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Vereine in Not

Das Land will mit einer Durchführungsbestimmung ein eigenes Südtiroler Vereinsregister für das Ehrenamt schaffen. Doch der Staat schaltet, was die steuerrechtlichen Begünstigungen betrifft, auf stur.

von Matthias Kofler

„Ehrenamt in Not“ nennt sich die Initiative, die der Südtiroler Schützenbund gemeinsam mit 14 weiteren Vereinen und Verbänden des Landes ins Leben gerufen hat. Im Mai haben die Promotoren (Verband der Sportvereine VSS, Chorverband, Theaterverband, Alpenverein AVS usw.) Landeshauptmann Arno Kompatscher eine Petition überreicht, die von 1.596 gesetzlichen Vertretern Südtiroler Vereine sowie von über 5.300 im Ehrenamt tätigen Personen unterzeichnet worden war. Auch 27 Unterschriften von Bürgermeistern aus allen Landesrichtungen fanden sich auf den Unterschriftenlisten. Die Verbände ersuchten den LH, als „Anwalt des Ehrenamtes“ aufzutreten und aufgrund der Dringlichkeit die Angelegenheit zur Chefsache zu erklären.

Der Hintergrund: Mit Beginn der Reform des Dritten Sektors durch das italienische Parlament im Jahr 2013 und mit dem Gesetzesdekret Nr. 117 vom 3. Juli 2017 wurde die Regelung für die ehrenamtlichen Vereine und Verbände auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt. Die Reform stellt das Südtiroler Ehrenamt vor enorme Herausforderungen. Für die Vereine und Verbände in Südtirol, die bis dato in die Landesregister der ehrenamtlichen Vereine beim Amt für Außenbeziehungen und Ehrenamt eingeschrieben sind, ändern sich die bürokratischen und steuerrechtlichen Auflagen radikal. Anstelle der Landesregister werden die Vereine und Verbände in ein Staatsregister eingetragen und müssen sich somit den Richtlinien des Staates unterwerfen. Die damit verbundene Gleichstellung der kleinen Südtiroler Ortsvereine mit gesamtstaatlichen Großvereinen und Verbänden, die Gebäude verwalten und Betriebsstrukturen führen, ist aus Sicht von Schützen, Jägern und Co. nicht trag- und umsetzbar. Neben dem bürokratischen Mehraufwand durch digitale Unterschriften, SPID-Zugänge usw., stelle insbesondere die neue Rechnungslegung mit den staatlichen Vorgaben der Kassenführung für die allermeisten kleinen Vereine ein existenzgefährdendes Problem dar. Die Bilanzen können demnach nicht mehr von den Vereinen selbst eingereicht werden, sondern müssen über einen Steuerberater bzw. Dienstleister nach Rom übermittelt werden. Bei Fehlern und Verstößen gegen diese Bestimmungen drohen Strafen zwischen 5.000 und 20.000 Euro. Die Ehrenamtlichen befürchten, kaum noch Personen zu finden, die dieses Risiko auf sich nehmen wollen.

Die Landespolitik sieht in der Schaffung eines eigenen Südtiroler Vereinsregisters einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma. „Wir nehmen die Sorgen der Ehrenamtlichen in Bezug auf das neue Verzeichnis ernst, denn das Ehrenamt ist Teil der Identität der SüdtirolerInnen“, erklärte LH Kompatscher bei einer Tagung anlässlich des Tags des Ehrenamts. Gleichzeitig machte der SVP-Politiker aber auch deutlich, dass vor Südtirol noch ein steiniger Weg liege. Die Schaffung eines Landesregisters auf Gesetzeswege sei von Rom schon mehrfach abgewiesen worden. Deshalb versuche man es nun über eine eigene Durchführungsbestimmung. „Damit wäre Südtirol statt Rom der erste und direkte Ansprechpartner für die ehrenamtlichen Organisationen und gleichzeitig würden die Obliegenheiten der Zweisprachigkeit zur Gänze erfüllt“, so Kompatscher.

Das Problem dabei: Vereine und Verbände, die steuerliche Begünstigungen des Staates in Anspruch nehmen wollen, müssen sich auch weiterhin in das staatliche Register eintragen. Laut Kompatscher ist hierfür der Staat zuständig, daran ändere sich auch nichts, wenn Südtirol sein eigenes Register habe.

Dies bestätigt SVP-Senator Meinhard Durnwalder, der als Mitglied der Sechserkommission direkt an der Ausarbeitung der Durchführungsbestimmung mitarbeitet: „Mit der Durchführungsbestimmung könnten wir mittels Landesgesetz ein eigenes landesvereinsregister einführen und damit Landesvergünstigungen, sprich Beiträge, GIS-Befreiungen usw., verbinden“, erklärt Durnwalder. Für die staatlichen Vergünstigungen gebe es derzeit jedoch noch negative Gutachten des Arbeits- und Justizministeriums. „Wir arbeiten aber mit Regionenminister Roberto Calderoli und Arbeitsministerin Marina Calderone noch daran“, gibt sich der SVP-Senator kämpferisch.

Seine Parlamentskollegin Julia Unterberger hingegen warnt davor, den Menschen, ähnlich wie beim Wolfs-Thema, falsche Hoffnungen zu machen: „Ich befürchte, dass wir in Bezug auf die Eintragung in das staatliche Register keine autonomiepolitische Handhabe haben. Es handelt sich um Voraussetzungen, die der Staat vorschreibt, um staatliche Steuererleichterungen und andere Zugeständnisse zu bekommen. Es ist logisch, dass derjenige, der gibt, auch die Bedingungen dafür diktiert“, so Unterberger.

In der Nachbarprovinz Trentino scheint man indes weniger Schwierigkeiten mit der staatlichen Reform des Dritten Sektors zu haben: Trient wurde in der vergangenen Woche wegen seines – so wörtlich – „günstigen Umfelds für die Freiwilligentätigkeit“ zur Europäischen Freiwilligenhauptstadt 2024 gekürt.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (2)

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  • dn

    Das von Achammer vor einiger Zeit angekündigte Vorhaben der erleichterten Buchhaltung und Steuerbefreiung für Vereine ist stillschweigend untergegangen, Südtirol ist eben Italien (ob man will oder auch nicht). Vielleicht sollten sich die Vereine alternative Möglichkeiten der Finanzierung überlegen und ums Sparen werden auch die Vereine nicht drumherum kommen.

  • sougeatsnet

    Wenn es die Trentiner schaffen, dann können wir das doch auch. Aber unsere Sturschädel lassen bestimmte Veränderungen nicht zu, denn wir sind die Beschtigsten und haben eine IDM und TecnoPark und und und und übertreffen in Sachen Bürokratie sogar Italien. Sind wir nicht gut?

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