichner.

Zudem gibt es auch große Unterschiede zwischen Zivilinvaliden was den Grad der Beeinträchtigung betrifft. „Die meisten Einschränkungen sieht man eigentlich nicht – man hat beim Begriff Zivilinvalide immer einen Rollstuhlfahrer im Kopf, aber das ist nur ein kleiner Prozentsatz, man kann auch einen Herzfehler haben oder an einer psychischen Erkrankung leiden“, erklärt der Präsident der Vereinigung von ANMIC.

Die Vereinigung der Zivilinvaliden versucht deswegen jede Gelegenheit zu nutzen, um Vorurteile abzubauen. Auch bei einem Treffen mit Arbeitslandesrat Philipp Achammer hat man das Thema und die damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche kürzlich angesprochen. Gleichzeitig wurde die Wichtigkeit der Vermittlung und der Arbeitsplatzbegleitung unterstrichen, welche eine nachhaltige Arbeitseingliederung von Zivilinvaliden und die Stärkung der lokalen Wirtschaft zur Folge hat. Jobcoaching sollte dann beansprucht werden, wenn während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses Bedarf besteht. „In manchen Fällen kann es vorkommen, dass der Arbeitsplatz oder bestimmte Aufgabenbereiche an die Möglichkeiten des Zivilinvaliden angepasst werden müssen“, erklärt Thomas Aichner. „In diesen Fällen ist es grundlegend, einen Ansprechpartner auch nach der Vermittlung zu gewährleisten – nicht nur für den Zivilinvaliden selbst, sondern auch für das Unternehmen. Doch da nur die wenigsten diese Möglichkeit kennen, bleibt sie sowohl von Zivilinvaliden als auch von den Unternehmen ungenutzt. Dies kann dazu führen, dass sich beide Parteien allein gelassen fühlen und das Arbeitsverhältnis im schlimmsten Fall nicht fortbesteht“.

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