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Kampf dem Inflationsmonster

Im Neuen Jahr gilt für alle: Gut anschnallen und mit Vorsicht voranschreiten, denn es gibt noch viele Hindernisse auf dem Weg zur wirtschaftlichen Normalisierung.

von Michael Senoner (TZ-Kolumnist)

Auf den Finanzmärkten ist gerade unter Wehklagen eines der schlechtesten Geschäftsjahre seit Menschengedenken zu Ende gegangen. Einzig Energie- und Rohstoff-Investoren hatten was zum Lachen, sonst gab es nur verbrannte Erde: Sowohl auf der Aktien- als auch auf der Staatsanleihen-Seite resultierten im Jahresvergleich alle wichtigen Indikatoren deutlich im roten Bereich (Dax -12,4%, Dow Jones -8,8%, Eurobond: -14%).

Der breite amerikanische Aktienindex S&P 500 verlor sogar über 19%, nur dreimal in der Nachkriegszeit war er tiefer gefallen: 1974, beim ersten Erdöl-Schock, 2002 nach dem Bersten der Technologie-Blase und 2008, zu Beginn der Finanzkrise. Klar, dass der Euro bei diesem Trauerspiel nicht fehlen wollte: er verlor gegenüber dem Dollar 7% auf nun 1,06 $/€.

Und über die Höllenfahrt der Technologie-Anleger (Nasdaq -32%) oder die Implosion der Kryptowährung FTX wollen wir lieber schweigen.

Gewiss, ein Schreckensjahr für die vom Doppelschlag Ukraine-Krieg und Inflation gebeutelten Anleger, doch gerade letzthin ist wieder Leben in die Märkte gekommen, sieht man doch seit November vielerorts wieder etwas freundlichere Tendenzen. Warum?

Nach eineinhalb Jahren ununterbrochen negativer Überraschungen von Seiten der Konsumentenpreise gibt es seit einiger Zeit endlich wieder gegenläufige Signale.

In Amerika dürfte die Inflation sogar schon im Juni – bei 9,1%, einem 40-Jahre-Hoch – ihren Wendepunkt erreicht haben, bis November ist sie – unter dem zwischenzeitlichen Jubel der Investoren – auf 7,1% gesunken. Im Euroraum scheint die Kehrtwende im November erreicht worden zu sein, als die Teuerung auf 10% „fiel“ (von 10,6% im Oktober).

Unnötig zu erwähnen, daß man etwa in Deutschland seit der Nachkriegszeit keine zweistelligen Inflationszahlen mehr gesehen hatte. Was bedeutet dies nun aber für die Märkte und was lässt sich für die ersten Wochen des Neuen Jahreserwarten?

Auf den Aktienmärkten hat sich die Stimmung freilich etwas gebessert, da die Anleger spekulieren, der zuletzt drastische geldpolitische Straffungs-Kurs der Notenbanken könnte bald moderater werden – die Federal Reserve Bank in Washington hat ja bereits viermal in Folge den sonst selten verwendeten 75 Punkte-Hammer ausgepackt und den Leitzins in die Nähe von 4,5% gebracht. Unternehmensgewinne profitieren ja generell von niedrigeren Zinsen (oder weniger hohen als erwartet), da die Kreditfinanzierung dann einfacher ist, auch profitieren Aktienkurse von höher bewerteten zukünftigen Gewinnen.

Für Staatsanleihen sind gute Nachrichten von der Preisfront positiv, da die Gefahr einer Rezession sinkt und Anleger wieder niedrige Risikoaufschläge akzeptieren. Trotzdem sollte man der Mini-Euphorie auf den Märkten mit Vorsicht begegnen: Denn selbst wenn der Zenit der Preissteigerungen erreicht sein dürfte, darf das sprichwörtliche Inflationsmonster nicht zu früh für tot erklärt werden. Zum einen sind viele Preissteigerungen in den heutigen Preisen noch gar nicht enthalten – man denke nur an Forderung von +8% Lohn, mit der die deutsche Gewerkschaft IG Metall für ihre 3,8 Millionen Mitglieder in den Kollektivvertrags-Verhandlungen ’23 geht – und zum anderen ist es zwar recht einfach die Inflation von 10% auf 5% runterzudrücken (dank der gewichtigen Energiekomponente), aber auch dann ist man ja noch Welten vom 2%-Preis-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB)entfernt.

Es wird kein Leichtes sein, diesen Sockel abzubauen. Die Notenbankchefs auf beiden Seiten des Atlantiks, Jerome Powell (Fed) und Christine Lagarde (EZB), betonten deshalb auch Mitte Dezember, im Kampf um die Preisstabilität weiter entschlossen vorangehen zu wollen. Aus diesem Grund sind so auch jene Investoren baden gegangen, die auf Weihnachtsgeschenke der Notenbanken in Form eines entspannteren Inflations-Ausblicks gehofft hatten.

Insgesamt bleibt das Umfeld für Anleger also komplex, zumal auf Seiten der europäischen Anleihen ab dem Frühjahr das angekündigte Ende von EZB-Einkäufen negativ ins Gewicht fallen wird – ein Teil der geldpolitischen Straffung. Aber es gibt auch – neben der Kehrtwende bei der Inflation – Anlass zu moderatem Optimismus: So ist die von den Währungshütern beabsichtigte Abkühlung der makro-ökonomischen Konjunktur bisher milder ausgefallen als erwartet und auch der Euro hat sich seit Oktober wieder deutlich erholt. Weiterhin erstaunlich robust ist auch die Lage am Arbeitsmarkt mit sinkenden Arbeitslosenzahlen.

Trotzdem wird es für Arbeitnehmer ein Kampfjahr werden, denn die Sorge um den Erhalt der Kaufkraft wird uns noch länger begleiten. Im Neuen Jahr gilt aber für alle: Gut anschnallen und mit Vorsicht voranschreiten, denn es gibt noch viele Hindernisse auf dem Weg zur wirtschaftlichen Normalisierung!

 

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