Die Zinsfalle
Nach der Zinserhöhung der EZB wächst die Sorge bei den Südtiroler Kreditnehmern. Wie lange die Zinsen noch so hoch bleiben. Und: Wen die Zinserhöhung am härtesten trifft.
von Markus Rufin
Die Inflation scheint in Mitteleuropa den Peak erreicht zu haben. Zumindest die Energiepreise sinken leicht und auch bei den Rohstoffen gibt es erste Entlastungen. Dennoch hat die Europäische Zentralbank den Leitzins erneut um 0,5 Prozent auf 3,0 Prozentpunkte angehoben.
Die Entscheidung wurde teilweise stark kritisiert. Auch in Südtirol warnen die Freiheitlichen davor, dass „ehrliche arbeitende Menschen“ durch die Entscheidung „an den Rand des finanziellen Abgrundes geraten“.
Tatsächlich kann die Zinserhöhung Personen arg in Bedrängnis bringen. Darlehen zu fixen Zinssätzen wurden auch vor der Anhebung durch Banken kaum vergeben, da auch nur eine bestimmte Anzahl davon vergeben werden durften.
So kommt es, dass Personen, die noch vor zwei Jahren eine Verzinsung von 1,4 Prozent hatten, nun einen Zinssatz von drei oder sogar vier Prozent haben. Ein konkretes Beispiel verdeutlicht die prekäre Lage dieser Personen: Bei einem Kreditbeitrag von 300.000 Euro mit 30 Jahren Laufzeit und einer variablen Verzinsung von zwei Prozent, sorgt ein Zinsanstieg von 2,5 Prozent dafür, dass der monatliche Zinssatz um über 500 Euro steigt.
Was also tun, wenn man kurz davor steht ein Darlehen aufzunehmen? Wen trifft die Zinserhöhung am härtesten? Und wie lange bleiben die Zinsen so hoch?
Das alles sind Fragen, die sich nicht nur Südtiroler stellen. In ganz Europa blickt man mit Spannung auf die wirtschaftlichen Entwicklungen. Die meisten Institute gehen in ihren sogenannten „Forward Curves“ aktuell davon aus, dass die Zinsen bis in den Herbst hinein steigen werden, danach aber ähnlich wie die sinkende Inflationskurve wieder stark abfallen und gegen Ende des Jahres wieder ein normales Niveau erreichen.
Das heißt, obwohl die Zinserhöhung dazu führt, dass Personen, die in den letzten Jahren einen Kredit aufgenommen haben, teilweise deutlich mehr zahlen müssen, gibt es Aussicht auf eine rasche Reduktion der Zinsen und somit einer Normalisierung.
Das heißt, die aktuelle Zinserhöhung muss sich nicht für alle zum Nachteil entwickeln. Es ist sogar möglich, dass bei einem schnellen Absinken der Zinsen, sich ein variabler Zinssatz, der vor zwei Jahren abgeschlossen wurde, eher auszahlt als ein fixer Zinssatz. Klarheit wird man aber erst in einigen Monaten darüber erlangen.
„Von der aktuellen Erhöhung werden vor allem jene hart getroffen, die bereits drei oder vier Darlehen aufgenommen haben und bereits vor zwei Jahren am Limit waren. Sie werden den Gürtel stark enger schnallen müssen“, meint Wohnbauberater Olav Lutz.
Das eigentliche Problem dabei sei aber nicht die Zinserhöhung an sich, sondern die Tatsache, dass die Löhne nicht gestiegen sind. Doch nicht nur ein Anstieg der Löhne ist ausgeblieben, auch die Beiträge des Landes für Wohnungen ist seit Jahren gleichgeblieben.
Lutz erkennt darin einen Grund dafür, dass es jungen Menschen immer schwieriger fällt, Wohnungen zu kaufen oder Häuser zu bauen: „Die Wohnungspreise sind um 30 bis 40 Prozent gestiegen, die Landesbeiträge sind dagegen seit zehn Jahren unverändert. Im Verhältnis nutzt ein Beitrag einem heute also deutlich weniger.“
Ein weiteres Problem erkennt der Wohnbauberater in der Nutzung der Gemeindeimmobiliensteuer: „Diese wird zwar angehoben, das Geld geht aber in den allgemeinen Topf. Dabei müsste man es dringend für leistbares Wohnen verwenden.“
„Für junge Menschen, die nichts vom Elternhaus mitbekommen, ist es also nahezu unmöglich, etwas zu kaufen“, zeigt sich Lutz überzeugt. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie ein junger Mensch bei den heutigen Mietpreisen Geld einsparen oder für eine Pensionsvorsorge einzahlen will. Die Gehälter müssen steigen.“
Was ist nun also zu tun, wenn die Anschaffung nahezu unausweichlich ist? Zahlt sich ein variabler Zinssatz trotz des hohen Leitzinsens aus? Oder ist es besser, auf einen fixen Zinssatz zuzugreifen, falls es die Möglichkeit gibt?
Eine klare Antwort darauf gibt es nicht. Große Institute prognostizieren allerdings einen Zinsrückgang ab Herbst.
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Kommentare (12)
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sougeatsnet
Habe nachgerechnet: bei einem Kapital von 300.000€ und Zinsanstieg von 2 auf 4,5% beträgt der Zuschlag ca. 400€.
ultnerbaer
Du solltest richtig rechnen: 300.000 x 2,5% = 7.500 pro Jahr. 7.500 : 12 = 625 Euro mehr pro Monat. Somit steigt die Zinsrate (nur Zinsen ohne Kapitalrate) von vorher 500 Euro auf 1125 Euro pro Monat. Sinkt natürlich mit den Kapitalrückzahlungen…
sougeatsnet
@ultner wenn man sich mit Zinseszins und geometrischer Reihe nicht auskennt, sollte man den Mund nicht zu voll nehmen. Bei gleichbleibender Rate 300.000 zu 1,4% ergibt eine Monatsrate von ca. 1.020€, bei 3.9% ergibt es 1.403€. Rechnen muss man auch können!
Wie dies jemand mit 1.500€ Gehalt machen kann, auf 30 Jahre, erschließt sich mir nicht, letzlich muss man ja leben auch noch!
brutus
…jetzt rächt sich das zögern und lange festhalten von Lagarde an der Nullzinspolitik! Die USA haben darauf viel schneller reagiert und die EU ist mittlerweile von Platz 1, jetzt hinter den USA und China auf Platz 3 abgerutscht!
murega
@brutus
In den USA liegt der Leitzins bei aktuell 4,75%…
Tatsache ist auf jeden Fall, dass zumindest viele Wohnungskäufer nur den niedrigsten Zins wollten – und der war variabel einfach günstig – ohne nachzudenken, dass es auch anders kommen kann. Sicherlich ist die generelle Teuerung ein Problem – auch weil mittlerweile banale Käufe wie Waschmaschinen, Fernseher usw. variabel finanziert werden…
Mittlerweile wird bei vielen Menschen das Leben mittels Krediten finanziert und das kann nicht gut sein. Dann muss ein Kauf halt warten…
murega
@diplomat
In Südtirol. Banca Intesa macht das auch jetzt noch – zu aktuell 3,8% Zinsen…
Vor zwei Jahren verlangte Banca Intesa für einen zwanzigjährigen Kredit mit Festzins für die gesamte Laufzeit 0,9% (TAEG 1%)
ultnerbaer
aber der variable Zins lag ja nur bei 0.8% – da hätte ich ja mehr zahlen und auf mein wöchentliches Feierabendbier verzichten müssen….
tirolersepp
Kein Wunder daß junge Leute nicht mehr arbeiten wollen – bei dem Lohnniveau !!
Arbeitgeber macht ja alle schön weiter wie bisher!!
Es gibt Arbeit genug nur niemand will arbeiten – gut so !