Verschlossene Türen
Mit neuen, blauen Ausweisen und der neuen zebra.Ausgabe starten die Straßenverkäufer*innen in den neuen Monat – das Thema Wohnen ist dabei nicht nur auf der zebra.Titelseite Thema, sondern auch im Sozialprojekt eine konstante Herausforderung.
Anfang Februar fand das halbjährliche zebra.Verkäufer*innentreffen statt.
Für Redaktion und Sozialarbeit war es eine Gelegenheit, Bilanz zu ziehen, gemeinsam die Initiativen der Straßenzeitung für 2023 zu planen und vor allem den Vorschlägen und Anliegen der zebra.Verkäufer*innen Raum zu geben. Die Straßenzeitung zebra., ein soziales Projekt der OEW-Organisation für eine solidarische Welt, gibt es nun schon seit neun Jahren in Südtirol.
Die Zeitung erscheint zehnmal im Jahr und bietet rund 60 Menschen in schwierigen Lebenssituationen die Möglichkeit, einer würdevollen Tätigkeit nachzugehen, ein wenig Geld zu verdienen und ihr Leben neu auszurichten.
Beim Treffen mit den Verkäufer*innen, die 2023 auf den Straßen anhand ihres blauen zebra.Ausweises erkennbar sein werden, kam wieder das Hauptproblem im Sozialprojekt zur Sprache: Wohnen. Darum dreht sich auch die erste neue Ausgabe der zebra. in diesem Jahr, die seit dem 10. Februar bei den Verkäufer*innen erhältlich ist. „Unlocked. Hinter verschlossenen Türen in Südtirol“, titelt die Straßenzeitung und nimmt den Südtiroler Wohnungsmarkt unter die Lupe.
Die meisten Menschen, die in Südtirol zebra. verkaufen, leben zwar nicht direkt auf der Straße, ihre Wohnsituation ist aber fast immer prekär: Einige Verkäufer*innen sind in Wohnheimen in der Umgebung untergebracht und viele haben ein Bett zur Untermiete bei Freunden oder Bekannten, ohne dort die Möglichkeit zu haben, einen Wohnsitz anzumelden. Die wenigen Glücklichen, die eine „ordentliche“ Unterkunft gefunden haben, zahlen exorbitante Summen für viel zu kleine, zumeist überbelegte Zimmer und Wohnungen.
So auch zebra.Verkäufer Nwankwo (Name von zebra.Redaktion geändert), der sich mit sieben Personen eine Wohnung am Stadtrand von Bozen teilt.
„Das Haus, in dem ich wohne, hat vier Doppelzimmer, eine Küche und ein gemeinsames Bad und jeder zahlt 400 Euro Miete.“ Seit einiger Zeit sucht Nwankwo, der in den letzten Jahren abwechselnd die Straßenzeitung verkaufte und saisonal in der Landwirtschaft arbeitete, nach einer billigeren und weniger überfüllten Unterkunft – bisher ohne Erfolg. „Ich weiß, dass ich im Vergleich zu anderen ‚Glück‘ habe, weil ich einen regulären Mietvertrag habe und eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen konnte, aber so zu leben ist immer noch unerschwinglich.“
Ein weiteres Beispiel liefert zebra.Verkäufer Samuel (Name von zebra.Redakion geändert).
Der 35-jährige Nigerianer lebt seit 2018 mit seiner Frau und den beiden kleinen Kindern in Bozen in einer rund 30 Quadratmeter großen Wohnung. Die beiden Arbeitnehmer – er Teilzeit-Putzfachkraft, sie Angestellte einer Schulkantine – suchen schon seit einiger Zeit nach einer größeren Wohnung.
„Mit unseren beiden Gehältern und den Einnahmen aus dem zebra.Verkauf könnten wir, wenn wir den Gürtel etwas enger schnallen würden, die Miete für eine Wohnung mit mindestens zwei Zimmern bezahlen, aber etwas Passendes für unsere Bedürfnisse zu finden, scheint eine unmögliche Mission zu sein“, so Samuel entmutigt, „Es ist mir schon mehrfach passiert, dass mir die Eigentümer bei der Besichtigung mitteilten, dass sie Wohnung nun doch schon gerade an eine andere Person vergeben worden ist. Das ist frustrierend.“
Patrizia Insam, zebra.Sozialarbeiterin, unterstützt die Verkäufer*innen auf ihrem Weg hin zu finanzieller Autonomie.
In Bezug auf das Thema Wohnen und in Anlehnung an die Erfahrungen von Nwankwo und Samuel weist sie darauf hin, dass die Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche vielfältig sind: „Von den hohen Mietpreisen bis hin zur Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund ist der Wohnungsmarkt in Südtirol ein sehr hartes Pflaster“.
Insam weist auch darauf hin, dass „die Verkäufer*innen, die in den letzten Jahren auf dem freien Markt eine Wohnung gefunden haben, immer auf persönliche Kontakte oder Bekanntschaften mit zebra.Leser*innen zählen konnten.“
Dies sei in ihren Augen eine wertvolle Errungenschaft, könne aber nicht die Lösung für ein strukturelles Problem sein.
Auch im Jahr 2023 wird die Herausgeberin OEW-Organisation für Eine solidarische Welt in Brixen ihre Arbeit fortsetzen, um die Verkäufer*innen auf ihrem Weg zu unterstützen.
Das im Rahmen des ESF-Programms „Interventi di Innovazione sociale“ durchgeführte Projekt „zebra. social work“ wird beispielsweise noch bis Juni fortgesetzt. In den vergangenen sechs Monaten wurden darüber 24 marginalisierte Personen betreut (Dienste und Interessierte können sich hier informieren: www.oew.org/zebra/sozialprojekt).
Auch die zebra.Redaktion wird in diesem Jahr wieder Artikel mit sozialem und politischem Bezug verfassen, um die Leser*innenschaft zu informieren und zu sensibilisieren. Selbst an besonderen Produkten wird es für zebra.Unterstützer*innen nicht mangeln: Ende März erscheint ein Jugendbuch, das über die zebra.Verkäufer*innen verkauft werden wird; im Sommer wird ein kreativ gestalteter Jahresplaner und im November bereits der neue Straßenkalender 2024 erhältlich sein.
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