„Für alles bekommt man Prügel“
Agrarlandesrat Arnold Schuler über den Hilferuf der Milchbauern in Völlan, ob ihre wirtschaftliche Situation tatsächlich so dramatisch ist und was er dagegen zu tun gedenkt.
TAGESZEITUNG Online: Herr Landesrat, bei den Südtiroler Milchbauern rumort es. Warum haben Sie sich bei der Veranstaltung der neuen Gruppe „Zukunft Südtiroler Bergmilch“ am Montag in Völlan nicht blicken lassen?
Arnold Schuler: Weil eine Delegation von ZSB nur kurz zuvor bei mir war und es bei dieser Gelegenheit bereits einen interessanten Austausch gab. Daher kenne ich die Situation sehr wohl und mir ist wichtig, dass es hier eine Unterstützung gibt. Die Bergbauern sind für Südtirol strategisch wichtig, weil an ihnen die Landschaftspflege hängt. Es ist daher wesentlich, diesen Sektor zu halten und vor allem die Stimmung wieder aufzuhellen, damit die Jugend nicht komplett abspringt.
Die Milchbauern sagen, dass sie mit 60 Cent/l nicht überleben können. Es gibt Bergbauern, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Wie dramatisch ist die Lage aus Ihrer Sicht tatsächlich?
Dazu ist zu sagen, dass der Milchpreis besser ausfallen wird als ursprünglich befürchtet. Dennoch verstehe ich die Sorgen der Bergbauern, denn der Milchpreis ist zwar nicht gesunken, allerdings sind die Kosten rundherum für Strom, Treibstoff und Futtermittel stark gestiegen. Das macht wie allen anderen Sektoren auch den Bergbauern stark zu schaffen. Unser Fokus bei der Unterstützung muss auf den Vollerwerbsbauern liegen. Bauern mit fünf Kühen sind zwar auch wichtig für die Berglandwirtschaft, bei ihnen wird der Milchpreis jedoch nicht entscheidend fürs Überleben sein. Wir haben inzwischen versucht eine kurzfristige Hilfeleistung zu geben, das war die famose 300 Euro-Prämie pro Kuh.
Von der die Milchbauern sagen, dass sie falsch kommuniziert wurde und deshalb bei der restlichen Bevölkerung auf totales Unverständnis stieß. Haben Sie sich da etwas vorzuwerfen?
Nein, ich habe mich immer hinter die Bergbauern gestellt. In diesem Land wird mittlerweile jede Entscheidung kritisiert, für alles bekommt man Prügel, daran muss man sich gewöhnen. Diese Polemik würde ich deshalb auch nicht überbewerten.
Wie kann das Land darauf einwirken, dass die Milchbauern von ihrer Arbeit auch leben können? Es gibt ja bereits zahlreiche Subventionen…
Genau. Es gibt zwar Handlungsbedarf, aber es ist nicht so, dass die Milchbauern bisher völlig im Regen stehen gelassen wurden. In der Förderprogrammperiode der EU gab es in den letzten Jahren eine deutlich höhere Milchkuhprämie, die auch in der kommenden Periode bis 2027 beibehalten wird, dazu kommen die Weideprämie sowie weitere Unterstützungsmaßnahmen.
Die Milchbauern kontern, dass sie nicht zu Almosenempfängern degradiert werden möchten?
Niemand macht heute mehr aus wirtschaftlichen Überlegungen den Bergbauer. Diese Tätigkeit wird ausgeübt, weil jemand Freude daran hat Nahrungsmittel zu produzieren und dafür möchte er Wertschätzung und einen fairen Preis. Das kann ich verstehen. Andererseits wird es die Beiträge für die Landwirtschaft immer brauchen. Auch die europäische Politik zielt darauf ab, die Grundnahrungsmittel niedrig zu halten. Für die Südtiroler Berglandwirtschaft braucht es zusätzliche Hilfen, denn es ist klar, dass sie nicht in Wettbewerb treten kann zu Großbetrieben mit 500 Kühen.
Die Milchbauern fordern faire Auszahlungspreise, die bei mindestens 80 Cent/l liegen. Ist das realistisch?
Das ist nicht so einfach zu verwirklichen, weil der Markt darüber entscheidet. Man muss da an mehreren Schrauben drehen, um die Berglandwirtschaft wieder rentabel zu machen und das muss nicht nur über den Milchpreis geschehen. Es geht auch über eine Produktionskostensenkung. Ich habe beispielsweise bei den Milchhöfen Druck gemacht und klare Konzepte eingefordert, bevor weitere Förderungen ausbezahlt werden. Es soll nicht jede Investition doppelt und dreifach getätigt und bezahlt werden. Auch bei der Zusammenarbeit ist sicher noch Potential vorhanden, um die Kosten zu reduzieren.
Weitere Möglichkeiten?
Die Marke Südtirol ist in die Marketingmaßnahmen stärker einzubeziehen, da sind wir bereits dahinter. Sie genießt einen hohen Sympathiewert, ist aber auf den Milchprodukten kaum zu finden.
Weil nicht überall nur Südtiroler Milch drinnen ist…
Das trifft nur auf die Produkte mit zugekaufter Milch zu, wo die Südtirol-Marke nicht angebracht werden darf. Ich spreche generell von landwirtschaftlichen Produkten. Wir müssen Südtirol nicht nur als Tourismusmarke, sondern als Regionenmarke profilieren. Das wäre ein nochmaliger Qualitätssprung. Auch die Gäste fordern immer mehr Regionalprodukte. Mehrere Maßnahmen sind in Ausarbeitung. Im Jänner werden wir im Landtag die Kennzeichnung von Regionalprodukten auf den Speisekarten behandeln.
Was ist mit der Selbstregulierung bei der Milchanlieferung? Die Reduzierung der abgelieferten Milchmenge hat für die Bauern Ergebnisse geliefert?
Da kann das Land nicht eingreifen, aber ich habe die Milchmengenreduzierung immer mitgetragen. Großbetriebe passen nicht ins Südtirol-Bild, das wir vermitteln wollen.
Interview: Karin Gamper
Ähnliche Artikel
Kommentare (29)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.
fakt60ist
Also wenn in Zukunft die Stalltür zu bleibt, wäre dies ein großer Schaden für die Handwerker. Die nämlich sagen immer, sie arbeiten am liebsten immer für die Bauern, denn dort bekommen sie nach der Arbeit immer am schnellsten ihr Geld. Ansonsten müssen Handwerker heutzutage ja Banken ersetzen. Kann vielleicht jemand bestätigen, dass dies wirklich so ist?
kongo
Stimmt nicht immer,Bauern sind wie Hoteliere,da muss mann oft auch ein zwei Jahre aufs Geld warten.
hallihallo
sie wollen keine almosenempfänger sein, sondern nur noch richtig satte beiträge bekommen !! und dann noch anerkennung für ihre arbeit.
also nach den ärzten und pflegern und bauern und… ja wer möchte noch alles anerkennung von mir ?? ich arbeite auch täglich und möchte verlange dafür von niemanden anerkennung. wäre schon zufrieden, wenn die öffentlichen angestellten ihre arbeit machen würden , ohne der bevölkerung prügel in den weg zu schmeißen und täglich nach problemen anstatt lösungen suchen. aber das ist vielleicht eine andere geschichte.
also liebe bauern, oder ihr wollt oder ihr wollt nicht. soviele beiträge wir ihr und soviele steuergünstige nebeneinkommen wie ihr bekommt niemand.
gerhard
gut gesprochen!
brutus
…aber eine gutbezahlte Prügel!
bettina75
@alpengruss bitte mach die Stalltür zu!!!!!
tirolersepp
Nebenerwerbsbauern haben Zukunft !!!
Vollerwerb führt geradewegs in die Schuldenfalle !!!
Milch wird immer billig bleiben für die Masse der Bevölkerung !
dn
Naja, zweimal arbeiten um einmal zu leben, dann doch besser die stalltüre zu lassen. Da werden aber andere erschrecken, die von den Bauern profitieren.
yeti
Ja Herr Schuler so langsam wird es eng für Sie. Zuerst wollen Sie den Tourismus kaputt machen, indem Sie einen Bettenstopp einführen, obwohl es viele Gebiete gibt die ohne zusätzliche Betten nicht mehr überleben können und dann lassen Sie auch noch die Bauern links liegen, von denen Sie eigentlich die meisten Stimmen bei der letzten Wahl erhalten haben. Ich denke es ist tatsächlich Zeit, das Sie endlich das Feld räumen. Sie würden sich sicherlich selbst den größten Gefallen tun.
pingoballino1955
Hoffentlich wachen die Bauern auf und wählen Schuler nicht bei den kommenden LW 2023!!!
pingoballino1955
Und die Äpflbauern,vergessn,dei fohrn di tuiern Mercedesjeep und Porsche mit insre Gelder(di GROASSÄPFLBAUERN)
bernhart
Sehr geehrte Kommentarschreiber, ich kann aus ihren Kommentaren nur NEID herauslesen,
Wieso bewerbt Ihr euch nicht einmal als Erntehelfer?? es würde euch einen Einbick in das Bäuerliche Leben und derrer Arbeit geben. Jeder notleidenden Person Wird geholfen,also soll auch den Bergbauern geholfen werden.
Herr Schuler Bauern mit 5 Kühe sind wichtiger als die Grossbauern,diese bewirtschaften noch kleine Flächen und bestücken die Almen.
klum
Milchbauern wollen keine Almosen! Warum gibt man ihnen nicht 3 Euro pro Liter Milch und streicht ihnen dafür alle anderen Beiträge und Subventionen? Zudem könnte man sie dann mit Normalbürgern gleich setzen (Steuern zahlen). Zumal aber kein Normalbürger und Steuerzahler 3,8 Euro zahlen kann (Genossenschaft muss ja auch noch was verdienen), wird mit den Subventions-, und Beitragssummen dann einfach die Differenz bezahlt.
Dann sind es keine Almosen-Empfänger mehr und haben vielleicht etwas weniger Geld zum Überleben oder zum Höfe kaufen.
tirolersepp
Das Problem Milchbauern löst sich von selbst – keine Angst !!!
Milch wird für die Masse der Bevölkerung immer billig bleiben !