„Ein Präzedenzurteil“
Die Südtiroler Volksbank verliert auch das Berufungsverfahren gegen einen Kunden wegen Missachtung der Informationspflichten zum Onlinehandel. Sie muss ihm 385.000 Euro zahlen.
von Thomas Vikoler
Damit musste der Kunde rechnen:
Die Südtiroler Volksbank holte im Berufungsverfahren zu einem Urteil der Bozner Zivilrichterin Cristina Longhi zum Gegenschlag aus. Sie forderte – neben der Aufhebung des Urteils – von dem Südtiroler, dem in der ersten Instanz ein Schadensersatz in Höhe von 385.000 Euro zugesprochen worden war, die Zahlung von 422.483,28 Euro. Plus Zinsen.
Doch nun kann der Kunde aufatmen.
Ein Richtersenat der Zivilsektion des Bozner Oberlandesgericht hat die Berufung der Volksbank abgewiesen. Dem Südtiroler, der im Jahre 2005 über dem Online-Wertpapierhandel der Bank riskante Investitionen tätigte (und dabei sehr viel Geld verlor), stehen die genannten 385.000 Euro Schadensersatz zu.
Das Oberlandesgericht kommt nämlich zum Schluss, dass die Volksbank in diesem Fall die gesetzlich vorgeschriebene Informationspflicht gegenüber dem Kunden zweifach verletzt hat: Einmal, indem sie ihn nicht über die geltenden Bestimmungen zum Online-Handel aufklärte, zweitens, weil sie – jedenfalls damals – keine Online-Plattform für Dienstleistungen im Bereich Wertpapierhandel anbot. Denn laut dem nun bestätigten erstinstanzlichen Urteil sind Banken verpflichtet, ihre Kunden bei ihren Aktienankäufen zu beraten. Auch dann, wenn diese online von ihrem Computer aus erfolgen. Und zwar auf der gleichen Weise wie bei einer Beratung in der Bankfiliale.
Die Volksbank hatte in seiner Berufungsschrift darauf hingewiesen, dass der in diesem Verfahren vom Bozner Anwalt Christian Perathoner (im Bild oben) vertretene Kunde im Jahre 2005 eine sogenannte Schadloserklärung abgegeben hat.
Er erklärte darin, „dass sämtliche, in Abweichung zum Risikoprofil der von mir mittels Online Trading getätigten Wertpapierkäufe voll und ganz zu meinen Lasten gehen und ich, zu keiner Zeit die Südtiroler Volksbank in Haftung nehmen kann, da die Bank keinerlei Einfluss auf die von mir getätigten Wertpapieroperationen ausüben kann.“
Diese (sonderbare) Erklärung entpflichte die Bank nicht von der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, heißt es dazu kurz in der Urteilsbegründung des Bozner Oberlandesgerichts.
Der Kunde hatte 2005 u.a. Aktien von British Airways und Beloise gekauft und wegen Kurseinbrüchen wieder verkauft. Mit dem nun bestätigten erstinstanzlichen Urteil wurde ihm die Differenz zwischen dem Ein- und Verkaufspreis der Wertpapiere als Schadensersatz zugesprochen.
Für Klägeranwalt Perathoner handelt es sich um ein Präzedenzurteil für den gesamten Bankensektor.
Die einzelnen Banken seien demnach verpflichtet, die von ihren Kunden getätigten Wertpapiergeschäfte zu kontrollieren und gegebenenfalls beratend einzugreifen. Also vor sich selbst und ihren Kauf- und Verkaufsimpulsen zu schützen.
In der komplexen Welt des Finanzkapitalismus dürfen Kunden also nicht allein gelassen werden – auch wenn sie zuvor, wie der Volksbank-Kunde, eine Schadloserklärung unterzeichnet haben.
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