Der Hilferuf
Auch in Südtirol ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die sich mit Suizidgedanken an die psychologischen Dienste wenden, gestiegen. Der Koordinator der Europäischen Allianz gegen Depression, Roger Pycha, über die Ursachen und Alarmsignale.
Tageszeitung: Herr Primar, zur Zeit wenden sich viele Jugendliche wegen Suizidgefahr an die psychologischen Dienste des Sanitätsbetriebes. Hat sich die Situation zuletzt zugespitzt?
Roger Pycha: Aus der Kinderpsychiatrie wurde uns berichtet, dass es relativ viele Jugendliche im Augenblick gibt, die mit Suizidgedanken eingewiesen und aufgenommen werden. Und als Netzwerk psychischer Gesundheit haben wir daraufhin sofort die Primaria der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Donatella Arcangeli, befragt, ob sie konkrete Hilfen braucht, wir die Bettenanzahl erhöhen oder die Erwachsenenpsychiatrien für Jugendliche öffnen müssen. Die Primaria hat uns dann geantwortet, dass es aktuell kein Problem mit der Versorgung oder Betreuung der jungen Patienten gibt, sondern es geht mehr darum, dass sich Fälle häufen, wo Jugendliche aus Frustration, Protest oder Orientierungslosigkeit selbstaggressive oder aggressive Handlungen überlegen. Wir haben keinen Anstieg von Suiziden und keine erhöhte Alarmstufe diesbezüglich, aber eine erhöhte Bewegung im therapeutischen Raum.
Ist diese Zunahme zum jetzigen Zeitpunkt ungewöhnlich?
Wir beobachten in Südtirol seit Corona einen Anstieg von 20 bis 30 Prozent an Patienten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, aber auch bei Erwachsenen oder bei Essstörungen. Diese Daten decken sich mit Beobachtungen aus anderen Regionen wie beispielswiese Nordtirol oder Graubünden.
Hängt diese Zunahme noch immer mit der Pandemie und deren Auswirkungen zusammen?
Ganz sicher können wir da nicht sein. Eines ist klar: In der Pandemie hat Südtirol gelernt, dass es auf die Psyche der Einzelnen gewaltig ankommt. Deswegen achten jetzt sicher auch mehr Menschen auf ihre Psychohygiene – und auch deswegen haben wir mehr Anfragen, weil sich Menschen besser schützen wollen.
Wenden sich Jugendliche und deren Familien erst nach missglückten Suizidversuchen an die Dienste?
Nein, meist gehen diesen Kontaktaufnahmen Konfliktsituationen zwischen Eltern und den Jugendlichen oder Ängste, Zwänge, Depressionen oder Essstörungen bei den Jugendlichen voraus.
Sind junge Menschen besonders gefährdet, in seelische Krisen zu geraten?
Während der Pandemie wahrscheinlich schon, weil sie weniger vom Leben wussten und weniger auf so nachhaltige und so einschneidende Krisen vorbereitet waren, die vor allem das Sozialleben sehr verändert haben. Für die Zukunft glaube ich aber, dass das nicht mehr so ist, weil Jugendliche besonders anpassungsfähig sind und in einer neuen Lage viel regenerations- und erholungsfähiger sind als Erwachsene.
Welche Rolle spielen das Internet bzw. die sozialen Medien bei Suizidversuchen?
Immer eine ambivalente. Wir wissen, dass es im Internet Empfehlungen gibt, wie man suizidale Handlungen durchführen kann. Wir wissen aber auch, dass es im Internet viele Hilfestellungen gibt wie unsere Seite „Du bist nicht alleine“, die bei schwierigen Gefühlen günstige Verhaltensweisen, aber auch nützliche Adressen vorgibt.
Worauf sollten Eltern achten?
Die Eltern sollten darauf achten, dass sie gute Vorbilder sind, das heißt, dass sie ihre eigene Depressivität und Angst zwar formulieren, aber dann auch wieder zum Alltag übergehen können und den Kindern zeigen, dass sie auch zuversichtlich sind und optimistische Pläne haben. Sie dürfen trotz aller Güte auch autoritär sein, auf faire Weise Vorschriften machen und Grenzen setzen. Wir – auch wir Therapeuten – müssen der elterlichen Erziehungskompetenz und dem elterlichen Vorbildcharakter wieder mehr Platz einräumen.
Unabhängig davon kommt uns im Netzwerk Suizidprävention auch vor, dass eine Psychische Erste Hilfe etwas ist, was jeder Mensch tun könnte, weil es leicht zu erlernen ist – es ist viel leichter als die richtige Wiederbelebung von bewusstlosen Menschen.
Was sind Alarmzeichen für Eltern, auf die man achten sollte?
Die Aggressivität ist manchmal ein Alarmzeichen, noch viel häufiger aber Verstummen, Abgeschlagenheit, unerklärliche Erschütterung, sozialer Rückzug, das Verschenken von lieb gewordenen Gegenständen, das Löschen von Accounts im Netz, Abschiedsrituale und Abschiedsbriefe.
In Kürze soll auch ein psychologisches Krisentelefon entstehen. Worum genau geht es?
Das psychologische Krisentelefon war von März 2020 an zwei Jahre lang eine freiwillige Initiative weniger Therapeuten um Dr. Erwin Steiner, mit seinem privaten Handy. Es hat sich so sehr bewährt, dass die Politik es jetzt mit deutlich mehr Mitarbeitern und breiteren Aufgaben dauerhaft einrichten will.
Eine weitere Idee ist eine PsyApp für Südtirol, in der man Informationen erhalten kann, Adressen vermittelt kriegt und psychologische oder psychiatrische Fachvisiten anmelden kann. Das wäre vor allem etwas für die Generationen Y und Z, und würde das Stigma der Hilfesuche abbauen.
Interview: Lisi Lang
Wo es Hilfe gibt: Die Hilfsorganisationen, die anonyme Telefonberatung für Menschen in Krise anbieten: Caritas-Telefonseelsorge (0471/052052 rund um die Uhr, deutschsprachig), telefono amico (02/23272327 täglich von 10 bis 24 Uhr, italienischsprachig), Young and direct (0471/1551551 von Mo-Fr, 14.30-19.30, für Jugendliche). In Notfällen, die mit schwerer Erkrankung oder Suizidgefahr verknüpft sind, soll man sich an die Notfallnummer 112 oder an die Ersten Hilfen der Krankenhäuser von Bozen, Meran, Brixen und Bruneck wenden. Dort besteht rund um die Uhr ein psychiatrischer Bereitschaftsdienst.
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Kommentare (2)
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andreas1234567
Halo zum Abend,
Zitat:
„Wir beobachten in Südtirol seit Corona einen Anstieg von 20 bis 30 Prozent an Patienten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, aber auch bei Erwachsenen oder bei Essstörungen. Diese Daten decken sich mit Beobachtungen aus anderen Regionen wie beispielswiese Nordtirol oder Graubünden.“
Kommt auf die Rechnung. Das sind Ewigkeitskosten für alle diejenigen die jetzt 30 oder älter sind.
Die ganzen „Corona-Kredite“ werden sogar nach vorsichtiger Schätzung der EU-Bonzen um 2060 wieder abbezahlt sein.
Ja danke, wo darf man sich die nächste Nächstenliebenspritze gegen Ansteckung und Weitergabe abholen?
Hat der Impfkoordinator von Südtirol gerade keine Zeit für einen Aufruf sich das Zeug an Ostern und Oktober abzuholen?
Die Propaganda ist still geworden, wo sind all die Begeisterten hin? Die Widmanns, die Speranzas,,die Jippieh volle Pulle Impfen-Gacker-Hühner welche die Impfpflicht in den Südtiroler einpeitschen wollten, die Südtiroler Mehrheitspresse?
Ich vermisse auch die Biostatistiker mit ihren Prognosen..
Auf Wiedersehen bei der nächsten Volksgehorsamkeitsprüfung und ihren Wohlschwätzern um Judaslohn