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„ … dazu bin ich ja gar nicht würdig!“

Gotthard Bonell bei der Papst-Audienz 2010 auf dem Petersplatz: „Ich gebe zu, dass ich seinem Charme und der Inszenierung erlegen bin.“

2010 bekam der Trudener Maler Gotthard Bonell den Auftrag, Papst Benedikt XVI. zu porträtieren. Er malte ihn ohne päpstliche Insignien – was im Rückblick prophetisch erscheint, denn vier Jahre später trat der Papst von seinem Amt zurück. Die Tageszeitung hat damals mit dem Künstler ein Gespräch über sein Treffen mit dem Papst geführt, das wir aus gegebenem Anlass noch einmal abdrucken.  Ergänzt von einem Brief des Papstes an den Künstler zu dessen Porträt von Bischof Golser.

Tageszeitung: Herr Bonell, in Ihrer Porträtgalerie hängen bereits 800 Bilder. Den Papst zu malen, dürfte die ultimative Herausforderung für einen Porträtisten sein.

 Gotthard Bonell: Nein, ganz sicher nicht. Es ist etwas Besonderes, und es ist schwierig, weil der Papst natürlich eine Persönlichkeit ist, die man fast täglich in den Medien sehen kann. Der Papst ist eine Person, und er ist eine Institution. Von all diesen Bildern musste ich mich zunächst befreien, ich musste eine Distanz herstellen, um künstlerisch arbeiten zu können.

Wie befreit man sich von offiziellen Bildern einer Person?


Ich beschäftige mich seit Februar fast ausschließlich mit dem Papst. Ich habe gelesen und viel ferngesehen, aber nicht, um Informationen oder Bilder anzuhäufen, sondern um diese abzubauen und zu meinem eigenen Bild vom Papst durchzudringen. Am Anfang war ich unglaublich begeistert von seinen roten Schuhen und wollte ihn unbedingt in Weiß und mit den knallroten Schuhen darstellen. Davon bin ich völlig abgekommen, ich wollte mehr als nur die Fassade malen. Im Endergebnis ist das Bild immer größer und die Figur des Papstes immer kleiner geworden.

Entspricht diese malerische Übersetzung Ihrem Eindruck vom Papst?

Ja. Er kam mir schüchtern, zweifelnd, auch unsicher vor, und genau das wollte ich darstellen.

Das Papstporträt von Gotthard Bonell, Öl auf Leinwand, 2010

Wie ist das Porträt entstanden? Haben Sie vor dem Papst gemalt?

Nein. Ich habe ihn einmal getroffen bei einer Audienz, bei der ich ihn zwei Stunden lang fotografieren durfte. Das war meine Bedingung an die Auftraggeber: Ich male das Porträt nur, wenn ich ihm einmal begegnen, wenn ich ihm die Hand geben, ihm in die Augen schauen darf und ihm mein Vorhaben erklären kann. Es war mir sehr wichtig, dass er darüber Bescheid weiß, damit es einen Dialog zwischen uns gibt. Porträtsitzungen selbst sind dann gar nicht mehr notwendig.

Haben Sie ihm das erklärt?


Ja. Die Ausgangsidee war ja, dass der Benedikt-Porträtgalerie in der Hofburg auch seines hinzugefügt wird, und immerhin ist er ja auch Ehrenbürger von Brixen.

Gotthard Bonells Porträt von Bischof Golser:

Was hat er geantwortet?

Er hat gesagt: „Aber dazu bin ich ja gar nicht würdig!“ Ich musste hellauf lachen, und da ist der Knopf aufgegangen. Ich habe ihm meine Porträtbücher gezeigt, er hat darin geblättert, das Bild von meinem behinderten Bruder aufgeschlagen und gesagt: „Aber Sie sind ja tatsächlich ein großer Künstler.“

Haben Sie seinen Ring geküsst?

Nein, das habe ich nicht. Er ist auf mich zugekommen und hat gleich meine beiden Hände genommen. Er hat einen festen Händedruck und schaut einem gerade in die Augen.

Ein großer Moment?

Ja, das ist es tatsächlich. Es ist schon etwas Besonderes, eine Audienz mit ihm zu erleben. Das ist eine gewaltige Inszenierung, ein Theater wie in der Arena von Verona.

Waren Sie aufgeregt?

Es hat in meinem Leben zwei Gelegenheiten gegeben, wo es mir die Sprache verschlagen hat. Das erste Mal, als ich dem größten Liedsänger des Jahrhunderts, Dietrich Fischer Diskau, begegnet bin, und beim Papst. Als er vor mir stand, war ich vollkommen blockiert.

Was hat er gesagt?

Er hat mit seinem deutschen Akzent „Buon giorno“ gesagt. Dann haben wir auf Deutsch weitergeredet. Ich gebe zu, dass ich seinem Charme und der Inszenierung erlegen bin. Das musste ich hinterher wieder allmählich abbauen, um die nötige Distanz zu finden. Meine Frau hat mir einige Bücher von Hans Küng gekauft, damit auf dem Nachtkästchen nicht nur der Ratzinger liegt. Ich habe es vermieden, nach diesem ersten Mal noch einmal nach Rom zu fahren, um das Bild nüchtern fertigzustellen.

Kann man bei einer Figur wie dem Papst überhaupt zwischen Persönlichkeit und Institution trennen?

 Nein, das funktioniert nicht. Man kann nur versuchen, eine Balance zu finden. Ich wollte auf keinen Fall ein repräsentatives Bild malen, wie Papstporträts normalerweise sind, sondern ein kritisches. Es ist kein schmeichelhaftes Porträt. Er sitzt nicht auf einem Thron, er trägt keinen Ornat und keine Kette, sondern sitzt einfach in weißem Gewand auf einem Stuhl. Es sollte so schlicht wie möglich werden, denn er ist ja ein schlichter Mensch.

Sind Sie ein Papst-Fan geworden?

Ich war bis zu diesem Treffen kein Ratzinger-Freund, aber jetzt sehe ich ihn anders. Er ist nicht so volksnah wie der vorherige Papst, er ist eher der nüchterne Deutsche, aber er kann die Dinge auch klar aussprechen, wie man vor Kurzem in England gesehen hat.

Als Papst-Maler steht man in einer Reihe mit den größten Malern der Kunstgeschichte.

Früher schon, aber heute nicht mehr. Ich habe es nie so empfunden und bin ganz verwundert über den Medienrummel, den das auslöst.

Als Maler haben Sie jetzt den Titel „Papst-Maler“ hängen. Wie gehen Sie damit um?

Ich bin froh, dass das Bild jetzt aus dem Atelier draußen ist, und ich hoffe, dass ich es auch bald aus dem Kopf bekomme.

Neun Bilder haben Sie gemalt, eines kommt in die Hofburg nach Brixen. Was passiert mit den anderen?


 Das sind mehr oder weniger Studien, die bleiben bei mir.

Interview: Heinrich Schwazer

Auszug aus einem Brief von Papst Benedikt XVI. an Gotthard Bonell

Am meisten berührt hat mich natürlich das Porträt, das Bischof Golser mit geschlossenen Augen, vollkommen in sich gekehrt, darstellt. Es ist ein Bild, das zu Herzen geht. Man ahnt einerseits die Größe seines Leidens und sieht doch auch einen tiefen Frieden in diesem Gesicht, eine innere Sammlung mitten in dem Leiden und ein Annehmen von Gottes Willen in dieser menschlich gesprochen so unbegreiflichen Prüfung.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (5)

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  • exodus

    @watschi Da müssen Sie wohl etwas falsch verstanden haben. Fragen Sie doch mal die misshandelten Jugendlichen, denn von denen wollte Ratzinger nichts wissen und hat alles vertuscht….Der unbeliebteste Papst des letzten Jahrhunderts, anscheinend haben Sie keine Deutschen Zeitungen gelesen, die waren sehr kühl und verhalten.

  • gerhard

    Da, lieber watschi, muss ich Dir widersprechen.
    Er war ein knallharter Kirchenfanatiker, dem nur das Wohl und der Ruf der Kirche wichtig war. Die mißbrauchten Kinder kümmerten Ihn einen Dreck.
    Er hat gelogen, hat betrogen, hat vertuscht, hat es zugelassen, dass Dreckskerle unter dem Priestermantel weiterhin Ihren Dienst verrichten durften und so völlig unnötig weiteres Unheil verbreiten durften.
    Die Abertausende von liebenswerten, ehrlichen und wunderbaren Priestern und Ordensfrauen, die, frei von Schuld, das ertragen mussten, unter dem Generalverdacht dummer Menschen leiden mußten, hatten und haben das nicht verdient.
    Er war ein weltfremder alter Mann, der offensichtlich ernsthaft geglaubt hat, die Kirche müsste als moralische Instanz im 21. Jahrhundert noch Ernst zu nehmen.
    Als ob es aufgeklärte Menschen auch nur ansatzweise interessiert, wenn ein Haufen frustrierter alter, weltfremder, Männer eine erzkonservative katholische Lebensweise fordert !
    Doch, ich habe die Beerdigung (in Zusammenfassung) gesehen.
    Politiker, die halt hingehen müssen. Vielleicht auch, um gesehen zu werden
    Jede Menge alte, verbrauchte Männer, die sich wichtig nehmen mit ihren roten und weißen Kutten und einige Tausend Gläubige, die dieser Sekte immer noch fanatisch folgen.

    Ich war, lieber watschi, bei der Beerdigung von Johannes Paul 2005 mit den Maltesern auf dem Vorplatz des Vatikan.
    Damals war Trauer, Betroffenheit und Schmerz förmlich zu spüren.
    Dicht gedrängt bis hinter zur Engelsburg. Über Nacht!
    Damals habe ich die Liebe gespürt, den Zusammenhalt, das Miteinander und die herzzerreisende Trauer.

    Bei diesem bösen alten Mann waren ein paar hundert Schützen aus Deutschland da, die einen Betriebsausfug machten .

    Von den vielen mißbrauchten und bestialisch geschlagenen, der Seele beraubten Betroffenen war bestimmt keiner da.
    Ein paar vielleicht, um erleichtert Abstand zu gewinnen.

    Ich weigere mich entschieden, nur weil dieser Mensch jetzt tot ist, so zu tun, als wäre er ein großer Papst, ein guter Mensch gewesen.
    Er ist der Papst der Schande, und so wird er in die Analen der Geschichtsbücher eingehen.
    Da bin ich mir sicher.
    Das ich Deine Gefühle verletze tut mir aufrichtig leid, watschi.
    Ich bitte Dich von Herzen, das nicht persönlich zu sehen.

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