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„Einfach und transparent“

Fotos: SBB

Ob Lebensmittelpreise, Wolf, Borkenkäfer oder die Energie: Die Landwirtschaft steht auch im Wipptal vor großen Herausforderungen. Diese können nur gemeinsam angegangen werden, war der Tenor auf der Bauernbund-Bezirksversammlung Wipptal in Wiesen. Zwei Themen standen besonders im Mittelpunkt: die Herkunftskennzeichnung und die Photovoltaik.

Das Jahr 2022 war für die Landwirtschaft ein besonderes. Der heiße und trockene Sommer machte der Grünlandwirtschaft zu schaffen. Zudem lief der Absatz der Milchhöfe in den ersten Monaten nur schleppend. „Ab der Jahresmitte sind die Preise aber angestiegen. Die Milchbäuerinnen und -bauern können daher mit einem höheren Auszahlungspreis rechnen“, sagte der Obmann des Bauernbund-Bezirks Eisacktal-Wipptal, Daniel Gasser.

Der Aufschlag sei auch nötig, da zugleich die Produktionskosten deutlich nach oben gegangen sind. Zufrieden zeigte sich Gasser mit der Entwicklung beim Zu- und Nebenerwerb. Besonders der Urlaub auf dem Bauernhof war wieder sehr erfolgreich. Großes und zum Teil noch wenig genutztes Potential liegt in der Direktvermarktung.

Sorgen haben den Bäuerinnen und Bauern im letzten Jahr der Wolf und der Borkenkäfer bereitet. „Wenn wir die traditionelle Almwirtschaft erhalten wollen, müssen Entnahmen beim Wolf möglich sein.“ Um dem Borkenkäfer zu bekämpfen, müssten befallene Bäume aus den Wäldern entfernt werden. Damit sich die Waldarbeit lohne, brauche es höhere Förderungen, die Landesrat Arnold Schuler auch ankündigte, und einen besseren Preis, besonders für Hackschnitzel. Daher lautete auch das Fazit von Daniel Gasser: „Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Diesen müssen wir uns gemeinsam stellen und sie meistern.“

Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner beleuchtete das Haushaltsgesetz der Regierung Meloni. Dieses würde einige gute Ansätze beinhalten, wie die Reduzierung der Mehrwertsteuer für Pellets auf zehn Prozent, sowie einige Steuerkredite bzw. -boni, die weitergeführt werden.

Leider seien andere Vergünstigungen, mit welchen Investitionen unterstützt wurden, aus Geldmangel gestrichen worden.

Einen Neubeginn gibt es in der EU-Agrarpolitik mit dem Start der neuen Finanzperiode. „Die Farm-to-Fork-Strategie der EU reicht leider nur bis zum Acker bzw. zur Stalltür und sieht Auflagen vor allem für die Landwirtschaft vor. Notwendig wäre, auch den Konsumenten in die Pflicht zu nehmen. Zukünftig sollte jeder Konsument darauf achten, was auf den Teller kommt und woher die Lebensmittel stammen.

Was im Großen nicht richtig funktioniert, soll nun im Kleinen gelingen. „Mit dem neuen Gesetz zur Herkunftsbezeichnung, das unter anderem Manfred Vallazza eingebracht hat und das der Südtiroler Landtag hoffentlich genehmigt, sollen die Konsumentinnen und Konsumenten sehen können, wo in Mensen, Gasthäusern oder Schankbetrieben Fleisch, Eier und Milchprodukte herkommen – und das einfach und transparent.“

Rinner nutzte die Gelegenheit, auf die Kritik der letzten Tage zu antworten: „Das neue Gesetz, das übrigens auch für die bäuerlichen Schankbetriebe gilt, zwinge niemanden, ausschließlich lokal einzukaufen. Es muss lediglich angegeben werden, woher die Produkte stammen.“ Gefordert seien zukünftig aber nicht nur die Betreiber, sondern auch die Konsumenten, die sich nun bewusster und verantwortungsvoller entscheiden könnten, was sie essen wollen. Nur mit Freiwilligkeit, so wie von einigen Kritikern gefordert, würde sich aber kaum etwas am Einkaufsverhalten ändern.

Leider sei Südtirol bei der Regionalität – anders als manchmal kommuniziert – nicht im europäischen Spitzenfeld, obwohl es einige gute Beispiele wie das „Südtiroler Gasthaus“ oder die bäuerlichen Schankbetriebe gebe, wo Regionalität schon länger eine große Rolle spiele.

Ein heißes Eisen ist auch das Thema Energie. SBB-Direktor Siegfried Rinner bedauerte, dass es noch immer keine Einigung mit den Fernheizwerken über den Hackschnitzelpreis gibt.

„Das ist ein schlechtes Signal für den Klimaschutz und die Regionalität. Regionale Kreisläufe zu Weltmarktpreisen kann es nicht geben.“ Dies unterstrich auch der Landtagsabgeordnete Franz Locher. Im Gegensatz zur Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer sprach sich Rinner auch klar für die Agri-Photovoltaik aus. „In klar definierten und abgegrenzten Zonen sollten Photovoltaikanlagen etwa über Obstwiesen zugelassen werden. Hier muss Südtirol aufgeschlossener und mutiger werden, sonst werden wir die Erneuerbare-Energien-Ziele nie erreichen.“

Für Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer sollten zuerst bereits versiegelte Flächen, wie Dächer, Parkplätze und Ähnliches, für neue Photovoltaikanlagen genutzt werden. Davon gebe es mehrere hundert Hektar. Zudem wurden erst die Bestimmungen für die Anbringung von solchen Anlagen gelockert und Vereinfachungen bei denkmalgeschützten Gebäuden beschlossen, erinnerte Hochgruber Kuenzer.

Landesrat Arnold Schuler stellte die neue EU-Förderperiode vor. Die ganz großen Neuerungen gebe es nicht. Sehr wohl aber stünden der Umweltschutz und das Tierwohl stärker im Mittelpunkt. Zudem würden die Förderungen für die bäuerlichen Betriebe bürokratischer. Zu begrüßen ist die Umverteilung von Geldmittel von den großen hin zu den kleinen Betrieben. Insgesamt wird Südtirol von der neuen Agrarpolitik profitieren. Für forstliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Borkenkäfers werden zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, sagte Schuler. Auch die Trinkwasserversorgung und das ländliche Wegenetz werden Schwerpunkte bleiben.

Feierlicher Höhepunkt der SBB-Bezirksversammlung Wipptal war die Verleihung der Erbhofurkunde durch Landesrat Arnold Schuler. „Es gibt mittlerweile über 1.200 Erbhöfe in Südtirol. Sie sind seit über 200 Jahren im Besitz derselben Familie. Das Festhalten am eigenen Familienbetrieb ist ein Grund dafür, warum Südtirol immer noch flächendeckend bewirtschaftet wird und die Kulturlandschaft so einmalig ist.“ Der neue Erbhof ist der Vestlerhof der Familie Florian Blasbichler in Ritzail/Freienfeld. Der Hof wurde erstmals im 13. Jahrhundert erwähnt und ist nachweislich seit Anfang des 19. Jahrhunderts im Besitz der Familie. Zum Hof gehören sieben Hektar Wiese, drei Hektar Weide und 24 Hektar Wald.

Für SBB-Obmann Leo Tiefenthaler würden gerade die Erbhöfe zeigen, wie nachhaltig und in Generationen in der Landwirtschaft gedacht würde. Auch sprach er sich für mehr Unabhängigkeit aus – bei Lebensmitteln genauso wie bei der Energieversorgung.

Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer stellte einige Neuerungen in der Raumordnung und beim Landschaftsschutz vor.

 

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