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Eine Reise durch Rachmaninov

Der Pianist Carlo Grante: Rachmaninov war ohne jeden Zweifel Günthers Lieblingskomponist.

Der Pianist Carlo Grante gibt anlässlich des 150. Geburtstages des Komponisten Sergej Rachmaninov (1873-2023) heute in der Akademie Meran ein Konzert in Memoriam Hans-Christian Günther.

Von Christian Zarske

Am heutigen Montag, 27. März findet um 18 Uhr in Meran am Sitz der Akademie deutsch-italienischer Studien in der Innerhoferstraße 1 ein musikalisches Ereignis mit freiem Eintritt statt, das viele an hochkarätigen Kulturveranstaltungen Interessierte landesweit dazu bewegen sollte, auch von weit her in die Passerstadt zu kommen: „The Rachmaninov Journey“ in Memoriam Hans-Christian Günther, ein vom Kulturverein Rus‘ in Zusammenarbeit mit der Meraner Akademie ins Leben gerufenes Projekt unter der künstlerischen Leitung von Carlo Grante, namhafter Pianist und Klavierdozent am Bozner Konservatorium, mit Isotta Colasanti, Rebekah Dickinson und Qais Alsafadi, die an derselben Musikhochschule bei ihm studieren.

Anlass des Konzerts, so der Klavierprofessor lapidarisch, sei ursprünglich nur Rachmaninov gewesen. Erst danach habe er die Nachricht vom plötzlichen Tod seines Freundes Hans-Christian Günther erhalten. Kurz davor habe ihm dieser seine sämtlichen musikalischen Werke zugesandt, worüber er sich sehr gewundert habe. Doch jetzt glaube er den Grund zu verstehen: Günther habe wahrscheinlich geahnt, dass er bald sterben werde. Hans-Christian Günther  sei im Besitz von Grantes CD-Aufnahmen gewesen, er habe eigentlich seine ganze Karriere mitverfolgt, und sei besonders mit seinen Aufnahmen der Werke von Leopold Godowsky, Ferruccio Busoni, diesen sogenannten utopischen Komponisten – das sei bei ihm der rote Faden gewesen, wie wohl auch mit denen von Scarlatti, Bach, Beethoven, Liszt und wohl Brahms vertraut gewesen. Professor Grante gehe davon aus, dass Hans ungemein viel über ihn gewusst habe.

Er habe für ihn, Grante, Kompositionen geschrieben und sie ihm gewidmet. In diesem Zusammenhang sei erwähnenswert, dass einer der Hauptvertreter der Frankfurter Schule, der Musikphilosoph Theodor Adorno (1903-1969), in zwei verschiedene Richtungen interpretiert werden könne: Entweder man zerstöre alles oder man errichte etwas Neues. Wenn er, Grante, bei Hans-Christian Günther in einigen seiner Werke Unzufriedenheit oder die Suche nach neuen Wegen vernehme, habe er den Eindruck, dieser würde sich zu Recht oder zu Unrecht gerade auf Adorno berufen, dessen Ansatz er aber nicht unbedingt geteilt habe, während er sich eher Arnold Schönberg verpflichtet gefühlt habe. Auch der Komponist und Musikwissenschaftler Roman Vlad (1919-2013), mit dem ihn eine innige musikalische Freundschaft verbunden habe, habe ihm, Grante, aus Anlass seines neunzigsten Geburtstags seine letzte Klavierkomposition „Concerto Italiano“ und außerdem auch sein riesiges Werk „Opus Triplex“ gewidmet, das die „Fantasia Contrappuntistica“ von Busoni theoretisch ergänze, dessen Werke Professor Grante fast vollständig zur Aufführung gebracht habe. Ebenso wie Rachmaninov Journey in diesem Jahr, stehe im kommenden Busoni-Jahr ein Projekt namens Busoniana in Aussicht.

Rachmaninov sei ohne jeden Zweifel Günthers Lieblingskomponist gewesen und so biete sich nun die vortreffliche Gelegenheit, ihm jetzt dieses musikalische Ereignis zuzudenken, das schon zu seinen Lebzeiten konzipiert worden sei und nun endlich anstehe.

Noch eine Überlegung, die ihm sehr wichtig erscheine und die er vor dem Konzert unbedingt einleitend zum Ausdruck bringen werde: Bei hervorragenden Pianisten und Komponisten wie zum Beispiel Rachmaninov und Busoni gebe es etwas, was in ihren Fingern stets zurückbleibe, und dies sei die Erinnerung an das zuletzt Vorgetragene.

Abschließend zurück zum bevorstehenden Konzert in Memoriam Hans-Christian Günther, in dessen Mittelpunkt mit Fug und Recht die jungen Pianisten und die Frage stünden, warum es besonders für sie so wichtig  sei, sich stets an das zu halten, worauf Rachmaninov in seiner Partitur hinweise. Es gebe bei ihm nicht soviel „Rubato“, nicht soviel sogenannte „Freiheit“. Er sei wie Bach, Chopin, Schumann im Spannungsfeld der heteroglossischen Polyphonie; er erzähle Geschichten, er habe das selbst zugegeben, als er 1908 die Toteninsel komponiert habe – Arnold Böcklin (1827-1901) habe ihn dazu inspiriert. Ein starkes Bild aus einem prägnanten Entwurf hervorzubringen, etwas zu sagen und zu vermitteln sei für Rachmaninov wie für die meisten russischen Komponisten wichtiger als die graphische Struktur der Komposition gewesen.  Aus der Sicht eines Pianisten ein eher pragmatischer als philologischer Ansatz, denn es gehe nicht darum, „wie Rachmaninov“ zu spielen – das könne wohl nie das Ziel eines Klavierkomponisten sein. Rachmaninov habe immer die Akzentuierung von Synkopen geliebt, was typisch für einen Pianisten sei, denn man brauche die Länge des Klanges, man habe ja kein Vibrato… Rachmaninov selbst denke wie ein erfahrener Pianist. Es gehe hier nicht um philologische Spitzfindigkeiten, sondern um das bindende Bedürfnis, seiner Musik am Klavier treu zu bleiben. Und da Ausflüchte wie ein übermäßiger Einsatz des Pedals entschieden zu vermeiden seien, stelle dieses Konzert besonders für junge Pianisten eine große Herausforderung dar: Bach, Chopin und Schumann in einem Shaker. Fürwahr ein  Unterfangen.

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