„Finanzielle Hürden“
Obwohl der Wert eines Ultraschallgerätes unbestritten ist, verfügt nicht jede:r Allgemeinmediziner:in in Südtirol über ein solches Instrument.
Ist von Ultraschall-Diagnostik die Rede, denken viele in erster Linie an die Untersuchung des ungeborenen Kindes im Mutterleib.
Doch der Einsatz eines Ultraschallgerätes ist auch in der Hausarztpraxis von Bedeutung. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse liefern zeitnahe und zusätzliche Informationen für die Behandlung der Patient:innen. „Gäbe es die derzeitigen finanziellen Hürden bei der Anschaffung der Ultraschallgeräte nicht, hätten deutlich mehr Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin in Südtirol dieses Instrument in ihrer Praxis“, betont Doris Gatterer, Präsidentin der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM).
POCUS-Ultraschall in der Allgemeinmedizin
Mit einem Ultraschallgerät können alle Organe untersucht werden, so etwa Leber, Gallenblase, Nieren, Milz, Lunge, Herz, Harnblase, Prostata, Eierstöcke, Gebärmutter, Schilddrüse, Lymphknoten, Blutgefäße, Muskeln und Gelenke. Selbst Knochenbrüche können dank Ultraschall zuverlässig diagnostiziert werden, wie eine rezente Untersuchung des Universitäts-Kinderspitals beider Basel (UKBB) in der Schweiz ergab.
„Der von der Hausärztin/vom Hausarzt durchgeführte First-Level-Ultraschall nennt sich POCUS (Point- of-Care Ultrasonography). In den meisten Ländern der Welt ist die POCUS-Untersuchung vollständig in die klinische Praxis der Allgemeinmediziner:innen integriert“, erklärt Giuliano Piccoliori, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen.
„In der hausärztlichen Praxis ist die Verwendung der Ultraschalldiagnostik während der Sprechzeiten mit eingeschränkter Zeitressource in einigen Fällen von Vorteil, beispielsweise für das Erkennen einer Wasseransammlung im Rippenfell bei Atemnot oder Herzschwäche, im Bauchraum bei Tumoren, bei Nieren- und Gallensteinen, bei erweiterten Nierenbecken, bei Schwellungen der Lymphknoten oder entzündlichen Erkrankungen“, erläutert Doris Gatterer, Präsidentin der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM).
Auch für die Schilddrüsen-Diagnostik biete der Einsatz eines Ultraschallgerätes Vorteile, betont Piccoliori. Die Beurteilung verdächtiger Knoten müsse jedoch von einem Facharzt neu beurteilt werden. „Aber der Nutzen der POCUS-Untersuchung ist unbestritten für die Beurteilung vieler Organe und Bereiche des Körpers, um das Spektrum der Differentialdiagnosen einzugrenzen und eine gezielte und rasche Untersuchung zu ermöglichen“, bekräftigt Piccoliori. Allerdings müsse betont werden, dass die Verwendung des Ultraschalls in der Hausarztpraxis den sog. Second-Level-Ultraschall durch einen Radiologen oder durch einen speziell ausgebildeten Internisten nicht ersetze, so Piccoliori.
„Der eigentliche Mehrwert des Ultraschalls liegt darin, dass er heute eine unverzichtbare diagnostische Unterstützung in der Praxis der Allgemeinmedizin darstellt – auch deshalb, weil die Qualität der Bilder dank der technologischen Entwicklung erheblich zugenommen hat.“
Giuliano Piccoliori: „Die Verwendung des Ultraschallgerätes in der Sprechstunde der Hausärztin/des Hausarztes bringt die gezielte Antwort auf eine bestimmte Frage. Das führt zu nützlichen Informationen und einem zeitlich reduzierten Aufwand während der klinischen Untersuchung der Patient:innen.“
Die Verwendung eines Ultraschallgeräts will gelernt sein. „Noch bis vor sechs Jahren gab es in der Südtiroler Ausbildung zur Hausärztin/zum Hausarzt weder theoretische noch praktische Einheiten zur Verwendung des Ultraschallgerätes“, erklärt Doris Gatterer.
Im Rahmen der Ausbildung in Allgemeinmedizin am Institut für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen und im Zuge der Fortbildungsseminare der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM) wird angehenden und bereits praktizierenden Hausärztinnen und Hausärzten der für die allgemeinmedizinische Praxis empfohlene Umgang mit der Ultraschall-Diagnostik vermittelt.
Nur wenige Südtiroler Hausarztpraxen besitzen ein Ultraschallgerät
Obwohl der Wert eines Ultraschallgerätes unbestritten ist, verfügt nicht jede:r Allgemeinmediziner:in in Südtirol über ein solches Instrument. 2014 erstellte die SüGAM nach einer Klausurtagung einen erweiterten Leistungskatalog für die Praxis für Allgemeinmedizin.
Dieser sah u.a. den Ultraschall als Zusatzleistung vor. „Unser Vorschlag erging damals sowohl an die Gewerkschaften als auch an die Verantwortlichen des Sanitätsbetriebs, um das Thema bei den Vertragsverhandlungen aufs Tapet zu bringen“, erinnert SüGAM-Präsidentin Doris Gatterer.
„Leider hat sich in dieser Angelegenheit noch immer nichts getan. Kurz vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie gab es erneut Gespräche mit dem damaligen Landesrat für Gesundheit. Unsere Vorschläge wurden mit Wohlwollen aufgenommen. Doch Corona hat uns dann einen Strich durch die Rechnung gemacht“, beteuert Doris Gatterer. Sie hofft, dass der aktuelle Leistungskatalog endlich überarbeitet und verbessert wird.
Teure Diagnosegeräte
Bis dato muss der Umgang mit einem Ultraschallgerät von den Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin auf eigene Faust organisiert werden. Ausbildung und Ankauf erfolgen autonom. „Ein qualitativ hochwertiges tragbares Gerät kostet von 4.000 bis 6.000 Euro plus Mehrwertsteuer, die Kosten für ein Standgerät belaufen sich hingegen auf 20.000 bis 30.000 Euro. Die Preisskala ist nach oben offen“, betont Doris Gatterer.
Wird eine Ultraschalluntersuchung in einer Hausarztpraxis beansprucht, muss diese Leistung privat verrechnet werden. Denn noch gibt es keine Möglichkeit, diese Untersuchung mit dem Gesundheitsbetrieb zu verrechnen. „Gäbe es diese finanziellen Hürden nicht, so würden meiner Ansicht nach viel mehr Allgemeinmediziner:innen ein Ultraschallgerät in ihrer Praxis verwenden. Denn die diagnostischen Erkenntnisse bieten wertvolle, zusätzliche und zeitnahe Informationen für therapeutische Entscheidungen“, unterstreicht Doris Gatterer.
Ein Dekret der Regierung Draghi vom Juli 2022 könnte neue Chancen bieten. „Dieses Dekret sieht zahlreiche neue Infrastrukturen vor, um die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung zu verbessern. Möglicherweise könnten dadurch auch diagnostische Gerätschaften finanziert werden“, sagt Doris Gatterer. Entscheidend sei jedoch weniger, ob die öffentliche Hand – etwa das Land Südtirol – Ultraschallgeräte kaufe und den Hausärztinnen und Hausärzten zur Verfügung stelle: Wichtiger sei vielmehr das Entstehen eines Bewusstseins bei Patient:innen und Mediziner:innen, dass die Ultraschalluntersuchung für die Bewertung von klinischen Fragen zur schnellen, symptomorientierten Beurteilung von diagnostischen und therapeutischen Fragestellungen von großer Wichtigkeit ist, so Gatterer.
Gemeinschaftspraxen als Modell
Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin, die in einer gemeinsamen Praxis arbeiten, können ein Ultraschallgerät kostensparend erwerben und mit gemeinsamer Expertise nutzen. Laut Doris Gatterer kann das durchaus Modellcharakter haben. „Es kann sich auch nur ein:e Allgemeinmediziner:in die Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit der Ultraschalldiagnostik aneignen und sich ständig weiterbilden. Das bedeutet ein Mehr an Qualität für die Patient:innen, aber auch für die Kolleg:innen in der Gemeinschaftspraxis“, unterstreicht SüGAM-Präsidentin Doris Gatterer.
Ultraschall als Anreiz für künftige Hausärztinnen und Hausärzte
Warum fällt es Südtirol schwer, neue Allgemeinmediziner:innen zu finden? Antworten auf diese Frage bietet eine Online-Befragung, die das Institut für Allgemeinmedizin Bozen im Sommer 2022 in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Innsbruck und allen ärztlichen Direktionen der Tiroler Krankenhäuser durchgeführt hat.
„Einer der häufigsten Gründe, sich nach der Ausbildung nicht als Hausärztin/Hausarzt in Südtirol niederzulassen, ist die hierzulande eingeschränkte Möglichkeit für Zusatzdiagnostik in der hausärztlichen Praxis. Diesen erschwerenden Grund nannten 76% der Befragten“, erklärt Adolf Engl, Präsident des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health am Universitären Ausbildungszentrum für Gesundheitsberufe Claudiana in Bozen.
„Das Vorhandensein und der gezielte Einsatz von Ultraschallgeräten in Hausarztpraxen könnten folglich einen Anreiz für angehende Allgemeinmediziner:innen schaffen, ihren Beruf in Südtirol auszuüben. Dies wäre ein Mehrwert für Südtirol, stellt die Allgemeinmedizin doch das Fundament der öffentlichen Gesundheitsversorgung dar“, hält Engl fest.
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Kommentare (6)
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tiroler
ich finde diese diskussion müßig. ein ultraschallgerät gehört zum standart. jedrr handwerker hat teure hochwertige maschinen mit cnc technik usw und hat stundensätze von höchstens einem drittel von jenen der ärzte. 30.000euro für ein ultraschallgerät ist echt nicht bviel wenn man bedenkt dass jeder hausarzt ca 150.000 euro im jahr verdient.
ich
@tiroler. Sie sind ja ein richtiger Witzbold! Ein Handwerker hat ein 1/3des Stundensatzes eines Arztes… Dann rufen sie mal einen und sie werden staunen.und das mit den 150000..da würde ich auch noch zu studieren anfangen.
andreas
30.000 Euro in 10 Jahren abschreiben, wären monatlich 250 Euro und da sie die Untersuchung ja verrechnen, durchaus finanzierbar.
Was mir eigentlich bei allen Ärzten auffällt, ob Hausarzt oder im KH, bei einem Besuch macht die eigentlich Untersuchung nie über 50% der Zeit aus, den Rest benötigen sie für Bürokratie.
@alice.it
Vielleicht könnte der Südtiroler Bauernbund hier mit einer Sonderspende finanziell aushelfen?
ostern
@alice
Im Bauernbund ist man gewohnt eine Spende zu erhalten, und nicht zu geben.