Der große Bierbetrug
Im Sommer 2019 deckten Finanzwache und Polizei ein steuersparendes Bierkarussell zwischen Osttirol und Kampanien auf. Gegen drei Hauptverdächtige ist nun ein Urteil des Oberlandesgerichts ergangen.
von Thomas Vikoler
Bei seiner Festnahme im Juni 2019 trug P.D.S, 68, ein Dokument bei sich, das ihn als Empfänger des Bürgergeldes („reditto di cittadinanza“) auswies. Also ein – beinahe – Mittelloser, der staatliche Hilfe in Anspruch nehmen musste.
Festgenommen wurde der in Castel Volturno (Provinz Neapel) wohnhafte Mann im Rahmen einer großangelegten Ermittlung der Finanzwache Bruneck und der Quästur Bozen zum Tatverdacht des Steuerbetrugs. Sie richtete sich gegen das ominöse Bierkarussell zwischen Osttirol und Kampanien, das einen Schaden zu Lasten des italienischen Fiskus von rund zwei Millionen Euro verursachte.
P.D.S., einschlägig wegen Steuerbetrugs vorbestraft, war laut einem Urteil des Bozner Landesgerichts der Kopf einer kriminellen Vereinigung, die nach einer nicht unbedingt schwer durchschauen Methode vorging: Sie exportierte Bier von Italien nach Österreich, um es wenige Tage später wieder nach Italien einzuführen – jeweils über die ohnehin verkehrsüberlastete Staatsstraße durch das Pustertal.
Dies alles, um Akzisen auf Alkohol zu sparen (die sind in Österreich geringer als in Italien) und ein Mehrwertssteuerguthaben im Herkunftsland des Biers anzusammeln.
Die „Steuerersparnis“ pro LKW-Ladung Bier belief sich auf stattliche 10.000 Euro. In den Jahren 2016 und 2017 wurden über den Grenzübergang Winnebach pro Monat nicht weniger als 25 solcher Fahrten durchgeführt. Ein Lastwagen transportierte 150 Hektoliter Bier im Wert von rund 15.000 Euro, wofür in Italien 4.500 Euro an Akzisen zu zahlen gewesen wären. Empfänger der Lieferungen waren rund zwei Dutzend inländische Firmen, die auf die Namen von vornehmlich aus Rumänien stammende Personen lauteten. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft handelte es sich um Strohmänner von Scheinfirmen, in der Fachsprache „Missing trader“ genannt. Die Bierlieferungen landeten schließlich bei Abnehmern in Kampanien.
Im Februar vergangenen Jahres wurde P.D.S. und zwei Mitangeklagte, darunter sein Sohn, M.D.S., 42, vom Bozner Voruntersuchungsrichter Emilio Schönsberg wegen der ihnen vorgehaltenen Straftaten verurteilt: P.D.S zu drei Jahren und sechs Monaten Haft, der Sohn zu zwei Jahren und zwei Monaten Haft, der dritte Beschuldigte zu sechs Monaten Haft.
Alle legten Berufung gegen die Schuldsprüche ein.
Vor dem Bozner Oberlandesgericht schloss P.D.S. einen gerichtlichen Vergleich (Verzicht auf die Berufungsgründe), die ihm eine Herabsetzung der Strafe auf zwei Jahre und acht Monate Haft brachte.
Die Strafe gegen den Sohn wurde bestätigt, jene des dritten Beteiligten um einen Monat auf fünf Monate herabgesetzt.
Und was ist mit dem Bierimporteur aus Osttirol? Der heute 59-jährige Mann, dessen Firma in Nussdorf Debant ihren Sitz hat, bestreitet bis heute, vom Steuerschwindel seiner kampanischen Geschäftspartner gewusst zu haben. Er habe gedacht, die Zwischenlagerung des Biers in seinem Betrieb erfolge aus technischen Gründen.
Allerdings hat die Staatsanwaltschaft Bozen gegen ihn ebenfalls Anklage erhoben – auch wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Die Vorverhandlung zu diesem Verfahren findet in Kürze am Bozner Landesgericht statt.
Auf P.D.S. stießen die Ermittler übrigens über einen Zufallstreffer. Der mutmaßliche Bandenchef hielt sich im Frühling 2019 unter falschem Namen auf der Ferieninsel Gran Canaria auf.
Weil seine Ehefrau krank war, kam er nicht umhin, sie mit seinem Handy in Italien anzurufen.
Inzwischen befindet sich wieder auf freiem Fuß. Ob er weiterhin das Bürgergeld kassiert, ist nicht bekannt.
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