„Olympia wird es immer geben“
Drei Jahre bis Olympia 2026: Coni-Präsident Alex Tabarelli über den Biathlon-Weltcup in Antholz, den immer teurer werdenden Ausbau der Südtirol Arena, die neue Bob-Bahn in Cortina sowie über Sport und seine Olympische Euphorie.
von Silke Hinterwaldner
Seit bald zwei Jahren ist Alex Tabarelli Präsident des Olympischen Komitees in Südtirol. Dass diese Aufgabe umso spannender wird, je näher die Olympischen Biathlon-Bewerbe 2026 in Antholz rücken, liegt auf der Hand. Bis dahin ist noch drei Jahre Zeit, um alles vorzubereiten, umzubauen, auszubauen. Es gibt aber auch noch drei Weltcups, die die Südtirol Arena in Antholz füllen werden.
TAGESZEITUNG: Herr Tabarelli, der Startschuss für den Biathlon-Weltcup in Antholz fällt diese Woche. Nimmt alles seinen gewohnten Gang oder denkt man heute schon nur an Olympia?
Alex Tabarelli: Diese Weltcups müssen immer auch als Generalproben für Olympia gesehen werden. Aber: In Antholz gibt es seit 50 Jahren Weltcups, es gab sieben Weltmeisterschaften, es ist ausreichend Erfahrung vorhanden. Olympia ist ein nächstes, wichtiges Ziel, auf das jetzt hingearbeitet wird.
Dieser Weltcup wird der letzte vor dem großen Umbau der Südtirol Arena…
Sofort nach dem Weltcup wird mit den Bauarbeiten begonnen, im nächsten Winter wird es trotzdem wieder einen normalen Weltcup geben.
Wie geht das?
Es ist alles genau geplant. Und außerdem muss gar nicht so viel gemacht werden. Zum einen kommt eine Anlage zur künstlichen Beschneiung, die bereits finanziert ist. Das andere sind die Bauarbeiten unter dem Schießstand, alles unterirdisch. Der neue Zieleinlauf wird möglicherweise später folgen und ist vor allem aus fernsehtechnischen Gründen sinnvoll. Auf jeden Fall ist alles so ausgelegt, dass der Weltcup jedes Jahr stattfinden kann.
Die Spesen für den Ausbau der Anlage sind enorm gestiegen, man spricht von 25 Prozent Mehrkosten. Kann man das überhaupt noch bezahlen?
Selbstverständlich. Der Staat stellt auch Gelder zur Verfügung, um die Mehrkosten zu stemmen, derzeit rund 20 Prozent. Das funktioniert für alle Olympia-Anlagen gleichermaßen: Das Olympische Komitee bezahlt fast alles, der Staat verteilt die Gelder, Teuerung inklusive.
Großereignisse wie Olympia stehen seit vielen Jahren in der Kritik: Wie aber würden Sie die Stimmung derzeit in Antholz und in Südtirol beschreiben?
In den Sportvereinen und -verbänden Südtirols gibt es über 100.000 Mitglieder, das ist sehr viel. Die Stimmung ist in Südtirol grundsätzlich positiv. Es wird mehrere Initiativen geben. Diese sollen den Olympischen Gedanken und die Euphorie stärken. Der Startschuss dafür fällt am 13. Mai, dann fehlen noch genau 1.000 Tage bis Olympia 2026. Ich bin überzeugt davon, dass sehr viele Menschen für Olympia sind, die Gegner sind einfach lauter. Dabei darf man eines nicht aus den Augen verlieren: Das IOC hat vieles verändert, man kommt von den Großveranstaltungen ab und setzt vielmehr auf mehrere Standorte. Man möchte bestehende Strukturen erhalten und nutzen. In Antholz etwa ist so gut wie alles bereits vorhanden. Das Olympische Komitee stellt nun Gelder zur Verfügung, um die Anlage anpassen zu können, was im Rhythmus von zehn bis 15 Jahren auch notwendig ist. Was für die Zukunft wichtig werden wird: Man muss die Anlagen noch mehr nutzen, auch für andere Veranstaltungen. Ich denke an Mountainbike, aber auch an kulturelle Veranstaltungen. Das große Problem bei der Nachhaltigkeit ist immer die Nutzung der bestehenden Anlagen, auch damit sie kein Kostenfaktor für die Allgemeinheit werden. Für mich liegt auf der Hand: Ein Großereignis wie Olympia oder Weltmeisterschaften braucht es im Abstand von einigen Jahren immer wieder, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Es gibt weltweit 29 Biathlon-Anlagen, die Weltcups austragen dürfen. Aber jedes Jahr gibt es nur neun Weltcups. Umso wichtiger ist es, immer am Ball zu bleiben.
In Antholz spricht man von einem Ganzjahres-Leistungszentrum, worunter man sich aber nur schwer etwas vorstellen kann…
Es geht hauptsächlich um Sport. Langläufer und Biathleten trainieren auch in den Sommermonaten, das dürfte allen klar sein. In dieser wunderbaren Anlage könnte man dies auf andere Sportarten ausdehnen.
Auf der einen Seite müssen viele Millionen investiert werden, auf der anderen Seite soll es für Olympia keine Großbaustellen mehr geben: Ist das kein Widerspruch?
Das ist der Fehler! 36 Millionen für den Umbau der Südtirol Arena werden zur Verfügung gestellt, um diese Arbeiten durchführen zu können. Das IOC bezahlt dem Veranstalter insgesamt eine Milliarde Euro für die Fernsehrechte. Wir können die Umbauarbeiten durchführen, weil jetzt dieses Geld zur Verfügung gestellt wird. Dieses Geld kann man nicht anderweitig investieren. Ohne Olympia gäbe es auch kein Geld für den Umbau. Um aber auf dem internationalen Sportparkett mithalten zu können, müssen wir auf Erneuerung zu setzen. Damit meine ich nicht nur die Sportstätten, sondern auch die Investitionen in Infrastrukturen. Für den Bau der Riggertalschreife gibt es 220 Millionen Euro an Olympia-Geldern, ohne dieses Geld könnte man diese Eisenbahnbrücke wohl nicht bauen. Bisher haben wir 400 Millionen Euro in den Ausbau von Schiene und Straße investiert. Dabei wird der Schwerpunkt auf die Schiene gelegt, um den Verkehr von der Straße wegzubekommen.
Stichwort Bob-Bahn in Cortina: Ist es tatsächlich sinnvoll, diese neue Bahn zu bauen? Sollte man nicht besser auf Igls ausweichen?
Nein! Cortina hatte seit 1956 eine Bob-Bahn, auf derselben Trasse wird nun eine neue Anlage gebaut. In eineinhalb Monaten beginnt man mit dem Abbau der alten Bahn, die heute eine Ruine ist, seit rund 20 Jahren nicht mehr genutzt. Die neue wird dann im Juli aufgestellt, sich gut in die Landschaft einfügen und eine gut funktionierende Anlage darstellen. In Tirol aber würde die Erneuerung der Bob-Bahn 56 Millionen Euro kosten, der Neubau in Cortina hingegen kostet 80 Millionen Euro. Sicherlich bekommt Innsbruck aber dafür kein Geld vom italienischen Staat. Das ist vollkommen ausgeschlossen. Dabei darf man nicht vergessen: Weltweit gibt es momentan 17 Bob-Bahnen, die alle sehr gut arbeiten, alle schreiben schwarze Zahlen. Es gibt Bahnen, die 15 Stunden täglich offenhalten, weil viele Freizeitsportler kommen. Die Führung einer solchen Anlage verursacht jährlich rund 800.000 Euro an Kosten. Trotzdem übersteigen die Einnahmen diese Ausgaben. Beispiel La Plagne in Frankreich: In dieser Bahn will man die Athleten gar nicht mehr, weil man mit Freizeitsportlern so gut arbeitet. Das sind Ganzjahres-Anlagen, in denen man im Sommer auf Rollen fährt. Das alles ist ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor.
Bis Olympia 2026 fehlen nur noch drei Jahre: Ist es realistisch, bis dahin sämtliche Bauarbeiten abzuschließen?
Selbstverständlich. Jetzt passiert gerade sehr viel. 2025 wird es eine Vorolympiade geben, bei der die Anlagen die Feuerprobe bestehen müssen. Die allermeisten Anlagen bestehen heute schon, neu dazu kommen lediglich eine Halle in Mailand und die Bob-Bahn in Cortina.
Wird es nach 2026 überhaupt noch Olympische Winterspiele geben?
Keine Frage. Olympia wird es immer geben. Nachdem das IOC von der Idee der Großveranstaltungen wie in China oder Sotschi abgerückt ist, die absolut übertrieben waren, nutzt man nun Bestehendes. Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage wieder enorm steigen wird. Viele Ortschaften werden in Zukunft wieder Olympische Bewerbe austragen wollen. Man denke nur daran, wie weit diese Olympischen Winterspiele verteilt sind, überall gibt es erfahrene Veranstalter. Das alles bringt enorme Vorteile.
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Kommentare (3)
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andreas
Das Gegenteil ist der Fall.
Das IOC wird sich immer schwerer tun Orte zu finden, welche Oympiaden veranstalten wollen, da die Kosten die Einnahmen bei weitem übersteigen und die gebauten Sportstätten selten nachher sinnvoll und kostendeckend genutzt werden können.
Gerade für Winterspiele finden sich jetzt schon keine Bewerber mehr.
Dass alle Bobbahnen gewinnbringend arbeiten, glaube ich ihm jetzt mal nicht.
Auch die Anlage in Antholz wird sich niemals rechnen, außer er meint halt, dass Subventionen von Gott gegeben und keine Steuergelder sind.
fakt60ist
In einem Staate der ohnehin über und über verschuldet ist, dürfte es überhaupt keine mehr solch hohe Investitionen geben wegen einer Sportveranstaltung. Der einzige Grund dafür liegt einzig allein am Grunde von Geldgier und Koruption….am Ende die Schulden bezahlen darf dann wie immer der kleine Bürger…und die wundern sich dann, warum alles so teuer wird und die Inflation unsere Gehälter auffrisst.
klum
Erstens ein Kompliment an den Herrn Tabarelli. Er selbst scheint ordentlich abgespeckt haben und schaut jetzt auch entsprechend besser aus. So passt er jetzt besser in ein Bild eines IOC-Vertreters, als mit Wampe und fettigen Haaren.
Also solche Figur (Präsident des O-Komitees in Südtirol) kann und darf er auch nichts anderes vertreten, behaupten und fordern als die Interessen des IOC. Das ist mehr als legitim.
Die Aufgabe von Regierung, Opposition, Gesellschaft (Bevölkerung) ist es, gut drauf zu schauen was da abgeht. Arrogant unsinnige Dinge und Projekte zu fordern wird auf Dauer zu Ablehnung führen. Dann wird auch kein Tabarelli mehr imstande sein das Ruder zu IOC-Gunsten herumzureißen.
Etwas mehr Sensibilität und Kompromissfähigkeit ist gefragt, wenn es hier und anderswo weiterhin Großereignisse mit entsprechenden Nebenwirkungen geben soll.
Sonst bleiben IOC, FIFA & Co. tatsächlich nur mehr Qatar, Sotschi oder Peking als Austragungsorte, die irgendwann von den wohlhabenden und zahlenden TV-Zuschauer*innen boykottiert werden.