Pyromane auf der Couch
Der Ende August als mutmaßlicher Brandstifter verhaftete 21-jährige Bozner wird derzeit psychiatrisch begutachtet. Eine zumindest teilweise verminderte Schuldfähigkeit ist wahrscheinlich.
von Thomas Vikoler
Er muss sich derzeit – nach rund zwei Monaten Hausarrest – regelmäßig bei den Carabinieri melden.
Eine Vorschrift, welche der Bozner Voruntersuchungsrichter Emilio Schönsberg dem 21-jährigen Bozner auferlegt hat, der aller Voraussicht nach für die Brandserie im vergangenen Sommer an den Hängen der Landeshauptstadt verantwortlich ist.
Und damals verbreitet als „Feuerteufel“ bezeichnet wurde.
Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen den Bozner Studenten, der am 28. August nach einer kurzen Flucht von einem Feuerwehrmann am Guntschna-Hang geschnappt wurde, bisher nicht abgeschlossen.
Das hängt damit zusammen, dass Richter Schönsberg auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein psychiatrisches Gutachten an dem mutmaßlichen Brandstifter angeordnet hat. Es wird derzeit im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens erstellt und soll in einigen Wochen fertiggestellt sein.
Von dessen Ergebnis wird abhängen, ob der Beschuldigte überhaupt schuldfähig ist und strafrechtlich für seine Handlungen verantwortlich gemacht werden kann.
Der beauftragte Gutachter muss herausfinden, ob es sich bei dem Studenten um einen krankhaften Pyromanen handelt.
Die Symptomatik von Personen, die einen besonderen Drang verspüren, Feuer zu legen, scheint auch in Italien unter den psychiatrischen Störungen auf, die zu einer Strafminderung oder gar Strafunfähigkeit der Betroffenen führen kann.
Einige der Diagnosekriterien: Bewusste und vorsätzliche Brandstiftung in mehreren Fällen, große Erregung und Anspannung vor der Tat, Freude und Erleichterung während der Brandstiftung, Intelligenzminderung, körperliche Defizite, Störung des Sozialverhaltens, Hyperaktivitätsstörung.
Der Bozner Psychiater Michele Piccolin hat bereits mehrere derartige Fälle begutachtet: Er spricht im Zusammenhang mit Pyromanie einmal von psychisch gesunden Personen, die willentlich das Ziel verfolgen, Feuer zu entfachen und sich daran zu ergötzen.
Der zweite Typus: Schizophrene oder psychotische Personen, die bei dieser Tätigkeit zuweilen ihre erotischen Phantasien ausleben. Piccolin vergleicht krankhafte Pyromanen auch mit Spielsüchtigen oder Alkoholikern, die kaum in der Lage sind, ihre psychischen Impulse zu hemmen. „Hier steht weniger die Frage der Einsichtsfähigkeit der Betroffenen als deren Willensfähigkeit, also sich zurückhalten zu können, im Vordergrund“, so Piccolin.
Bei seiner Festnahme wurde dem 21-jährigen Bozner, der bei seinen Eltern lebt, lediglich eine Brandstiftung vorgehalten. Im Haftbefehl sprach der Voruntersuchungsrichter hingegen vom Verdacht „mehrerer Brandlegungen“.
Erst mit dem Abschluss der Ermittlungen wird feststehen, wie viele Brände ihm die Staatsanwaltschaft zur Last legt. Im vergangenen Juli und August mussten um Bozen unter schwierigen Bedingungen ein Dutzend Brände gelöscht werden, mit der Festnahme des Studenten riss die Serie ab.
Kann die Staatsanwaltschaft dem Tatverdächtigen mehrere der Brände nachweisen, ist eine zumindest teilweise Schuldunfähigkeit naheliegend bzw. wahrscheinlich. Dann könnte der nicht vorbestrafte Student mit einer Strafreduzierung von bis zu einem Drittel rechnen. Die Mindeststrafe für Brandstiftung liegt bei sechs Jahren.
Zu klären bleibt auch eine etwaige zivilrechtliche Verantwortung, die allerdings nach der seit 30. Dezember geltenden Cartabia-Reform bei einer Strafzumessung (gerichtlicher Vergleich) nicht vom Straf- auf ein Zivilverfahren umgelegt werden kann (siehe Kasten).
Und bei den Feuerwehren, die mehrere Wochen lang auf den Hängen von Bozen im Einsatz waren, fragt man sich, ob der Tatverdächtige am Ende dafür etwas bezahlen muss.
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