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Mutzenbacher, hmmm

Männer aus „Mutzenbacher“ lesend am Diwan

Docu.emme zeigt am 19.4. Ruth Beckermanns „Mutzenbacher“, am 12.4. „How to Save a Dead Friend“ und am 26.4. „Gigi la legge“. Immer mittwochs 20.30 h in Meran.

von Renate Mumelter

Im wunderbaren großen Gartenbaukino in Wien sitzen nur ein paar Leute, obwohl der Film mit dem rosa Diwan noch nicht lange läuft. „Mutzenbacher“ heißt er, gedreht wurde er von Ruth Beckermann. Sie ist ist eine bekannte und anerkannte Filmemacherin (Jahrgang 1952). Josephine Mutzenbacher ist eine Romanfigur und Dirne (Jahrgang 1906).

Beckermann

Zwei von Beckermanns Filmen waren in Bozen zu sehen. In „Die Geträumten“, inszeniert sie einfühlsam den Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan. In „Waldheims Walzer“ (2018) geht es um die ungute Vergangenheit des ehemaligen Bundespräsidenten. Dazu sagte Beckermann, sie versuche in diesem Film „zu analysieren, was damals los war. Und uns heute leider bekannt vorkommt, wenn wir an Trump, Kurz/Strache und andere Meister der ‚alternativen Fakten‘ und des Populismus denken“.

Josephine Mutzenbacher 

ist eine Romanfigur, die sich jemand erfunden hat. Dieser Jemand ist ein Mann, aller Wahrscheinlichkeit nach Felix Salten, ein Journalist und Vielschreiber (1869-1945). Er erfand Bambi und eben jene Wienerische Dirne, die von 1852 bis 1904 gelebt und ihre Memoiren geschrieben haben soll. Der Text inklusive Illustrationen ist im Netz zu finden. Das Lesen ist mühsam, die Illustrationen sind es noch mehr. Der Text tut so als würden die sexuellen Übergriffe der sogenannten Bettgeher dem Mädchen, das später zur Dirne werden sollte, Freude bereiten, sie nach mehr gieren lassen. Spätestens da hört sich der Spaß auf.

Rosa Diwan

Mit einem öffentlichen Aufruf suchte Ruth Beckermann Männer, die bereit waren, für ein nicht näher definiertes Filmprojekt Passagen aus dieser Mutzenbacher vorzulesen. Mit dem Zettel in der Hand kommen Alte und Junge in die Sargfabrik, in der eine rosa Couch steht. Dort nehmen sie Platz. Vor ihnen die Kamera, neben der Kamera die Regisseurin. Sie stellt Fragen aus dem Off à la Spira sozusagen, aber nur sozusagen, weil sie’s ohne deren liebenswürdige Zugewandtheit tut. Und da beginnt das Bauchweh mit dem Film. Es gab Menschen, die extra nicht zur Premiere gegangen waren, um sich die üblichen Floskeln oder deutliche Worte zu ersparen, wie sie mir erzählten. 

Die ausgewählten Textstellen erzählen fast alle von Kindesmissbrauch und viele der Vorleser checken nicht wirklich, was sie da tun. Danach werden sie nach ihrem Empfindungen und ihrer eigenen Sexualität befragt, während die gnadenlose Kamera keine Gefühlsregung und keinen erhöhten Puls auslässt. Keiner steht auf und geht. 

Eine „grandiose Relecture“ des Pornoklassikers sei Beckermann gelungen, „köstlich, entlarvend, drollig“ schrieb Otto Friedrich in „Die Furche“. „Traurig, geifrig, platt“, sag ich. Der Film führt die Männer ungut vor. Am 19.4. gibt es die Möglichkeit, sich ein Bild zu machen.

Docu.emme sonst

Am Mittwoch, den 12. April zeigt „How to Save a Dead Friend“ von Marusya Syroechkovskaya, wie sie die Jahre lang Kimi begleitet, der sich dann das Leben nimmt. Es geht um eine Generation, die in einer zerstörerischen Welt aufwächst. 

Abgeschlossen wird Docu.emme am 26. April mit einem Film, der dann auch schon beim BFFB in Bozen gelaufen sein wird, Alessandro Comodinis „Gigi la Legge“ ein Hybridfilm, der den Dorfpolizisten Gigi in den Mittelpunkt stellt. Sehenswert.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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