Mit eiserner Hand
Angesichts des akuten Arbeitermangels will das Land härter gegen Arbeitsmuffel vorgehen: Wer ein Jobangebot unbegründet ablehnt, verliert das Arbeitslosengeld.
von Matthias Kofler
Philipp Achammer legt die Marschroute fest: „Wer in der Lage ist zu arbeiten, soll auch arbeiten. Wer arbeitsfähig ist, hat kein Recht, sich auf Dauer von der öffentlichen Hand versorgen zu lassen“, sagt der Wirtschaftslandesrat. Südtirol leidet in vielen Branchen unter einem akuten Fach- und Arbeitskräftemangel. Die Schwierigkeit, geeignete Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu finden, belasten die heimischen Unternehmen zunehmend und wirken sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. Gleichzeitig verzeichnet die Autonome Provinz durchschnittlich zwischen 13.000 und 15.000 Arbeitslosen.
Laut Schätzung des Assessments, das für die aktive Arbeitsmarktpolitik vorgesehen ist, wären rund 60 Prozent dieser Arbeitslosen am Arbeitsmarkt vermittelbar. Hier will das Land den Hebel ansetzen, denn die Zeit drängt: In den kommenden 10 Jahren werden der Südtiroler Arbeitswelt – je nach Wirtschaftswachstum – 15.000 bis 30.000 Arbeitskräfte fehlen. Dementsprechend ergeben sich ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten bzw. diese bestehen heute schon.
Wie Landesrat Achammer gegenüber der Tageszeitung ausführt, hat die Landesregierung beschlossen, den Arbeitslosen genauer auf die Finger zu schauen. „Wir müssen hier strenger und härter werden“, betont der SVP-Politiker. Für die Kontrollen zuständig sind die Arbeitsvermittlungszentren, die den Arbeitslosen Jobangebote unterbreiten. Das Land will noch im März mehr Personal für die Jobcenter anstellen. Diese sollen laut Achammer „genauer hinschauen, ob arbeitsfähige Arbeitssuchende unbegründet ein Jobangebot ablehnen“. Ist dies der Fall, werde den Betroffenen die Arbeitslosenunterstützung gestrichen. Hier habe man in der Vergangenheit allzu häufig „ein Auge zugedrückt“, meint Achammer.
Der Hintergrund: Auf römischer Ebene geht die Regierung härter gegen Arbeitsmuffel vor. Als eine ihrer ersten Amtshandlungen hat Ministerpräsidentin Giorgia Meloni festgelegt, dass Arbeitslosen bereits bei der Ablehnung des ersten Jobangebots das Bürgereinkommen (Reddito di Cittadinanza) gestrichen wird. Bis Jahresende soll das Bürgereinkommen endgültig abgeschafft werden. Die Gesetzesbestimmungen sehen vor, dass das Arbeitsangebot „verhältnismäßig“ (in Italienisch „offerta congrua“) sein muss, um den Beziehern bereits nach dem ersten Angebot die Arbeitslosenunterstützung zu streichen. Die Ablehnung muss aber vom Arbeitnehmer kommen und die Zusage vom Arbeitgeber.
Und nicht selten liegt dort der Hund begraben. Wenn der Arbeitgeber ablehnt oder nicht zusagt, sind dem Land die Hände gebunden. Die „strategisch“ denkenden Leute führen sich entsprechend auf, um vom Arbeitgeber abgelehnt zu werden. Der Tageszeitung sind mehrere Fälle bekannt, wo sich Arbeitslose nur für ein paar Wochen auf Probe anstellen und dann mithilfe von Arbeitsverweigerung oder Disziplinarvergehen kündigen lassen, um wieder das Arbeitslosengeld zu beziehen. Laut der Landesverwaltung sind Ausländer hier überproportional vertreten.
Philipp Achammer spricht von einer „total absurden Situation“, die für viel ungute Stimmung sorge. „Wenn die Leute das Gefühl haben, dass einige das System nur ausnutzen und abkassieren, müssen wir tätig werden“, unterstreicht der Wirtschaftslandesrat.
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