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„Falsche Adresse“  

Die Ärztekammer stellt sich entschieden gegen die Einstellung des Strafverfahrens zum Ärzte-Plakat der Südtiroler Freiheit. Eine außergerichtliche Einigung kam nicht zustande.

 von Thomas Vikoler

„Hier geht es nicht um eine politische Diskussion, sondern um einen konkreten Vorwurf gegen einen Arzt. Nämlich, dass ein Patient gestorben ist, weil ersterer nicht Deutsch konnte“.

Der Bozner Strafanwalt Beniamino Migliucci ist wieder einmal in seinem Element. Er verteidigte gestern in einer Verhandlung vor Voruntersuchungsrichterin Elsa Vesco am Landesgericht eine Stunde lang einen Einspruch gegen einen Archivierungsantrag der Staatsanwaltschaft Bozen.

Er bezieht sich auf ein Strafverfahren gegen Exponenten der Süd-Tiroler Freiheit, welche im Jahre 2019 die Plakatkampagne „Deutsche Sprache im Krankenhaus“ lancierte. Zu sehen sind dort die Füße einer Leiche mit einem Zettel, mit der Aufschrift „Hier stirbt das Recht auf Gebrauch der Muttersprache“.

Die Staatsanwaltschaft geht zwar davon aus, dass das Plakat eine schwere Beleidigung gegen die Ärzteschaft darstellt, sieht aber keinen Vorsatz dahinter und beantragte deshalb die Einstellung des Verfahrens.

„Die Staatsanwaltschaft stellt damit auf die Seite der Meinungsfreiheit“, findet Nicola Canestrini, Anwalt der Vertreter der Südtiroler Freiheit. Das Plakat richte sich nicht gegen Ärzte, sondern gegen die Politik, welche nicht für die Einhaltung der Zweisprachigkeitspflicht für Sanitätspersonal sorge. In der gestrigen Verhandlung erinnerte Canestrini an eine Plakataktion mit ähnlicher Symbolik in Wien, Allerdings wurde das Plakat von der dortigen Ärztekammer in Auftrag gegeben, mit dem Ziel, auf den Ärztemangel hinzuweisen.

Für Ärztekammer-Anwalt Migliucci ist im Fall des STF-Plakats eindeutig von einer Schädigung des Rufes der Ärzteschaft auszugehen, denn ihr werde unterstellt, dass Patienten sterben müssen, weil sie nicht ihre Sprache sprechen. „Es geht nicht um ein Risiko, der Tod ist – wie man auf dem Plakat sieht – bereits eingetreten“, insistiert Migliucci.

„Der Vorwurf ist also an die falsche Adresse gerichtet“.

Wie berichtet, haben die Verfahrensparteien zeitweise über eine außergerichtliche Einigung, also eine Rücknahme der Strafanzeige seitens der Ärztekammer und eine Wiedergutmachungserklärung der STF, verhandelt.

Der Deal kam nicht zustande, auch weil es im Interesse der rechten Bewegung liegt, das Thema Zweisprachigkeit weiter obenauf zu halten. Schließlich gibt es im kommenden Herbst Landtagswahlen.

Richterin Vesco wird ihre Entscheidung zum Einspruch gegen den Archivierungsantrag in einigen Wochen bekanntgeben.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (3)

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  • artimar

    Kaum zu glauben, womit sich Staatsanwaltschaft und Gericht in Bozen über Jahre hinweg zu beschäftigen haben.
    Man weiß. Auch im Bereich Minderheiten- oder im Klimaschutz gilt offenbar, um auf das jeweilige Anliegen aufmerksam machen, wird mitunter pro-voziert. Es soll ja den öffentlichen Diskurs einer freien Gesellschaft anstoßen.
    Wenn es, wie behauptet, hingegen um „einen konkreten Vorwurf gegen einen Arzt geht“ – , wieso klagt dieser dann nicht? Wie heißt der Arzt?
    Übrigens, dass „gestorben“ (Nebenklage) und das prozesshafte Sterben („hier stirbt“ im Plakat) in ihrer Bedeutung ident seien, würde dann wohl auch für „gelebt“ und „leben“ gelten.

  • robby

    So übernervös unsere Götter in Weiß?
    Dann muss wohl was wahres dransein.

  • dn

    Non mi konoschko piú fuori.

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