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„Ein großer Jahrgang“

Foto: Florian Andergassen

Jahrgang 2022: Der heiße Sommer in Südtirol sorgt für einen roten „Riesenjahrgang“ und außergewöhnliche Weißweine.

Südtirols Weinexperten sind sich einig: 2022 wird ein großer Jahrgang vor allem für schwere Rotweine, die von den überdurchschnittlich hohen Temperaturen im Sommer profitiert haben.

Aber auch die Weißweine entwickeln sich in allen Anbaugebieten im Land überraschend gut und fallen außergewöhnlich kräftig, trotzdem aber frisch und fruchtig aus.

Schon im Mai 2022 wurden rekordverdächtige Temperaturen gemessen, die zu einer frühen und schnellen Blüte auch in höheren Lagen sorgten. Und weil auch die Sommermonate Juni, Juli und August außergewöhnlich heiß und trocken waren, wurde der Vegetationsvorsprung gehalten, die Trauben konnten in den allermeisten Lagen zwei oder sogar drei Wochen früher geerntet werden als im Schnitt der Jahre. „Das Weinbaujahr 2022 ist mit einem relativ späten Austrieb gestartet, hat sich aber aufgrund der heißen Witterung bis zum Schluss zu einem sehr frühen Jahr entwickelt“, erklärt Hansjörg Hafner, Bereichsleiter Weinbau im Beratungsring für Obst- und Weinbau.

Von Hitze, Trockenheit und der Chance, die Trauben optimal ausreifen zu lassen, profitieren vor allem die Rotweine. „Insgesamt ist 2022 ein sehr guter Rotweinjahrgang“, erklärt Hafner mit dem Blick über alle Anbaugebiete. Besonders hervor hebt der Experte Merlot und Cabernet, für die er „einen überdurchschnittlich guten Jahrgang“ erwartet.

Für die weißen Sorten nennt Hafner „gute Zuckerwerte, unterdurchschnittliche Säurewerte und sehr gesundes Lesegut“ als Schlagworte, mit denen er den Jahrgang 2022 charakterisiert. „Trotz des heißen Sommers und des frühen Erntebeginns ist es ein guter Weißweinjahrgang“, so der Experte des Beratungsrings, der davon ausgeht, dass selbst in einem so außergewöhnlichen Jahr die klassische Charakteristik der Südtiroler Weißweine erhalten bleibe.

Reblandschaft im Überetsch (Foto: Florian Andergassen)

Bozen: „Riesenjahrgang“ für Rotweine mit überraschenden Weißen

Von „Bilderbuchtrauben“ schwärmt Stephan Filippi, Kellermeister der Kellerei Bozen, wenn er an die Ernte denkt. Und das Schwärmen geht weiter, wenn er den Jahrgang 2022 beschreibt – vor allem bei den Rotweinen. „2022 wird ein Riesenjahrgang“, prognostiziert der Bozner Kellermeister.

Der 2022er Blauburgunder etwa entwickle sich zu einem kräftigen, fruchtigen, hochinteressanten Wein und auch Lagrein, Merlot und Cabernet ließen viel erwarten. „Sie sind farbintensiv, kräftig, kompakt, mit großer Frucht und toller Länge“, so Filippi. Dazu kämen schöne, reife und daher im Mund feine Tannine. Sorgen bereitet habe anfangs nur der Vernatsch. „Er hatte wenig Farbe und wir haben befürchtet, dass er wenig Frucht entwickle“, so Filippi, „aber er hat uns eines Besseren belehrt: 2022 ist für Vernatsch und St. Magdalener ein sehr guter Jahrgang“.

Überrascht zeigt man sich in der Kellerei Bozen auch von der Entwicklung der 2022er Weißweine. Anfangs hatte man noch befürchtet, dass es den Weinen wegen des hohen Zuckergehalts an Säure mangeln könne. „Unsere Sorge war, dass die Weißen schwerfälliger, breiter ausfallen würden“, so Filippi, aber: „Sie haben zwar etwas weniger Säure, der Trinkgenuss ist aber trotzdem da.“

Sehr interessant entwickelten sich vor allem Chardonnay und Pinot Grigio, der Gewürztraminer sei sehr fruchtig und verspreche einen interessanten Jahrgang, auch vom Sauvignon sei man überrascht, und der Müller Thurgau verspreche, ein Bilderbuch-Jahrgang zu werden. „Grundsätzlich kann man sagen, dass sich alle Weine des Jahrgangs 2022 einheitlich auf einem sehr, sehr hohen Niveau entwickeln“, so Filippis Fazit. „Wir freuen uns jedenfalls darauf.“

Überetsch: „Es hat einfach alles zusammengestimmt“

Nicht lange nachdenken muss auch Matthias Hauser, Kellermeister des Weinguts Castel Sallegg in Kaltern, wenn es um sein Urteil über den 2022er geht: „Ein großer Jahrgang“, sagt Hauser. Gerade die Rotweine profitierten im Überetsch von der Vollreife dank des warmen Sommers. „Sie haben keine grünen Akzente mehr, dafür mehr Extrakt, mehr Inhaltsstoffe, einen ausgeprägten Charakter und eine gute Lagerfähigkeit“, so der Kellermeister von Castel Sallegg. Die Weißweine zeichneten sich dagegen durch eine schöne Frucht aus. „Sie sind von mittlerer Fülle, also nicht so dicht wie in anderen Jahren“, so Hauser, „ich finde es aber spannend, solche Jahrgangsfacetten herauszuarbeiten“.

Sehr ausdrucksstark, dicht und feingliedrig sei der 2022er Kalterersee, von dem der Kalterer Kellermeister sagt, es sei „ein toller Jahrgang“. Ähnliches gelte für den Blauburgunder, dessen perfekte Reife erlaubt habe, „mit der Eleganz zu spielen, die diese Rebsorte mit sich bringt“, sagt Hauser, dem die Frage nach Merlot und Cabernet 2022 ein Lächeln ins Gesicht zaubert. „Da hat einfach alles zusammengestimmt, das Profil der beiden Sorten ist 2022 nahezu perfekt.“

Bei den Weißweinen hebt der Kellermeister den Gewürztraminer („Er geht nicht in die füllige, sondern in eine zarte, filigrane, fruchtige Richtung.“), besonders aber den Sauvignon hervor. „Der 2022er Sauvignon ist ein sehr schöner, spannender Jahrgang mit blitzblanker Frucht“, erklärt Hauser, „Er gefällt mir von den Weißweinen fast am besten.“

Unterland: Von Sorge über Überraschung zu außergewöhnlichen Weinen

2022 war für die Weinwirtschaft im Unterland ein turbulentes Jahr. „Aufgrund der Hitze hatten wir im Sommer ernsthafte Bedenken“, erklärt Willi Stürz, Kellermeister der Kellerei Tramin. Die Trauben seien aber außergewöhnlich gesund und optimal ausgereift, die Jungweine hätten sich im Keller sehr gut entwickelt.

Unter den hohen Tagestemperaturen hätten vor allem Weißburgundertrauben in den warmen ersten Hanglagen gelitten, während sie sich in den kühleren Lagen bestens entwickelt hätten. Der Pinot Grigio sei dagegen durchgehend von sehr guter Qualität. „Aromatische Sorten wie Sauvignon haben den warmen Temperaturen standgehalten und ihre Fruchtkomponenten erhalten“, erklärt der Kellermeister. Gut kamen Chardonnay- und Gewürztraminer mit höheren Tagestemperaturen zurecht: „Der Chardonnay konnte seine volle Eleganz und Finesse entwickeln, der Gewürztraminer hat neben feinen, floralen Komponenten auch spannende würzige Nuancen entwickelt, die ohnehin für das Unterland typisch sind“, sagt Stürz.

Was die roten Sorten betrifft, seien Blauburgunderweine extraktreich, frisch und harmonisch. Für den Vernatsch sei 2022 ein herausragender Jahrgang mit feinen Gerbstoffen und einer Fruchtausprägung, die – wie der Kellermeister erklärt – „in Richtung animierende Kirschfrucht geht“. Für kräftige, spät reifende Rotweinsorten war es sogar „einer der besten Jahrgänge der letzten zehn Jahre“, so Stürz. „Vor allem Lagrein, Merlot und Cabernet haben optimale Bedingungen vorgefunden, die sich nun in Dichte, Ausdruck und reifen Gerbstoffen widerspiegeln“, so der Traminer Kellermeister, der anfügt: „Allgemein ist 2022 ein eindrucksvoller Jahrgang mit teils überragenden Spitzenqualitäten.“

Burggrafenamt: Geschichtsträchtige Rot- und interessante Weißweine

Nichts weniger als einen geschichtsträchtigen Jahrgang, vor allem für Rotweine, prognostiziert Stefan Kapfinger, Kellermeister der Kellerei Meran. „Ich habe so ein Jahr noch nie erlebt“, sagt Kapfinger, schließlich habe alles mitgespielt: „Die Reife war da, der Zucker auch und wir konnten die Trauben bis zum idealen Erntezeitpunkt hängen lassen“, so der Meraner Kellermeister.

Ideale Voraussetzungen habe etwa der Blauburgunder vorgefunden, der etwas dunkler und kräftiger in die Flasche kommen wird. „Struktur, Fülle und Reife sorgen zudem dafür, dass er sehr langlebig sein wird“, so Kapfinger. Ähnlich fällt sein Urteil über den Cabernet, vor allem aber den Lagrein aus: „Ich habe selten einen so tiefgründigen, kräftigen Lagrein mit toller Struktur erlebt“, so der Kellermeister. „Der 2022er Lagrein geht sicher in die Geschichte ein.“ Ein besonderer Jahrgang im Burggrafenamt sei 2022 schließlich auch für den Vernatsch, der kräftiger, dunkler und sicher langlebiger werde.

Unter den weißen Sorten stechen für Stefan Kapfinger vor allem Weißburgunder, Pinot Grigio und Chardonnay heraus. „Diese Sorten brauchen die kühlen Nächte nicht so wie andere und präsentieren sich mit einer schönen Reife und Fülle“, so der Meraner Kellermeister. Auch der Gewürztraminer habe von den hohen Temperaturen profitiert und entwickle sich mit sehr viel Frucht und hoher Aussagekraft. Außergewöhnlich falle schließlich der Sauvignon 2022 aus. „Er entwickelt sich sehr kräftig, mit ausgeprägter Frucht, verspielt und mit ausgeprägteren Noten exotischer Früchte“, erklärt Kapfinger. „Das macht ihn vielschichtig und spannend.“

Eisacktal: Ein Jahrgang gehaltvoller, kräftiger Weißweine

Als nördlichstes Anbaugebiet in Südtirol war das Eisacktal am wenigsten von der Hitze und Trockenheit des heurigen Sommers betroffen. „Vor allem in den Tagen vor der Ernte haben die Trauben noch von kühleren Nächten und damit von großen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht profitieren können“, erklärt Hannes Munter, Kellermeister der Kellerei Eisacktal. Dennoch hat die Lese im Eisacktal rund zehn Tage früher begonnen als in anderen Jahren, was vor allem die Weinbauern vor organisatorische und logistische Herausforderungen gestellt hat.

Aufgrund des warmen Sommers und Herbstes sei die Zuckergradation auch im Eisacktal höher ausgefallen als in anderen Jahren, der daraus folgende höhere Alkoholgehalt sei aber gut eingebunden und die Weine wiesen einen erstaunlichen Trinkfluss auf, erklärt der Kellermeister. Insgesamt sei der Jahrgang für Weißweine im Eisacktal aber ein sehr guter, so Munter: „Die Weine haben mehr Struktur als in anderen Jahren, sie sind gehaltvoller, kräftiger und cremiger.“

Was die wichtigsten Eisacktaler Sorten betrifft, hebt Munter in erster Linie den Grünen Veltliner hervor, der von der außergewöhnlich cremigen Struktur enorm profitiere, erklärt der Kellermeister der Kellerei Eisacktal. Überraschend habe sich auch der Kerner entwickelt: „Trotz etwas längerer Gärzeit bringt er sehr viel Frucht und interessante Tee- bzw. Kamillen-Noten mit und ist sehr angenehm zu trinken“, so Munter. Ähnlich fruchtig präsentiere sich auch der Sylvaner, dessen Besonderheit 2022 darin liege, dass er eher von reifen als von grünen Noten dominiert werde.

Vinschgau: Reifer, eleganter Jahrgang für Rot- und Weißweine

Der außergewöhnliche Hitzesommer im vergangenen Jahr spiegelt sich auch in den Weinen des Jahrgangs 2022 aus dem Vinschgau wider. So haben die hohen Temperaturen für einen reifen, eleganten Jahrgang gesorgt, der vor allem bei den Burgundersorten durch weniger Säure als in anderen Jahren gekennzeichnet ist. „Der Riesling hat dagegen vom kühlen September profitiert, durch den sich die Säurewerte sehr gut gehalten haben“, erklärt Magdalena Pratzner, die das Weingut Falkenstein in Naturns führt. „Und dasselbe gilt für die Weine aus den höheren Lagen.“

Pratzners Gesamturteil über die roten Sorten aus dem Vinschgau fällt entsprechend erfreulich aus. „2022 ist ein sehr guter Rotweinjahrgang“, so die Önologin, „in der Farbe kräftig und mit einer guten Säurestruktur“. Dazu kämen feine Aromen und Gerbstoffe, die den roten Jahrgang 2022 auszeichneten.

Ähnlich positiv beurteilt die Naturnser Önologin auch den Vinschger Weißweinjahrgang 2022. „Die Weißweine fallen besonders mineralisch aus, mit schöner Frucht und guter Säurestruktur“, erklärt Pratzner, die besonders den Kerner hervorhebt: „Er entwickelt sich sehr gut“, sagt sie. Und nach einem Gesamturteil über die Vinschger Weißweine 2022 gefragt, antwortet Magdalena Pratzner: „Alles in allem ist 2022 ein sehr eleganter Weißweinjahrgang.“

 

 

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