„Echte Nachhaltigkeit“
In einem voll besetzten Saal im Kulturhaus „Karl Schönherr“ in Schlanders fand die Jahreshauptversammlung des Bauernbund-Bezirks Vinschgau statt. Was die Landwirtschaft im abgelaufenen Jahr beschäftigt hat und was auf sie zukommt, war das zentrale Thema.
Am Beginn blickte Bauernbund-Bezirksobmann Raimund Prugger auf das Landwirtschaftsjahr 2022 zurück:
„Wegen der anhaltenden Trockenheit gab es vielerorts einen Schnitt weniger. Die Preise für das Zuchtvieh waren in Ordnung und die Qualität der Almprodukte sehr hoch.“ Sorgen bereiteten den Bäuerinnen und Bauern die enormen Kostensteigerungen, die es im vergangenen Jahr gab.
„Die Milchpreise werden zwar auch nach oben gehen, ob sie diesen Preisanstieg aber damit wettmachen, ist mehr als fraglich“, bezweifelte Prugger. Das Thema Tierwohl bereitet den Bauern ebenfalls Kopfzerbrechen: „Wir müssen schon aufpassen, dass aus dem ,Classyfarm’-System kein ,Lostyfarm’ wird und wir Betriebe verlieren, weil sie zusperren.“
Im Obstbau sei der Umstieg auf Clubsorten voll im Gange. Mittlerweile beträgt der Anteil dieser Sorten im Vinschgau rund zehn Prozent.
„Das bringt natürlich auch einen gewissen Lernprozess bei der Kulturführung mit sich. Ein wenig Konsolidierung täte uns jetzt gut“, betonte Prugger. Der Verkaufsstart im Obstbau sei eher mäßig verlaufen. Anders sieht es im Weinbau aus, wo Preise und Qualität gut seien und der Wunsch nach einer Ausweitung der Anbauflächen groß. Beim Anbau von Gemüse, Beeren und Steinobst blicken die Bauern auf ein wechselvolles Jahr zurück. Im Wald sorgen der Borkenkäfer und der hohe Rotwilddruck für massive Probleme.
Verbandspolitisch ist im Vinschgau das Wasser immer ein heißes Thema. „Zum Teil ist die Landwirtschaft von den Gebühren befreit, andere haben hoffentlich die Möglichkeit zur Reduzierung der Gebühren genutzt. Wichtig wäre uns nach wie vor eine Ausweitung der Trockenzonen“, erklärte Prugger.
Im Kreis drehe sich die Diskussion beim Thema Wolf. „Herdenschutzprojekte gibt es bei uns sehr wohl. Sie haben aber vor allem gezeigt, dass Zäune zwar helfen, die Schafe einzusperren, aber nicht den Wolf fernzuhalten“, unterstrich Prugger.
Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner begann seinen Ausblick auf das neue Landwirtschaftsjahr mit einem Bericht von der Grünen Woche, der weltgrößten Landwirtschaftsmesse in Berlin.
„Die großen Themen dort sind Naturschutz, Artenvielfalt, Klimawandel und Tierwohl – alles Begriffe, die längst auch bei uns bestens bekannt sind. Die Antwort der Landwirtschaft darauf ist, dass die Ernährungssicherheit im Zentrum stehen muss. Um sie herum kann man alles andere aufbauen.“ Man müsse wegkommen vom ständigen „entweder oder“ und hinkommen zu einem „sowohl als auch“, indem man Ziele nicht gegeneinander ausspielt, sondern Wege sucht, alle gemeinsam zu erreichen.
„Nahrung und Artenvielfalt, Ernährung und Tierwohl, Tierhaltung und Klimaschutz sollen kein Gegensatz sein. All das geht auch gemeinsam“, betonte Rinner. Beim Thema Nachhaltigkeit, das in aller Munde sei, werde allzu oft nur von der ökologischen Nachhaltigkeit gesprochen und auf die beiden anderen Dimensionen der Nachhaltigkeit – die ökonomische und die soziale – vergessen.
Rinner ging auch auf die laufende Diskussion im Lande zur Herkunftskennzeichnung ein.
„Der von uns unterstützte Vorschlag für ein neues Landesgesetz gilt natürlich für alle Formen der Verabreichung von Lebensmitteln, also auch für Buschen- und Hofschankbetriebe. Er sieht eine einfache Form der Kennzeichnung vor. Niemand hat behauptet, dass alle Produkte aus Südtirol kommen müssen, es geht um Transparenz und darum, dem Konsumenten eine Wahlmöglichkeit und die Chance zu einer bewussten Entscheidung zu geben“, stellte Rinner klar.
Der verbandspolitische Schwerpunkt des SBB werde heuer klar auf dem Markt liegen: „Wir müssen imstande sein, für unsere Produkte mehr Geld zu bekommen. Es ist notwendig, das Marketing für unsere Produkte zu verbessern und die Zahlungsbereitschaft beim Konsumenten zu erhöhen. Wir müssen eine Kultur für Lebensmittel schaffen“, forderte Rinner.
Michael Crepaz, Leiter der Abteilung Förderungen im Südtiroler Bauernbund, stellte die neuen EU-Förderprogramme vor. Paul Wellenzohn, der Präsident des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau, präsentierte aktuelle und geplante Projekte zum Ausbau und zur Verbesserung des Bewässerungsnetzes im Vinschgau. Es gehe darum, die Verfügbarkeit von ausreichend sauberem Wasser für die landwirtschaftlichen Kulturen sicherzustellen.
Ein Höhepunkt der Bezirksversammlung war die Verleihung der Erbhofurkunde an die Familie von Nikolaus Lampacher vom Herrenhof in Latsch. Beim 16. Erbhof in der Gemeinde Latsch handelt es sich um einen modernen Obstbaubetrieb, der seit über 200 Jahren von der Familie Lampacher bewirtschaftet wird. Landesrat Arnold Schuler erinnerte an die Besonderheit der Erbhöfe in Südtirol.
„Im Gegensatz zu vielen anderen Regionen ist die Zahl der Höfe bei uns in den vergangenen Jahrzehnten kaum zurückgegangen. Das zeugt von einer vorausschauenden Politik und einer starken Verbundenheit der Menschen mit ihrem Grund und Boden.“
Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler bezeichnete die Erbhöfe als „gelebte Zeichen echter Nachhaltigkeit“, denn sie würden wesentlich dazu beitragen, dass es über viele Jahrhunderte hinweg Landwirtschaft in Südtirol gegeben habe und weiterhin geben werde. Zudem erinnerte Tiefenthaler an das bevorstehende intensive Wahljahr und rief die Bäuerinnen und Bauern dazu auf, über ihre politischen Vertreter mitzuentscheiden und sich diese Woche noch an den Bauernbund-Basiswahlen zu beteiligen.
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Kommentare (2)
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tirolersepp
Berglandwirtschaft hat im Nebenerwerb Zukunft !
bernhart
Die Herkunftsbezeichnung führt zu einer Verteuerung. dernormale Bürger wird in Zukunft regionale überteuerte Lebensmittel meiden so siehts aus.