Diagnose Autismus
Allein im Bezirk Bozen leben 372 Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen, alle unter 21 Jahren. Die Landesregierung hat den Betroffenen und deren Familien nun mehr Unterstützung zugesagt.
von Lisi Lang
Sie können oft nicht verstehen, was in anderen Menschen vorgeht, können Mimik und andere subtile Signale ihres Gegenübers nicht lesen oder richtig deuten. Autistische Kinder und Erwachsene erleben die Welt völlig anders als Menschen ohne Autismus. „Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen bedürfen besonderer Unterstützung. Wir wollen deswegen mit unseren Projekten betroffenen Heranwachsenden und ihren Familien helfen, sich in sich verändernden Situationen besser zurechtzufinden“, sagt Landeshauptmann Arno Kompatscher.
Autismus ist eine Entwicklungsstörung, die Ursachen dafür sind unklar. Man geht davon aus, dass etwa 1 Prozent der Gesamtbevölkerung betroffen ist. In Südtirol gab es 2019 insgesamt 650 Menschen mit einer Autismus-Diagnose, Fachleute gehen davon aus, dass die Anzahl der Diagnosen weiter stetig ansteigt.
Eine Autismus-Spektrum-Störung gilt als unheilbar. Es ist aber durchaus möglich, die damit verbundenen Defizite positiv zu beeinflussen. Wird der Autismus frühzeitig erkannt, ist es für die Betroffenen mit therapeutischer Hilfe möglich, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden und ein gutes, eigenständiges Leben zu führen.
Darauf zielen auch zwei Projekte ab, die am Dienstag von der Landesregierung genehmigt wurden. Die finanziellen Mittel für die Projekte stellt das Gesundheitsministerium zur Verfügung. „Eines richtet sich an junge Erwachsene mit Störungen im Autismus-Spektrum, das andere soll zur Unterstützung von Eltern und Familien beitragen“, erklärt Landeshauptmann Kompatscher.
Das erste Projekt versteht sich als Hilfe für Familien: Diese Projektschiene enthält Maßnahmen zur Unterstützung und Ausbildung von Familien, die Personen mit Störungen des Autismus-Spektrums begleiten. Zentral dabei wird das sogenannte „Parent-Training“: Für Eltern und Familien werden bereits von Anfang an therapeutische Beratungen angeboten, um sie bei der Früherkennung von kritischen Verhaltensweisen und nach der Diagnose zu unterstützen.
Eine weitere Form des „Parent-Training“ richtet sich dann an Familien und Eltern von Patienten im Übergang vom Kinder- zum Erwachsenenalter. Bei diesen Treffen werden die Bedürfnisse der Familien und der Patienten analysiert und sie werden über die Möglichkeiten von Tageseinrichtungen, Wohnheimen und Arbeitseinrichtungen informiert.
An Personen in diesem Lebensabschnitt richten sich auch die Maßnahmen der zweiten Projektlinie. „Dabei kommt den vier Autismus-Zentren eine wichtige Rolle zu“, so Kompatscher. Dort arbeiten Psychologinnen eng mit den Allgemeinmedizinern sowie den Kinderärzten freier Wahl zusammen und kümmern sich im Netzwerk um den körperlichen und psychischen Gesundheitszustand der Patienten. Eine weitere Maßnahme des Projektes betrifft die Ausbildung von Mitarbeitenden, die sich um die Betreuung von jungen Erwachsenen kümmern.
Um die Familien untereinander besser zu vernetzen und den Austausch zu fördern, plant das Land zudem die Einrichtung einer Online-Plattform.
Eltern von betroffenen Kindern und Jugendlichen wollen in Bozen aber auch eine Selbsthilfegruppe gründen – immerhin gibt es allein im Bezirk Bozen 372 Betroffene unter 21 Jahren.
Carine Louvier und ihr Mann Marco haben sich viel mit dem Thema Autismus beschäftigt. Oliver war 5 als sie die endgültige Diagnose „Autismus“ bekamen. „Es war wie eine Bombe“, erinnert sich Carine. „Es war wirklich ein gewaltiger Schock, denn uns war sofort klar: das bleibt. Ein ganzes Leben lang.“
Der Umgang mit einem autistischen Kind stellt Eltern, Geschwister und alle Bezugspersonen vor eine große Herausforderung. Es ist ohne Frage fordernd und anstrengend. Viel Kraft, Geduld und Optimismus sind nötig. Wichtig ist, sich die nötige Unterstützung zu holen, um die eigenen Batterien wieder aufzuladen.
Deshalb möchte Carine nun in Bozen eine Selbsthilfegruppe mit monatlichen Treffen für Eltern von autistischen Kindern gründen (das erste Treffen findet am 12. April um 20 Uhr in Bozen statt, Informationen unter [email protected]). „Es ist wichtig, anderen Familien zu begegnen, die dieselben Erfahrungen und Probleme haben. Dadurch fühlt man sich weniger isoliert“, sagt Carine Louvier.
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.